Nachdenkenswertes aus und über Daniel Schweizers Doku ''White Terror'', die zeigt, wie Neonazis global agieren. Dient der Film dabei als Plattform für Neonazis oder um darüber aufzuklären?...
Von Romano Sposito, mut-gegen-rechte-gewalt.de
Regisseur Daniel Schweizer kennt sich aus in der Neonazi Szene. Seit über 10 Jahren widmet er sich filmisch diesem Thema. In einem Interview gibt er zu, „unfreiwillig zu einer Art Spezialist für die Bewegung geworden“ zu sein. In White Terror, dem letzten Teil seiner Trilogie über Skinheads und Rechtsextremismus, enthüllt Daniel Schweizer die internationalen Verbindungen zwischen Neonazis in Schweden, den USA und Russland. Dadurch gewinnt der Film auch seine klare Struktur. Anlass der Dokumentation ist ein ihm zugespieltes Video der neonazistischen Gruppe „Blood and Honour“.
Diese so genannten „Kriegsberichter“-Videos liefern ganz neue Erkenntnisse über die Verbindungen zwischen skandinavischen, amerikanischen und russischen Skinheads. Die Videos belegen „die Entstehung einer neuen, immer gewalttätigeren und radikaleren neonazistischen Skinhead-Generation über nationale Grenzen hinaus“. “White Terror“ befasst sich auch mit rechtsradikalen Gruppen, die sich die Globalisierung und die rasche Verbreitung neuer Technologien zunutze machen und eine Art internationale „White Power“- Bewegung geschaffen haben. Sie streuen über das Internet rassistische Propaganda, Bücher, Magazine, CDs sowie DVDs und finden auf diese Weise neue Empfänger für ihre Propaganda.
Schweize bleibt dabei immer ganz Dokumentarfilmer, der versucht die Realität abzubilden, Gewaltszenen spart er jedoch aus. Er versteht sich weniger als Journalist, denn als eine Art Ethnologe, was man dem Film auch anmerkt. Kritische Fragen sind eher die Seltenheit und die Interviewpartner werden oft nicht namentlich vorgestellt. Dafür bietet er sich der rechten Szene wie ein Fremdenführer an, zwischenzeitlich gut sichtbar auch die Links zu vorgestellten Nazigruppen.
So überrascht es nur bedingt, wie nah Schweize an die verschiedenen Gruppen heran kommt. Er selbst führt das auf den Erfolg seines früheren Films „Skinhead Attitude“ zurück. Manchmal scheint dadurch die Distanz zu den Extremisten nicht ausreichend gewahrt, denn Schweizer kommentiert das Gedrehte nur selten. Es stellt sich deshalb die Frage, ob es richtig ist, Neonazis eine solche Plattform für ihre Agitation zu bieten.
Der Vorteil dieser Herangehensweise liegt auf der Hand: Die Beteiligten berichten bereitwillig und authentisch. Da gibt es zum Beispiel den schwedischen Sozialhilfeempfänger und „Kriegsberichter“-Videomacher, der das Herausgeben faschistischer Propaganda zum Hauptberuf gemacht hat: „Na ja, das ist rassistische Unterhaltung für schon Bekehrte. Wie MTV, nur mit anderen Inhalten.“
Die wohl schockierendste Szene des gesamten Films ist, als man eine auf den ersten Blick unscheinbare Familie bei ihrem Wochenend-Barbecue sieht und die Mutter mit voller Überzeugung in die Kamera sagt: „Ich bin eine weiße Rassistin, und ich erziehe meine Kinder zu weißen Rassisten.“ Diese Frau gehört zur Gruppe der White Aryan Resistance (weißer arischer Widerstand), die den „führerlosen Widerstand“ propagieren. Sie sind der Überzeugung, dass ein Rassenkrieg unausweichlich sei. Denn im Jahr 2050 stellten Weiße die Minderheit in den USA dar.
Von hier aus schlägt der Film einen großen Bogen nach Russland, das Land der Zukunft für die Rechtsradikalen. Zum einen gehen die Behörden hier kaum gegen die Gruppierungen vor, zum anderen herrscht eine Art Geschichtsparadoxon. Trotz 25 Millionen russischen Kriegstoten im Zweiten Weltkrieg bezeichnen sich heute geschätzte 50.000 junge Leute als Nazis. Schweizer zeigt einen der Repräsentanten der rechtsradikalen französischen Partei Front National, wie er Worte an die russischen Gefährten richtet und seine Gastgeber reihenweise den Arm zum Hitlergruß hoch reißen.
Aus der Doku kann man zweierlei Erkenntnis ziehen: Die Ideologen sitzen in Amerika. Am stärksten auf dem Vormarsch sind die Extremisten in den Ländern des ehemaligen Ostblocks. Schweden fungiert wegen seiner toleranten Gesetzgebung als Drehscheibe und als Unterschlupf.
Ferner arbeiten die Rechtsextremisten unter dem Sammelbegriff „White Power“ verstärkt auf umfassende Allianzen hin - unabhängig von unterschiedlichen politischen Zielsetzungen. Etwaige Verbote, wie das in Deutschland angedachte NPD-Verbot, könnten kontraproduktiv sein, da dann der Druck auf die Gruppierungen wachsen würde, sich ins Ausland zu verlagern, wo weniger strenge Gesetze herrschen.
Daniel Schweizer hat jedenfalls mit dem Kapitel Rechtsextremismus abgeschlossen. Er „will diese Welt und diese Leute nicht mehr filmen“. Und er will sich diesem Zwiespalt nicht mehr aussetzen: ist es eigentlich Enthüllung oder Werbung, was er betreibt?
© www.mut-gegen-rechte-gewalt.de - 28.3.2007
Posted 03/28/07 by:
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Comments
Ich hab (ca) das letzte Drittel des Films gesehen und hatte nie den Eindruck, dass es sich um Werbung für diese Leute handelt. Am Schluss macht der Film seine Intention auch nochmals ausdrücklich deutlich und sagt, dass man das nicht ignorieren darf. Ich verstehe aber, wenn jemand mit diesem Vorgehen Bauchschmerzen hat. Es ist vielleicht ein ähnliches Problem wie bei "American History X", wenn auch nicht ganz so drastisch, da in diesem Film ("American History X") teilweise die Innenperspektive positiv dargestellt wird, während Daniel Schweizer nur präsentiert (und auch mit Antifaschisten und Leuten auf Mordlisten spricht! Es wird schon sehr deutlich, wo seine Sympathien liegen). Wenn Daniel Schweizer nicht kommentiert, fühlt sich der Zuschauer aufgefordert, zu widersprechen. Die Situationen, in denen Handeln gefordert ist, sind meistens auch nicht so, dass schon jemand da ist, der etwas dagegen tut, es verurteilt oder widerspricht, sondern man selbst ist gefragt. Dieses Gefühl zu vermitteln, scheint der Film geschafft zu haben. Wie gesagt, ich hab weniger als die Hälfte des Films gesehen, aber Werbung konnte ich darin beim besten Willen nicht erkennen.
MfG Sven
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MfG Sven