Am 6. November 2008 kommt der Dokumentarfilm "Stolperstein" von Dörte Franke in die bundesdeutschen Kinos...
Von Asta Hemmerlein
"Stolperstein" ist sowohl Künstlerportrait als auch Roadmovie. Im Zentrum steht Gunter Demnig, Konzeptkünstler mit Cowboyhut, der mittlerweile über 15.000 Namen von Nazi-Opfern in die Bürgersteige Deutschlands und Europas einbetoniert hat. Er hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, ausgelöschte Biografien zurück in unseren Alltag zu bringen.
Doch auch wenn sich seine Minidenkmäler immer rasanter in Deutschland und Europa ausbreiten, sind sie nicht überall willkommen. Das Projekt wird mancherorts von Neonazis bekämpft, wurde in München offiziell verboten und hat innerhalb der jüdischen Gemeinden eine heftige Kontroverse ausgelöst. Auf der anderen Seite stehen hinter jedem einzelnen "Stolperstein" engagierte Helfer und private Spenden. In den letzten Jahren ist aus dem riesigen Netzwerk ehrenamtlicher Helfer eine regelrechte Bürgerbewegung entstanden, die täglich wächst.
Der Film begleitet den rastlosen Künstler auf seinen Touren durch Deutschland und Europa und führt uns zu Menschen, bei denen diese Steine auf ganz unterschiedliche Weise einen Nerv treffen. Zwei Sinti-Frauen in Österreich empfinden den "Stolperstein" für den Großvater als Grabsteinersatz und wollen in einem kleinen Dorf ein Zeichen für ihre, fast vollständig ermordete, Großfamilie setzen. Ein Überlebender in England kämpft mit der Stadt München und der Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland um die Steine seiner Eltern – die die Stadt vor seinem alten Haus wieder entfernen ließ. Drei Frauen in Hamburg verarbeiten das schwierige Erbe ihrer SS-Väter, indem sie regelmäßig "Stolpersteine" polieren. Und in Ungarn will eine junge Frau durch das Kunstprojekt ihre Landsleute zum Reden über eine verdrängte Vergangenheit bringen.
Ihre persönlichen Geschichten zeigen beispielhaft, warum heute so überraschend viele Menschen durch diese kleinen, unaufdringlichen Messingplatten der Vergangenheit begegnen wollen. Während die immense Nachfrage kaum mehr zu bewältigen ist, will Gunter Demnig weiterhin jeden einzelnen "Stolperstein" persönlich herstellen und verlegen. Er ist davon überzeugt, dass nur so ein individuelles Schicksal nach Hause gebracht werden kann. Doch der Druck wird immer größer und so muss Demnig am Ende des Filmes eine Lösung finden.
Dörte Franke begleitet den Künstler auf seinen Verlegungstouren und bei der Arbeit in seinem Kölner Atelier. Durch den persönlichen Zugang zu ihm und ihrer Mutter Uta Franke, der Koordinatorin des "Stolpersteine"-Projektes, erhielt die Regisseurin Einblicke in einen Arbeitsalltag, der sich immer mehr zu einer logistischen und auch persönlichen Herausforderung entwickelt.
Im Film wird die Auseinandersetzung um die "Stolpersteine" in München anhand der Geschichte von Peter Jordan thematisiert. Er kämpft seit Jahren um die "Stolpersteine" für seine Familie, die im Auftrag der Stadt München aus dem Bürgersteig entfernt wurden. Jordan spricht von einer "zweiten Deportation" nach 1945. Vorläufiger Höhepunkt der Auseinandersetzung ist nun die Eingravierung der Namen seiner Familie im "Gang der Erinnerung", einer zentralen Gedenktafel im neuen Jüdischen Gemeindezentrum für alle jüdischen Opfer der Stadt München – gegen Peter Jordans ausdrücklichen Wunsch. Er will an seine Eltern nicht in einem polizeilich bewachten Gebäude, sondern durch "Stolpersteine" im öffentlichen Raum erinnern. Bei einem Treffen mit Charlotte Knobloch wurde ihm nun eine traditionelle Gedenktafel am Haus seiner Eltern angeboten. Der 85-jährige Peter Jordan hat das abgelehnt, er will keine Sonderlösung, sondern hofft immer noch, dass eines Tages alle "Stolpersteine" in München genehmigt werden. Mittlerweile warten dort 120 Steine auf ihre Verlegung und es gibt eine Bürgerinitiative, die sich für die Münchner "Stolpersteine" engagiert.
Stolperstein
Dokumentarfilm
Länge: 76 min.
Format: Digibeta / Festplatte / 35 mm 1:1,85 Stereo
Verfügbare Fassungen: Deutsche Originalversion (Digibeta mit engl.UT)
FSK: beantragt
Eine Produktion von HANFGARN & UFER Filmproduktion Berlin
und TROIKA Entertainment GmbH Köln Im Verleih von Film Kino Text