"Hallo liebe Geschwister, was würdet ihr machen, wenn ein deutscher Schulkamarad euch fragen würde: 'Bist du und deine Familie mit Hisbollah?' Natürlich bin ich mit Sayed Hassan [Nasrallah, dem Generalsekretär der Hisbollah] (Gott beschütze ihn). Aber bei den Deutschen sehe ich eine Schwierigkeit, das zu sagen, denn sie bezeichnen Hisbollah als Terroristen." Mit dieser Frage wandte sich Iman aus Lüneburg kürzlich an die Teilnehmer des deutschsprachigen Shia-Forums...
ufuq, 3. November 2008
Bei der Hisbollah handelt es sich um eine schiitisch-islamistische Organisation aus dem Libanon, die enge institutionelle und ideologische Verbindungen zum Iran unterhält. Die Hisbollah propagiert einen fortwährenden Kampf gegen Israel und war in der Vergangenheit immer wieder für Anschläge gegen zivile und militärische israelische Ziele verantwortlich. Im Libanon verfügt die Organisation über moderne Waffen und mehrere Tausend Kämpfer.
Der arabischsprachige Satellitensender der Organisation, Al-Manar, findet auch unter libanesischen Migranten in Deutschland Beachtung. Neben martialischen Berichten über den "Widerstand" und die „Märtyrer“ der Hisbollah brachte Al-Manar wiederholt antisemitische Sendungen.
In der vergangenen Woche berichtete das Fernsehmagazin Report München ausführlich über die Aktivitäten der Hisbollah in Deutschland. Anlass der Reportage war ein israelisches Gerichtsverfahren gegen einen israelisch-palästinensischen Studenten aus Göttingen, der der Unterstützung der Hisbollah beschuldigt wird. Dem Medizin-Studenten wird vorgeworfen, von der Organisation in Deutschland für Spionageaufgaben angeworben worden zu sein.
Sympathisanten der Hisbollah beteiligen sich regelmäßig auch an den jährlich in Berlin stattfindenden Veranstaltungen zum sogenannten "Quds-Tag".
Die Verfassungsschutzämter schätzen die Zahl der Aktivisten in Deutschland auf 900 Personen, die in etwa 30 Moschee- und Kulturvereinen aktiv sind. Anders als in den USA und Kanada wird die Hisbollah von der EU allerdings nicht als terroristische Organisation eingestuft. Auch ist es nicht strafbar, sich beispielsweise auf Demonstrationen öffentlich zur Hisbollah zu bekennen.
Die Bundesregierung vertrat lange die Ansicht, die Organisation stelle keine konkrete Gefahr für die innere Sicherheit in Deutschland dar. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage im Bundestag zu den Aktivitäten der Hisbollah in Deutschland hieß es im Februar 2007:
„Der Personenkreis [der Anhänger in Deutschland] unterstützt die islamistische ‚Hizb Allah‘ im Libanon durch Sammlung und Transfer von Spendengeldern. Gegen die hiesige freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Ziele werden dabei – soweit wahrnehmbar – nicht propagiert. (…) Nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden geht zurzeit keine konkrete Gefährdung von den ‚Hizb Allah‘-Anhängern in Deutschland aus. Sie verhalten sich einer Aufforderung der Beiruter Zentrale folgend weitgehend gesetzeskonform.“
Dagegen warnte das Bundeskriminalamt Presseberichten zufolge jüngst vor dem Mobilisierungspotential der Organisation, die sich in Krisenzeiten durchaus auch zu Aktionen gegen Ziele in Deutschland entschließen könnte.
Auch ohne sichtbare politische Aktivitäten stößt die Hisbollah unter Muslimen in Deutschland auf Sympathien. Gerade unter jungen Migranten mit libanesischem Familienhintergrund findet die antiisraelische Agitation der Organisation nicht selten Unterstützung. Dies spiegelt sich in den Reaktionen im Shia-Forum, die die Schülerin Iman mit ihrer Frage, ob man sich in Deutschland offen zu seinen Sympathien bekenne solle, auslöste.
So schrieb ein Teilnehmer unter dem Pseudonym „Kerbala2“:
„Klar würde ich sagen, dass ich zu denen gehöre. Du unterstützt doch nur deren Ansichten, bist aber kein Mitglied von Hizbollah, das ist ein Unterschied. Als ich im Libanon war, da habe ich 15 Bücher mitgebracht und alle handeln von Hizbollah. Meine Familie wollten nicht, dass ich die mitnehme, aber ich hab es trotzdem gemacht. Ausserdem habe ich eine Hizbollah Flagge und ein riesen Bild von Sayed Hassan [Nasrallah] mitgenommen. (…) Ich sehe es nicht ein mich zu verstecken, ich stehe dazu was ich bin. Solange ich niemanden damit Schaden zufüge ist es doch egal wem ich verfolge oder an wen ich glaube.“
„Tuma92“ aus Nordrhein-Westfalen sieht das ganz ähnlich:
„Ich trage immer und überall so ein Hezbollah-Armband und in der Schule wurde ich mal von meinen Lehrern darüber angesprochen... Ich habe ganz normal reagiert habe es ihnen erklärt und wenn sie dass nicht verstehen möchten interessiert mich das überhaubt nicht... Ich stehe zu meiner Meinung!!!“
Und für "Ansarshi3a" ist es sogar eine Pflicht, sich zur "Hizb Allah", der "Partei Gottes", zu bekennen:
"Wenn mich jemand diese Frage stellen würde, würde ich antworten: Es ist meine pflicht als Muslim, ein Anhänger der Hisbollah zu sein. Denn Hisbollah ist nichts anderes als die Partei-Gottes."
Dagegen warnt „Habibi“ warnt vor den Reaktionen, die man mit einem solchen Bekenntnis auslösen könnte. Die Deutschen seien islamfeindlich und würden Israel unterstützen. Als Anhänger der Hisbollah gelte man daher automatisch als Terrorist.
Dies sehen hingegen nicht alle so. "Saida" berichtet zum Beispiel, dass sie an der Universtität auch auf Verständnis für die Position der Hisbollah stößt.
Einig ist man sich allerdings darin, dass die Hisbollah Unterstützung verdient. So schreibt „Ansar Hezbollah“:
„die hizbullah kämpft für unabhängigkeit, gerechtigkeit und wohlergehen der libanesen. sie kämpfen und sterben, damit die frauen und kinder in freiheit und sicherheit leben können. sie kämpfen, damit die zionistische agressoren nicht ihren heimat annektieren. sie verteidigen ihren glauben und ehre. im gegensatz zu den salafisten [einer sunnitisch-islamistischen Strömung] führen sie einen gerechten und wahren jihad. die kämpfer der hizbullah sind die kinder khomeynis. sie sind vorbilder für all jene, die für gerechtigkeit und unabhängigkeit kämpfen.
ich verdiene es nicht, mitglied der hizbullah zu sein. doch wallahul aliyul adhim, es wäre mir genüge und eine ehre, die schuhe der mujahedin zu putzen und ihre hände zu küssen, bevor sie in den kampf ziehen. all ehre sei ihnen, kämpfer des wahren islam.“
[Die Zitate aus dem Shia-Forum wurden hier aus Gründen einer besseren Lesbarkeit leicht bearbeitet.]
© ufuq - Medienforschung & politische Bildung in der Einwanderungsgesellschaft
Ein guter Tipp:
Liebe Leser, machen sie sich selbst ein Bild des Forums, denn sie können nicht sicher sein, ob diese Darstellung den Tatsachen entspricht.