Zum 60. Jahrestag der Verkündung des Staates Israel präsentieren das Zentrum für zeitgenössische israelische Kunst und der Kulturverein Pro Arte e.V. München in den Räumen der Galerie Drissien die Ausstellung "Movement" – Arbeiten auf Papier von Zila Friedman...
Von Anna Zanco-Prestel
In ihrer ausdruckstarken Symbolik sprechen Zila Friedmans Zeichnungen auf Papier, Pauspier oder transparenter Filmfolie von einer bedrohten, verletzten Körperlichkeit, von einem Leben, das parallel zu dem Leben in seinen üblichen Bahnen verläuft. Dunkle Balken, geheimnisvolle, in sich gewundene Figürchen, abgeschnittene Fäden, die sich hier und da mit anderen wieder verknüpfen, deuten auf Brüche, die aber auch Momenten der Reflexion und der Besinnung gleichen.
In den meist dezentrierten Kompositionen sind zwei Ebenen, eine nahe und eine ferne - rechts und links, oben und unten - zu erkennen. Dominierend in den Zeichnungen das Schwarze und Graue des Graphits oder der Reißkohle, wobei die Farbe nur sporadisch Einzug hält, z.B. als Ölfleck oder als der dezente Schimmer eines Glitzersprays.
Geboren in Israel im selben Jahr der Unabhängigkeitserklärung, lebt und arbeitet Zila Friedman in Bnei Brak, einem orthodoxem Vorort von Tel Aviv. Sie gehört zur zweiten Generation nach der Shoah und verkörpert mit ihrer Kunst sowohl das Gedächtnis ihres Volkes als den Neuanfang im jüdischen Staat.
In ihrem Werk ist der Schmerz, der Weltschmerz immanent und wegweisend zugleich. In einem Wirbel von Zeichen – es können Regentropfen so spitz wie Geschosse sein -, in Rastern aus geraden bzw. diagonalen, mal sich mechanisch wiederholenden , mal frei herum schwingenden Linien (Ada Naamani) , hinter denen sich implosionsartig Emotionen verbergen, zeigt Zila Friedman mutig und souverän ihre Wunde.
Egal ob es um eine in den Burka gehüllte, als Zaungast reduzierte Weiblichkeit geht, oder einen Stamm, hinter dem die Umrisse einer zu Boden sinkenden Gestalt erkennt - ein Bild, das sich leicht mit der Ermordung Isaaks Rabins als Zäsur im israelischen Friedensprozess in Verbindung bringen lässt. Oder auch um Schuhe, die auf eine eingeschränkte Bewegungsfreiheit hindeuten: Alles wird in Friedmans sehr ausgereifter, unter die Haut gehender Kunst zum universellen Topos für Leid oder Unrecht an einer geschlagenen Menschheit, die sich auf der unstillbaren Suche nach Erlösung befindet. Und alles wird zum Sinnbild, welches zwei oder mehrere Interpretationen zulässt: Wie der Schlüssel oder die Schrift, die für Zugang zum Wissen stellvertretend sein können, aber auch für Sperre und Dogmatismus, nicht zuletzt auch für Abgrenzung.
Ein Dualismus prägt ihr Experimentieren. Zum Vorschein kommt er insbesondere in jenem Wechselspiel zwischen "Bewegung und Bewegungslosigkeit" (Ilan Vizgan), dem die Künstlerin die Form mal eines Vogels, mal eines Fahrrads oder eines Pendels verleiht. Elemente diese, die für Option, Metamorphose oder geistigen Austausch stehen.
In ihrer edlen, feinfühligen Ästhetik sind Friedmans Arbeiten eine Herausforderung für den Intellekt. Darin wird Kunst zum Befreiungsakt aus allen gesellschaftlichen Schranken und Konventionen, aus allen Vorurteilen und Hindernissen. Mit ihnen und in Ihnen beginnt ein Höhenflug, der alles Menschlich-Allzumenschliche überwindet und wieder frei atmen lässt.
Galerie Drissien – Römerstr. 9 – 80891 München
Öffnungszeiten; Mo 14- 19 Uhr: Di-Fr 11-14 – 15-19; Sa: 11-14 Uhr
Telefon: 089-28673993
www.drissien-galerie.com
Mehr von Zila Friedman