Wer die vergangenen vier Jahre ratlos vor oder – o Fortschritt! – in seinem Kleiderschrank stand, darf jetzt befreit aufatmen. Der Kinofilm »Sex And The City« ist endlich leinwandfertig. Mitunter geht unter, wer die geniale und sehr vielseitige Musik zu der 145-minütigen Komödie geschrieben hat. Es ist Aaron Zigman...
Von Asta Hemmerlein
Aaron Zigman – 44 Jahre alt – ist ein neuer Star unter den Filmmusik-Komponisten. Mit seinen exquisiten, sehr lyrischen und bewegenden Scores hat er sich innerhalb kürzester Zeit einen ausgezeichneten Ruf in der Branche erarbeitet. Eine klassische Klavierausbildung seit seiner Kindheit bildet das Fundament
seines außerordentlichen Talents. Zigman verfügt über ein ausgeprägtes Gespür für eingängige Melodien und Songs. Seine Musikkarriere begann er als Produzent und Arrangeur diverser Popstars unterschiedlichster Stilrichtungen, wie beispielsweise Aretha Franklin, Natalie Cole, Oleta Adams, Phil Collins, Tina Turner, Patti Labelle, Chicago, Nona Gaye, Carly Simon, die Pointer Sisters, Huey Lewis, Christina Aguilera und Seal.
Als Liebhaber von Orchestermusik komponierte er außerdem diverse Symphonien, darunter ein 35 Minuten langes Klang-Gedicht als Ode an Yitzak Rabin, das vom Los Angeles Jewish Symphony Orchestra gespielt wurde. Das USC Symphony Orchestra führte vor Kurzem Zigmans »Impressionen« auf, eine Suite für Blasinstrumente.
Es dauerte nicht lange, da begann Zigma, für Filme zu arrangieren und orchestrieren, darunter »Mulan« (Mulan), »The Birdcage« (The Birdcage – Ein Paradies für schrille Vögel), »Pocahontas«, »What’s Love Got To Do With It« (Tina – What’s Love Got To Do With It) und »Licence to Kill« (James Bond 007 – Lizenz zum Töten). Seine Chance, einen Score für einen Film zu schreiben, kam 2002: Da ermutigte ihn der mit ihm befreundete Regisseur Nick Cassavetes, sich an
seinem Thrillerdrama »John Q« (John Q – Verzweifelte Wut) mit Denzel Washington zu versuchen. Zigman schrieb eine extravagante, sechsminütige Eröffnungsmontage, nahm sie mit einem 55-köpfigen Orchester auf und reichte sie als Demo ein. Der Regisseur und das Studio waren beeindruckt, Zigman erhielt den Auftrag, den Film zu untermalen. Kurz darauf arbeiteten beide erneut zusammen an dem Liebesdrama »The Notebook« (Wie ein einziger Tag) mit Gena Rowlands und James Garner nach dem Bestseller von Nicholas Sparks. Auch zu Nick Cassavetes’ »Alpha Dog« (Alpha Dog – Tödliche Freundschaft) und dessen kommendem Drama »My Sister’s Keeper« komponierte Zigman den Score. Weitere Filmkompositionen folgen. Besondere Beachtung fanden die zeitgemäßen Scores der beiden Tanzfilme »Step Up« und dessen Fortsetzung »Step Up 2: The Streets« (Step Up to the Streets).
Wie die HOME BOX OFFICE (HBO)-Serie wartet der Kinofilm »Sex And The City« auf mit den eigenwilligsten Textil- und Schuhprodukten der erfolgreichsten internationalen Labels – einschließlich der filmeigenen Kostüm-Designerin Patricia Field –, die den inneren Globus der Frauen schon seit Adam und Eva mehr berühren, als das wohl je ein Mann kann – und will?
Wer genau hinschaut, sieht, dass selbst die in der Serie noch verzweifelt gesucht und gefundenen Partner der vier weiblichen Hauptrollen »Carrie Bradshaw«, »Miranda Hobbes«, »Charlotte York« und »Samantha Jones« im Labelschaum geboren werden.
Exgalleristin und Vollblut-Ehefrau Charlotte (gespielt von Kristin Davis) sucht den passenden Mann für den Stil »Landhaus«. Kinderlieb und -freudig muss er sein für das Pralinen-Puppenstuben-Heim. Denn wie verblüht wirkt der florative Stil ohne ein lachendes Kindergesicht dazwischen? Sie findet den Mann mit Harry Goldblatt (gespielt von Evan Handler), ihrem Scheidungsanwalt. Auch wenn er ihren kulturellen Höhenflügen nicht folgen kann, erreicht er sie mit Herz und Treue. Als es mit der eigenen Biomasse im Doppel noch nicht klappt, adoptiert er mit Charlotte zusammen die entzückende Lily aus China. Charlotte hat die religiösen Fronten für ihn gewechselt und ist Jüdin geworden. Er lässt sich sämtliche Körperhaare entfernen. Tauschhandel für ein glückliches Familienleben in der Upper East Side.
Die toughe rothaarige Miranda (gespielt von Cynthia Nixon), mit Krawatte, gestärktem Hemdkragen und dem notorischen (but very stylish) Starbucks-Cup in der Hand auf dem Weg zum hochkarätig bezahlten Anwaltsjob, die – zwar stets genervt, aber dennoch – Job und rothaariges Kind unter einen Hut kriegt, greift sich bei der Partnerwahl den Mann von der Stange. Steve (gespielt von David Eigenberg) steckt nicht nur im Outfit eines Loosers – dass er ein erfolgreicher New Yorker Barbesitzer sein soll, glaubt ihm niemand –, sondern hat noch dazu nur einen Hoden. Was ist das Motiv hinter beider Style? Erfolgreiche Kesser-Vater-Heterosexuelle braucht den identitätsstiftenden Anti-Part: anhängliches weiches Collegejungen-Männergesicht mit Stupsnase und Nickelbrille. Steve ist die kontrastierende Schwäche an Mirandas Powerwoman-Seite. Bringt das Girl damit zu Leuchten. Miranda hat in dieser schon äußerlich so asymmetrischen Beziehung immer das Sagen. Sie ist eindeutig der, wenn auch lachhaft sarkastische, Machtmensch der vierköpfigen »Familie der Freundinnen«.
Samantha (gespielt von Kim Cattral), Besitzerin einer PR-Agentur, ist die Einzige der vier, deren Style weniger zählt als ihr eigener Körper – einer Endvierzigern, und damit nach US-Maßstäben, Scheintoten. Durch Pilates, Yoga und mehr Sex als Mahlzeiten auf Linie gebracht, trifft dieser Körper auf das Kleid, das aller Welt zeigt, dass seine Besitzerin die totale Kontrolle über das unter ihm hat. Für ihr eigenes Body-Label »Samantha« braucht sie den perfekten Mann. Wer anderes kann das sein als die personifizierte trainierte Jugendlichkeit in Gestalt des um viele Jahre jüngeren Models »Smith Jerrod« (gespielt von Jason Lewis)?.
Eine fehlt: der Star der vier. Carry Bradshaw (gespielt von Sarah Jessica Parker). Erfolgreiche Buchautorin, Vogue-Model und Ex-Sexkolumnistin mit den mädchenhaft verspielt kombinierten Kleidern, den wildesten Haaren und den teuersten Schuhwinzigkeiten an den 34er-Füßen. Obwohl jede der drei an Einfallsreichtum brilliert und sein Leben führt, als ob sie die Welt alleine mit dem Handy in der einen, dem Pappbecher in der anderen und der Kreditkarte unter dem Kinn – vergiss das Lächeln nicht, Baby! Wir sind in Manhattan! – regieren könne, ist sie das Mastermind unter den Mädels.
Wie in der TV- Serie regt sie die Diskussionen und Themen im Kinofilm an: Vergebung ist der einzige Weg der Liebe nach dem Seitensprung. Die glückliche Ehe heißt tägliches Glück. Liebe ist niemals logisch. Und weil Carrie perfekt bunt ist – im Kopf, im Kleid, am Fuß –, trifft sie, kann sie nur »Mr. Big« (Mega-Big!) – gespielt von Chris Noth – für die nächsten 100 Jahre an ihrer Modemeilen-Seite erwählen. Ohne wie Steve lächerlich zu wirken und seinen letzten Hoden zu riskieren, setzt Big auf kontrastierende Stärke. Wir sehen ihn an Carries Seite in Schwarz, in Schwarz mit Grau, in Schwarz und Weiß – that's it! Er lässt sich in einer schwarzen Limousine zu den Immobilien Manhattans kutschieren, die er unsichtbarerweise im Handumdrehen in sein eigenes milliardenschweres Schatzkästlein verwandelt, und kauft sich damit Riesenwohnungen mit Ballsaal-großen begehbaren Schränken. Eben Big-stylish. Auch hier macht das Label den Mann an der Seite der Frau. Zitat Carrie: »Jahr für Jahr strömen Frauen um die 20 nach New York, um die beiden Ls zu suchen: Label und Liebe. Vor 20 Jahren war ich eine von ihnen. Für Label hatte ich schnell ein Händchen … deshalb konzentrierte ich mich auf Liebe.«
»Sex And The City« startet am 29. Mai 2008 in den deutschen Kinos
Daten zum Film:
Drehbuch: Michael Patrick King, Regie: Michael Patrick King, Musik:
Aaron Zigman, Kamera: John Thomas, Länge: 145 min.