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Günther Oettinger und Hans Filbinger: Deutsche Nibelungentreue

Der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) hat es sich nicht nehmen lassen und bei der Trauerfeier den 1978 zurückgetretenen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, den einstigen Nazi-Marinerichter Hans Filbinger, in Schutz genommen und verteidigt – und damit faktisch eine Grabrede auf die historische Wahrheit gehalten...

Von Jörg Fischer

Die Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, erklärte in einem Zeitungsinterview: "Ich war schockiert und entsetzt. Ich habe die entscheidenden Sätze heute Früh noch einmal gehört. Angesichts der nationalsozialistischen Vergangenheit Filbingers klingen die verharmlosenden Worte von Ministerpräsident Oettinger mehr als absurd. Filbinger als Gegner des NS-Regimes zu bezeichnen, ist eine gefährliche und für die Überlebenden verletzende Perversion der geschichtlichen Wirklichkeit." Laut Berliner "Tagesspiegel" wirft der parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Volker Beck, Oettinger Geschichtsklitterung vor und zeigte sich ob dessen Aussagen schockiert.

Filbinger war 1978 als Ministerpräsident zurückgetreten, nachdem bekannt geworden war, das der "furchtbare Jurist" als Nazi-Marinerichter an Todesurteilen mitgewirkt hatte. Selbst nach der Aufdeckung seiner Vergangenheit zeigte sich Filbinger unbelehrbar. Einem Journalisten sagte er: "Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein." Nach seinem Rücktritt als Ministerpräsident war Filbinger maßgeblich am Aufbau des "Studiententrums Weikersheim" beteiligt, dessen Präsident er lange Jahre war und das als "Kaderschmiede der Neuen Rechten" eingeschätzt wird. Zum Präsidium des "Studienzentrums" gehörte auch der heutige Bundesvorsitzende der rechtsextremen "Republikaner", Rolf Schlierer. (s. auch: "Hans Filbinger ist tot")

Bereits unmittelbar nach dem Tod von Filbinger am 1. April, hieß es auf der Startseite seiner Homepage: "Der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger würdigte Filbinger als herausragende und prägende Persönlichkeit." "Er war ein Landesvater im besten Sinne und fand das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler in bisher nicht gekanntem Maße", erklärte der CDU-Politiker. Die Landesregierung gedenke Filbingers in großer Dankbarkeit und mit Hochachtung. In seiner Trauerrede machte Oettinger den Nazi-Marinerichter dann gar zu einem "Gegner des Nazi-Regimes" und versuchte, die Taten Filbingers damit zu relativieren, das dieser angeblich keine andere Wahl gehabt hätte. Hierzu sagte Charlotte Knobloch: "Als Menschen haben wir immer Entscheidungsfreiheit. Alles andere würde uns aus der Verantwortung nehmen. Gerade er in seiner Position hätte Möglichkeiten gehabt, vieles zu verhindern."

Nach der öffentlichen Empörung über seine Aussagen, versucht Oettinger nun, sich in einer Art "Schadensbegrenzung" üben und vergrößert dabei den Schaden munter weiter. In einem "Offenen Brief" drückt der Ministerpräsident sein Bedauern aus – über die angeblichen "Mißverständnisse", die seine Rede ausgelöst hätten. Den geschichtsrevisionistischen und die Opfer des NS-Regimes verletzenden Inhalt bedauert er indes nicht.

Rücktritts-Forderungen

Nach dem selbst CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel sehr deutlich auf Distanz zu Oettinger gegangen ist und sich dieser – ganz in der Tradition Filbingers – uneinsichtig zeigt, steigt der Druck auf Oettinger. Der Kölner Schriftsteller und Shoah-Überlebende Ralph Giordano forderte öffentlich den Rücktritt von Oettinger. Die in Berlin erscheinende Tageszeitung "Neues Deutschland" berichtet: "Filbinger sei der "Mörder meines Bruders", empört sich Ursula Galke in der "Südwest Presse". Der Bruder der 78-Jährigen war noch nach Kriegsende als Deserteur hingerichtet worden. Das Urteil trägt die Unterschrift des Marine-Oberstabsrichters Filbinger." Laut einer Meldung der Nachrichtenagentur Reuters fordert auch das Simon-Wiesenthal-Center in Jerusalem Oettingers Rücktritt. Ob es allerdings dazu kommen wird, ist noch unklar. Die Landes-CDU scheint Oettinger den Rücken zu stärken. Dies ist allerdings nicht überraschend: 1979, ein Jahr nach seinem Sturz als Ministerpräsident, hatte die Landes-CDU Filbinger zu ihrem "Ehrenvorsitzenden" gemacht.

Category: General
Posted 04/15/07 by: admin

Comments

wrote:
Israel vollstreckt Todesurteile gegenüber den Palästinensern - Jeden Tag, auch sechs Jahrzehnte nach den Taten Filbingers.

Wer ist denn da "schockiert" oder geht "auf Distanz"???

Ich höre hier nur eines: Die Luftschutzsirenen der medialen Gutmenschen die dem Gedenken des Politikers und Menschen Hans Filbinger schaden wollen, ohne vorher nachzudenken!!
04/16/07 13:22:08

rashaba wrote:
Michael Geerbers, hat man denn bei ihnen zu Hause nichts gelernt, oder hat man ihnen genau diesen Revisionismus und Hass eingetrichtert?
Wie es auch sein mag - Kommentare wie ihre sprechen wohl für die neue Generation in Deutschland. Ich habe gerade die Kommntarseite bei Welt.de gesehen und mir ist schon schlecht.

Und zu ihrer Information: In Israel gab es nur ein einziges Todesurteil. 1962 gegen Adolf Eichmann, dessen Spuren die Deutschen aus Scham und Furcht vor dessen Aussagen so lange verischt hatten.

Und nein, in den Verdacht des Nachdenkens, oder gar in den Verdacht, ein Gutmensch zu sein, kommen Sie hier bestimmt nicht.
04/16/07 14:58:44

wrote:
frau knoblock ist schockiert und ensetzt, wie aufregend und über die maßen ungewöhnlich.
04/16/07 17:53:59

wrote:
Wer zur Zeit des Nationalsozialismus als Jurist ausgerechnet in den Staatsdienst eintrat und sich auf einen Richterstuhl setzte wird wohl kaum ein Gegner der Diktatur gewesen sein.

Ob Oettinger seine Aussage aus Opportunismus gegenüber Filbingers Trauergästen oder auf Grund eigener Überzeugung gehalten hat ist für die Beurteilung völlig egal - aus beiden Gründen spricht derselbe Geist.

Erstaunlich die Dreistigkeit Oettingers und erschreckend die Reaktion der CDU im Ländle. Die fälligen Entschuldigungen/Korrekturen werden den Geruch eines rein taktischen Zugeständnisses ohne echte innere Überzeugung kaum loswerden.
Da scheint der verstorbene mit dem amtierenden Ministerpräsidenten eine Gemeinseimkeit zu teilen: Man zieht zurück, und tut so als wüsste man nicht so recht, warum.
04/16/07 20:05:02

wrote:
Filbinger war ein Rad im Getriebe der Nazis, das ist ihm moralisch vorzuwerfen. Dass er sich nicht deutlich genug davon distanziert hat, wurde ihm politisch vorgeworfen und führte zu seinem Rücktritt. Juristisch war ihm nichts vorzuwerfen, es ist ein historischer Fakt, dass seine Urteile als Marinerichter keine Menschenleben kosteten. Diese Aussage Oettingers ist also kaum anzugreifen.
Dass Filbinger eine unrühmliche Rolle als Anklagevertreter gespielt hat und zumindest an einem Todesurteil beteiligt war, ist beklagenswert, die Urteilsforderung entsprach aber dem damals weltweit üblichen Rechtsempfiden (nicht allein der Nazis, von denen das entsprechende Gesetz auch nicht stammte), zumal die Urteilsforderng auch nicht von Filbinger selbst stammte, der erst am letzten Verfahrenstag zu diesem Verfahren abgeordnet wurde. Man mag Filbinger vorwerfen, sich nicht explizit davon distanziert zu haben, dass es vor 1949 in Deutschland die Todesstrafe gab, dass diese auch beantragt und verhängt wurde und dass Filbinger Teil dieser Justiz war - Oettinger kann man allerdings kaum anlasten, dies in seiner Totenrede nicht ausgeführt zu haben.
Bleibt Oettingers Behauptung, Filbinger sei ein "Gegner der Nazis" gewesen - daran entzünden sich ja hauptsächlich die Diskussionen. Es mag unpopulär sein, doch es gab auch auf konservativer Seite Menschen, die Hitler und den Nationalsozialismus ablehnten. Filbinger war sicher kein Widerstandskämpfer - aber das hat Oettinger auch nie behauptet - Filbinger wurde sicher auch nicht aktiv gegen die Nazis, sondern war ein Mitläufer. Das kann als Zeichen von Feigheit, von Opportunismus, von Egoismus gewertet werden - aber das gehört nicht in eine Trauerrede.
Man sollte jedoch in einer Trauerrede klarstellen dürfen, dass Filbinger sich nie als Nazi gefühlt hat, dass er nie als Nazi aktiv wurde (auch seine Handlungsweisen als Marinerichter waren nicht der Nazidiktatur geschuldet, sondern dem gültigen Marinerecht des 19.Jh.) und dass er die Nazis nicht besonders schätze (wenn er sich auch aus Opportunismus anbiederte). Nichts anderes tat Oettinger, als er klarstellte, dass Filbinger kein Nazi war. Dass Oettinger vom "Gegner" sprach war politisch offenbar eine unkluge Wortwahl, falsch war der Hinweis jedoch nicht, wie sich in Filbingers weiterem, durchaus demokratisch gesinntem Lebensweg zeigt. Und all denjenigen, die Oettinger unbedingt falsch verstehen wollten, hat der Ministerpräsident seine Aussage erklärt und zurechtgerückt, dass er Filbinger nicht mit den aktiven Gegenern der Nazis gleichsetzen wollte, die im Widerstand zu Hitler ihr Leben riskiert und auch verloren haben.
Bedauerlich, dass man Oettinger weiterhin falsch verstehen will und diese Kampagne gegen ihn betreibt.
Bedauerlich, dass man das eigentlich viel zu ernste Thema des jeweiligen individuellen Verhaltens zur Zeit des Nationalsozialismus für eine Schlammschlacht gegen einen demokratischen Politiker der Gegenwart missbraucht.
Bedauerlich, dass man noch am Grab Filbingers nicht auf dessen späteres Engagement für ein demokratisches Deutschland hinwies und ihn auf die - nachweislich falsche - Rolle des "sadistischen Nazis" reduzieren wollte.
Bedauerlich auch, dass diese Schmutzkampagne von einem eher schillernden Meinungsmacher wie Ralf Hochhuth angeführt wurde, der selbst keine Probleme damit hatte, öffentlich den Holocaustleuger Irving zu verteidigen.

Bei aller Kritik ging es offenbar nie um historische Wahrheit oder um moralische Gerechtigkeit, sondern nur um die übliche alltägliche Schlammschlacht der Politiker und Interessenvertreter, die persönliches Kapital aus aufgebauschten Sachverhalten zu schlagen versuchen.

Natürlich war Filbinger eher Rädchen als Sand im Getriebe der Nazis; ganz offensichtlich war er Mitläufer, der aktiv zwar nicht für, aber eben auch nicht gegen die Nazis angetreten ist; natürlich hat er sich passiv und opportunistisch verhalten; natürlich kann man ihn nicht als Widerstandskämpfer bezeichnen (das tut m.W. auch keiner) - aber genauso offensichtlich war Filbinger nicht der "sadistische Nazi" als den so manche ihn hinzstellen versuchen, um eine der Tagespolitik geschuldeten Kamapgne gegen den Baden-Württembergsichen Ministerpräsidenten anzustrengen.
Schade, dass hier fernab jeglicher historischer Realität die Zeit des Nationalsozialismus als Mittel benutzt wird, Tagespolitok zu machen - schade auch, dass sich so viele dazu instrumentalisieren lassen.

mehr:
http://de.wikipedia.org/wik...
http://de.wikipedia.org/wik...
Zur Korrektur: das Urteil gegen Walter Gröger, den Bruder von Ursula Galke, wurde nicht nach Kriegsende, sondern am 16.3.1945 vollstreckt.
04/17/07 09:27:13

wrote:
wer -u.v.a.- meuterer als schädlich für das ganze sah, der wird wohl mehr als nur passiver mitläufer gewesen sein, zumal er mit solcher haltung ohnehin nicht in entscheiderpositionen gelangt wäre.

das windelweiche rumgeeiere derer, die den bis heute von vielen deutschen geschätzten gröfaz von rechts kritisier(t)en, man nehme als beispiele goerdeler, stauffenberg und ähnliche gestalten, kann über eines nicht hinwegtäuschen: es wird versucht zu drehen und zu biegen, dass selbst die völkischstenen balken sich biegen! mehr mut zum offenen bekenntnis PRO meine herren weicheier, zack-zack!

mmg wrote:
"...es ist ein historischer Fakt, dass seine Urteile als Marinerichter keine Menschenleben kosteten. Diese Aussage Oettingers ist also kaum anzugreifen."

im nachruf auf filb heisst es bei spiegel online:

"Nach zwölf Jahren im Amt des Ministerpräsidenten musste Filbinger zurücktreten, als durch einen Artikel von Rolf Hochhuth in der "Zeit" öffentlich und unabweisbar geworden war, dass er im Januar 1945 als Marinestabsrichter der Nazi-Wehrmacht - in diesem Fall als Sitzungsvertreter der Anklage - am Todesurteil für einen deutschen Soldaten, den 22-jährigen Matrosen Walter Gröger, wegen "Fahnenflucht" mitgewirkt hatte."

http://www.spiegel.de/polit...
und:

"Als Militärstaatsanwalt beantragte er mehrfach gegen einfache Matrosen Todesurteile, erhielt sie und ließ sie unter seiner persönlichen Aufsicht - so am 16. März 1945 - auch vollstrecken, wie im Fall des "Kameraden" Matrose Walter Gröger - wegen "Fahnenflucht". 6 Wochen vor dem Ende des 2. Weltkrieges in Europa, als die Sowjets schon vor Berlin standen. Auch als Marinerichter verhängte Filbinger Todesurteile."

http://www.hagalil.com/01/d...

mmg wrote:

"Dass Filbinger eine unrühmliche Rolle als Anklagevertreter gespielt hat und zumindest an einem Todesurteil beteiligt war, ist beklagenswert..."

Exact bei wikipedia, auf das mmg sich beruft, steht auch zu lesen:

"Das Gericht verurteilte Gröger auf Antrag Filbingers zum Tode."

wie "beklagenswert"! ging es doch immerhin darum, die bürgerliche ordnung, wenn auch unter etwas ungünstigen bedingungen, um jeden preis aufrecht zu erhalten. so in etwa?

http://de.wikipedia.org/wik...

es geht um verstrickung, hier auch noch in herausragender position! nicht darum, in welcher funktion innerhalb der ns-henkersbande gerade jemand sein warmes plätzchen gefunden hatte; also nicht primär darum, ob er den strick knüpfte oder die klappe unter den füßen öffnete.

erbsenzählereien werden vorzugsweise von jenen vorgenommen, die auch nach sichtbaren schornsteinen (in den nicht nur namentlich schönen/euphemisierten) orten birkenau und buchenwald fragen, die den holocaust kleinzurechnen sich bemühen.

für nazis samt ihrer beiboote stellte es nie ein problem dar, sich der gering geschätzten demokratisierung nach wk2 anzupassen, bildeten doch letztlich sie deren fundament.

und sie haben "würdige" und nicht unclevere epigonen. siehe mmg.

ist doch eine durchaus alltäglich-deutsche vita, das: SA, NSDAP, CDU, weikersheim...
04/18/07 14:08:06

wrote:
Wer Meuterer und Fahnenflüchtige als verurteilenswert ansah, ist deshalb noch lange kein Naziverbrecher. Fahnenflucht und Meuterei wird auch heute noch in jedem Militär der Welt bestraft.
Auch heute wäre Filbinger gehalten, seine Urteile und seine Anklagen nach den entsprechenden Regeln zu formulieren - mit dem Unterschied freilich, dass heute die Todesstrafe in Deutschland abgeschafft ist. Aber die Todesstrafe an sich war und ist kein Merkmal des Nationalsozialismus.
Echte Nazi-Gesinnungsurteile wie z.B. nach den "Nürnberger Gesetzen" hat Filbinger nicht gefällt. Aus seiner Tätigkeit als Militäranwalt und als Marinerichter ist also nicht abzuleiten, dass Filbinger ein "sadistischer Nazi" war.
Er arbeitete sich auch nicht in eine Entscheiderposition hoch, sondern wurde nachweislich gegen seinen Willen dienstverpflichtet.
Natürlich war Filbinger am Fall des hingerichteten Walter Gröger als Staatsanwalt beteiligt, ändert aber nichts an der Feststellung, dass "Filbingers Urteile als Marinerichter keine Menschenleben kosteten". Filbinger beantragte dieses Urteil auf höhere Weisung, fällte es aber nicht, da er nicht Richter, sondern Staatsanwalt war.
Dass Filbinger als Mitläufer in Krieg und Nationalsozialismus verstrickt war, stand und steht völlig außer Frage; in "herausragender Position" war Filbinger aber nicht, weder als Jurist, noch als Wehrmachtsangehöriger, schon gar nicht in der Parteihierarchie. Seine Handlungsweisen als Marinejurist basierten nicht auf der Weltanschauung des Nationalsozialismus, seine Mitgliedschaft in der Partei war charakterlos und bloßer Opportunismus, blieb aber ohne Folgen - anders als bei glühenden Überzeugungstätern wie Roland Freisler, Adolf Eichmann, Hans Kaiser u.v.m. die alles dafür taten, die menschenverachtende Gesinnung des Nationalsozialismus durchzusetzen und die tatsächlich für Morde verantwortlich waren.
Ich finde es problematisch, wenn Mitläufer in die gleiche Schublade wie die tatsächlichen Verbrecher gesteckt werden. Man verstehe mich nicht falsch, auch die Mitläufer sollten als solche identifiziert werden, haben sie doch häufig erst den Raum geschaffen, in dem die Verbrecher tätig wurden. Aber ein sture schwarz/weiss-Sicht der Dinge halte ich für unangebracht. Es gab eben auch "graue", die einerseits als Mitläufer Rädchen im Getriebe waren, dennoch versuchten, irgendwie einen Rest Anstand zu wahren und auf ihre Art gegen die Nazis zu opponieren. Und auch darauf darf in einer Trauerrede hingewiesen werden: dass Filbinger eben nicht nur Marinerichter und Parteibuchinhaber war, sondern auch eine Ablehnung gegen den Nationalsozialismus hatte. Und Oettinger sollte ihm durchaus auch zugute halten dürfen, dass Filbinger mehr als einmal versucht hat, die Unmenschlichkeit der Nazis zu unterlaufen. Das macht ihn nicht zum Widerstandskämpfer - aber die faktisch unhaltbaren Anwürfen Hochhuths vom "sadistischen Nazi" Filbinger, die in den Medien unreflektiert übernommen wurden, relativieren die wirklichen millionenfach vorgekommen Verbrechen der nationalsozialistischen Verbrecher und werden Filbingers Rolle zur Zeit des Nationalsozialismus und während bzw. kurz nach dem 2.WK nicht gerecht.
Dass Oettinger in seiner Trauerrede nur die positiven Seiten Filbingers aufzeigte (was in einer Trauerrede eigentlich nicht verwundert), ist also bei weitem keine Geschichtsfälschung und keine Lüge. Es ist höchstens politisch unklug, weil es Missverständnisse fördern kann. Diese hat Oettinger jedoch hoffentlich allgemeinverständlich ausgeräumt und sich entschuldigt, womit viele (z.B. auch der Zentralrat der Juden) das Thema beendet sehen.
Leider werden aber auch weiterhin einige Filbinger zum "sadistischen Nazi" hochstilisieren, was nicht auf historischen Tatsachen basiert, sondern häufig auf dem Beißreflex des institutionalisierten "Antifaschismus", der alles rechts der Sozialdemokratie (manchmal sogar diese) als "faschistisch" einordnet (wie die Gleichsetzung von SA, NSDAP und CDU meines Vorredners anklingen lässt). Doch über das Ziel hinauszuschiessen macht unglaubwürdig. Filbinger zur sadistischen Bestie hochzustilisieren und den Filbingerfreund Oettinger quasi in "Sippenhaft" zu nehmen vernebelt den Blick auf die tatsächlichen Bestien.
Ein bisschen mehr Augenmaß und das Beachten der historischen Fakten kann jedenfalls nicht schaden. Die Verbrechen der Nazis waren auch ohne nachträgliche Übertreibungen schlimm genug. Zigtausende Nazis, die wir nicht namentlich kennen, weil sie nicht Ministerpräsident wurden, haben diesem Regime aufs Schlimmste gedient. Das ist so ungeheuerlich, dass allein die Wahrheit und nur die Wahrheit Abscheu vor den Nazis und ihrer Ideologie hervorruft. Und das reicht völlig.
04/19/07 23:44:33

wrote:
"was damals recht war, kann heute nicht unrecht sein". gewiß haben deutsche panzerfahrer sich an polnische geschwindigkeitsbeschränkungen gehalten und gewiß hat der dr. filb auch nicht auf norwegischen radwegen geraucht, es waren halt alles rechtsstaatler. mussten sie mal schneller fahren oder unbedingt rauchen, so haben sie das sicher stets mit würdevollem anstand getan. tempolimit-beachtung als widerstand.

wen interessiert da schon der nazi-kontext, in dem sie vllt. und kürzeststreckenweise so etwas wie "anständig" gewesen sein mögen?

es gab auch hinreichend gestalten, die nach frankreich, nicht nach russland an die front wollten. so what? und: filb musste nicht marinist werden, er hätte auch eine kanzlei eröffnen und seine Kumpane nach der "katastrophe", nach dem "zusammenbruch" verteidigen können und wäre auch 93 geworden.

es ist wenig hilfreich, das schönreden aus dem ersten beitrag, mmg, erneut auszubreiten; damit zu hadern, ist aber ebenso müßig, wie die meinungsführerschaft der ewigen relativierer infrage stellen zu wollen, leute wie SIE sind deutschland, hier mal unglatzig in halbseidenes schweinsleder gebunden.

ließe man sich auf die perfiden spielchen ein und nähme an, der filb sei ein wahrer von recht und ordnung gewesen, auch unter "widrigen" umständen, so gebe ich zu bedenken, dass typen seines schlages auch im kaiserlichen deutschland sich durchaus mit leichter hand die zuschreibung "furchtbarer jurist" erarbeitet hätten.

"...eine"Spiegel"-Meldung: Dr. Filbinger war am 29. Mai 1945, drei Wochen nach der Kapitulation, als Marinestabsrichter für die Verurteilung eines Matrosen verantwortlich gewesen, der ein "hohes Maß an Gesinnungsverfall" dadurch bewiesen haben sollte, daß er "demonstrativ von dem Hoheitszeichen der Mütze und des Uniformrockes das Hakenkreuz entfernt" hatte." (bernt engelmann in konkret 3/76)

hochhuth kommt zu dem durchaus nachvollziehbaren schluß, er, filb, sei ein "sadistischer nazi" gewesen.

es ist aber nicht überraschend zu sehen, dass sich die dt. bourgeoisie halbangebildete domestiken hält, die bestrebt sind, ihr die weste reinzuwaschen. business as usual.

auch ist immer herzerfrischend, von verteidigern der täter zu hören zu bekommen, man müsse den tätern, die ja keine waren -oder wie oder was?- mit fairness entgegentreten, alles andre sei kommunistische propaganda. das hat was, doch!

btw: die aufzählung SA, NSDAP, CDVU, weikersheim ist zunächst einmal nicht mehr als die darstellung einer zeitlichen abfolge. auch geht es nicht um "sippenhaft", nicht im geringsten; aber ihre sprache verrät sie immer, auch wenn sie kreide fressen, die verteidiger von recht und ordnung, die wahrer des prinzips der rechtsstaatlichkeit, solange all das ihren belangen genügt; die jedoch genauso flugs all das zu vergessen bereit sind, wenn es darum geht, am drücker zu bleiben. um jeden preis. denn den zahlen stets andere.

kleiner tipp: sippenhaftung war wohl gemeint.

nicht dafür:

"du" bist deutschland!
04/24/07 23:15:20

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