In der Hochschule für Musik und Theater München ist seit Ende Oktober die Ausstellung "unerhörte Musik" zu sehen – zum Gedenken an 106 Musiker/innen, die von den Nazis wegen ihrer jüdischen Familienherkunft verfolgt, vertrieben oder ermordet wurden und deren Musik verstummen musste...
Eine Ausstellung von Wolfram P. Kastner und Christian Schölzel
An der Fassade des ehemaligen „Führerbaus“, in der die Musikhochschule untergebracht ist, stört ein 12 Meter langes, schräg angebrachtes Transparent mit der Aufschrift „unerhörte Musik“ die klotzige Wucht der NS-Architektur. Im südlichen Lichthof sind an den Stirnseiten der 36 rotbraunen Marmorstufen die Namen der 106 Musiker/innen in großen weißen Lettern unregelmäßig angebracht.
In einem Monitor werden permanent Porträts, Lebensläufe der Musiker/innen und Dokumente gezeigt. Im nördlichen Lichthof ist diagonal durch die dreistöckige Halle ein 18 Meter langes weißes Transparent mit den Namen der 106 Musiker/innen gespannt. Auf 58 Notenständern werden Porträts, Biografien, Partituren, und Dokumente der Verfolgung gezeigt.
Eine konventionelle Ausstellung ist in den trüblichtigen hochfahrenden NS-Hallen nicht möglich. Wir haben versucht, der Architektur etwas entgegen zu setzen, damit die Erinnerung nicht darin untergeht.
Über 75 Jahre nach der Ausgrenzung von Musiker/innen, von denen viele an der Münchner Akademie der Tonkunst studiert oder sogar gelehrt hatten, werden erstmals Namen genannt, Gesichter gezeigt und Töne in dieser Stadt hörbar – in der Ausstellung ebenso wie in dem eindrucksvollen Eröffnungskonzert und an zwei öffentlichen Hörstationen (am Jakobsplatz und am Gasteig).
Beim Eröffnungskonzert trugen Hochschulangehörige Kompositionen vor von Klaus Pringsheim (Zwillingsbruder von Katia Mann und Leiter der Kaiserlichen Musikakademie in Tokio), von
Paul Ben-Haim (der als Paul Frankenburger in München geboren war, studierte und komponierte, bevor er nach Israel floh und einer der großen israelischen Musiker wurde), von Eugen Auerbach (der 1944 im KZ-Auschwitz ermordet wurde), von Walter Braunfels (der Berufsverbot erhielt und dessen Werke auf der Verbotsliste standen) sowie von Bruno Walter (der in die USA fliehen musste).
In ausgiebigen Recherchen in Archiven in München, Berlin, Zürich, Wien, USA und Kanada sowie in privaten Archiven konnten wir Lebensdaten, Fotos und Dokumente zur Biografie und zur Verfolgung der Musiker/innen finden – aber auch unerforschte Nachlässe und nie gespielte Kompositionen – wie z.B. in Zürich von Max Ettinger (Freund des Musikschriftstellers Alfred Einstein und Komponist einiger Opern sowie von Liedern und Chorwerken wie „Jiddisch Leben“ und „Jiddisch Requiem“).
Von einigen aber fanden wir fast nichts – kein Bild, nichts Persönliches, nur einen Eintrag im polizeilichen Selbstmordregister oder auf einer Deportationsliste.
Wir hoffen sehr, dass diese Ausstellung sowie die Konzerte, die im nächsten Jahr folgen sollen, als Anregung aufgegriffen werden für weitere Forschungen, Konzerte und Ausstellungen – auch an der Musikhochschule und an der Universität.
Das Projekt wurde gefördert von der LH München, Kulturreferat und steht unter der Schirmherrschaft von OB Ude und der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde, Charlotte Knobloch.
Die Ausstellung ist bis Ende März 2009 zu sehen.