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Chaoswochen bei sächsischer Polizei und Justiz

Knapp vier Wochen nach der Aufsehen erregenden Bekanntgabe eines Neonazi-Überfalls auf eine 17-Jährige in Mittweida (Sachsen) haben Polizei und Staatsanwaltschaft Chemnitz heute den Rückwärtsgang eingelegt. Bisher war von vier Tätern die Rede gewesen, die der jungen Frau ein Hakenkreuz in die Hüfte geritzt haben sollen. Nun wird sogar gegen die junge Frau wegen Vortäuschens einer Straftat ermittelt...

Von Albrecht Kolthoff / Olaf Meyer, redok v. 18.12.2007

Der Vorfall war am 23. November von Polizei und Staatsanwaltschaft als sichere Tatsache vermeldet worden. Insbesondere zwei Angaben der Behörden ließen kaum Zweifel an den mitgeteilten Vorgängen: Ein sechsjähriges Kind, das von den Neonazis bedrängt worden sei, habe den Hergang bestätigt, darüber hinaus hätten Rechtsmediziner ausgeschlossen, dass sich die junge Frau die Verletzung selbst zufügte.

Offenbar stimmte jedoch gerade an diesen beiden Angaben nicht viel. Heute gab die Chemnitzer Staatsanwaltschaft der Geschichte eine Kehrtwendung: Demnach hat die Mutter des sechsjährigen Kindes später nach der ersten behördlichen Bekanntmachung erklärt, ihr Kind könne gar nichts bestätigen, weil es zum Zeitpunkt des angeblichen Vorfalls gar nicht in Mittweida gewesen sei. Ob die 17-Jährige vielleicht einem anderen Kind zu Hilfe gekommen war, bleibt offen: Jedenfalls haben die Ermittler kein Kind finden können, das tatsächlich die Angaben bestätigen könnte.

Eine weitere Umkehrung der bisherigen Aussagen präsentierte die Staatsanwaltschaft mit zwei rechtsmedizinischen Gutachten, die inzwischen vorlägen. Hatte es anfangs noch geheißen, eine Selbstverletzung der jungen Frau könne rechtsmedizinisch ausgeschlossen werden, so wird sie jetzt "zumindest nicht ausgeschlossen".

"Übermittlungsfehler" und "Suggestivfragen"

Wie es zu den Falschmeldungen kam, versuchte heute Oberstaatsanwalt Bernd Vogel gegenüber Spiegel online zu erklären. Am 23. November habe schließlich keines der rechtsmedizinischen Gutachten vorgelegen, und die Mitteilung von einem "Rechtsmediziner", der eine Selbstverletzung ausgeschlossen habe, sei "offensichtlich ein Übermittlungsfehler" gewesen. Die als sichere Bestätigung bekannt gegebene Aussage des sechsjährigen Kindes sei möglicherweise auf "Suggestivfragen" zurückzuführen, auf die das Kind "entsprechend geantwortet" habe, obwohl bei der Befragung eine Psychologin anwesend war.

Um das verwirrende Hin und Her vollends ausgewogen zu gestalten, erklärte Oberstaatsanwalt Vogel, dass trotz der neuen Erkenntnisse auch weiterhin ein Neonazi-Überfall denkbar sei. Und so ermittelt die Staatsanwaltschaft ab jetzt in zwei Richtungen: Einerseits wird gegen die 17-Jährige wegen des Verdachts des Vortäuschens einer Straftat ermittelt, andererseits laufen auch die Ermittlungen gegen die vermeintlichen Täter weiter.

Ermittlung wegen schlechten Bildes der "Bevölkerung"?

Gegen die 17-Jährige wird nach Angaben der Staatsanwaltschaft auch deshalb ermittelt, weil der wohl falsche Eindruck entstanden sei, dass Teile der Mittweidaer Bevölkerung nicht über genügend Zivilcourage verfügten. Die Strafverfolger sprachen in dem Zusammenhang von einem "Gebot der Fairness". Trotz der Auslobung einer Belohnung von 5.000 Euro hatten sich keine Zeugen gemeldet, die den Vorfall bestätigen hätten können; das Ausbleiben solcher Aussagen war vielfach als "mangelnde Zivilcourage" angeprangert worden.

"In Misskredit" sei die Stadt Mittweida durch den Fall geraten, sorgte sich heute der neue Beauftragte des Bürgermeisters für Extremismusbekämpfung, Udo Göckeritz. Bürgermeister Matthias Damm (CDU), der mehr als 100 Briefe an Anwohner mit der Bitte um Aussagen verschickt hatte, zeigte sich heute einerseits erleichtert: "Wir sind aber - wie oft dargestellt - keine Nazi-Stadt", blieb aber dabei, dass die Stadt "ein Rechtsextremismus-Problem" habe.

Tatsächlich hatten in der Region um Mittweida seit 2006 rechtsextreme Übergriffe massiv zugenommen, vor allem durch die Aktivitäten der Neonazi-Kameradschaft Sturm 34. Die Truppe wurde zwar vom sächsischen Innenminister im April dieses Jahres verboten, doch auch nach dem Verbot kam es weiter zu einschlägigen Auftritten und Gewalttaten aus dem Dunstkreis der verbotenen Gruppe.

Justiz: Bilanzen und Pleiten

Doch die Justiz tut sich bislang schwer mit der Bearbeitung des Sturm 34. Ende November hatte das sächsische Justizministerium noch eine positiv gestimmte Zwischenbilanz veröffentlicht, doch diese konnte die Serie der Pleiten und Pannen bei der praktischen Rechtsprechung nicht verdecken. Erst gestern musste ein leitender Staatsschutz-Polizist in einer Gerichtsverhandlung in Chemnitz einräumen, dass ein Tatverdächtiger eineinhalb Jahre lang nicht als Beschuldigter, sondern lediglich als Zeuge geführt worden war.

Dazu kam noch ein peinliches Hin- und Hergeschiebe von drei Anklagepunkten im Prozess gegen Tom Woost, der als Anführer des Sturm 34 gilt. Das Amtsgericht Chemnitz hatte diese Anklagepunkte, bei denen es um Überfälle auf einen Studenten aus Kamerun und das Café Courage in Döbeln geht, vom laufenden Prozess abgetrennt und - zuständigkeitshalber - an die Staatsschutzkammer des Landgerichts Dresden verwiesen. Doch dort sah man sich ebenfalls nicht zuständig und schickte die Anklagen zurück. Das Oberlandesgericht Dresden musste heute über den Verbleib der Strafsachen entscheiden: Nun ist wieder das Amtsgericht Chemnitz am Zuge. Dort wird nun also über Strafen für den mutmaßlichen Sturm 34-Anführer entschieden - und vielleicht auch über eine 17-Jährige, die der Stadt zu zweifelhafter Bekanntheit verholfen hat, indem sie möglicherweise einen Vorfall erfunden hat, dessen Hintergründe jedoch alles andere als fantasiert sind.

© redok

Category: General
Posted 12/19/07 by: admin

Comments

wrote:
Ach so. Es hat zwar keinen Überfall gegeben, aber latent vorhandene Neonazis in Mittweida sind grundsätzlich schuld daran, daß ein armes Mädchen solche Fantasien entwickeln konnte. So bieg ich mir die Wahrheiten zurecht. Herr Gerd Schulz, übernehmen Sie.....
12/19/07 12:32:13

GerdEric wrote:
Ich frage mich nur, was für Stümper in Sachsen in der Polizei sitzen, sind das noch die drittklassigfen aus dem Westen, oder V-Leute, die aus der Ver-fassung ge-schutzt sind...
Als Beamter kann man jedes Problem entweder lösen - oder zur Farce machen.
12/21/07 07:56:30

wrote:
Schuld an der Sache so wie sie sich darstellt, hat nicht Polizei und Staatsanwaltschaft, sondern ein politisch korrekter Zeitgeist der Zweifel an vermeintlich rechtsradikalen Vorfällen nicht zuläßt.
Jeder rechtsextreme Vorfall - so er denn auch stattgefunden hat - ist zu verurteilen. Aber die vorveruteilende Verdammung einer ganzen Stadt und ihrer Bewohner als Nazi-Kaff ist eben auch ein Unding.
Man gucke sich mal das Gästebuch von Mittweida an, was sich dort stellenweise für mutige Helden eingetragen haben. Hut ab !
12/21/07 08:35:27

wrote:
Hakenkreuz-Fall: Anwalt von angeblichem Opfer kritisiert Ermittler
http://www.lvz-online.de/ak...
01/11/08 10:23:58

wrote:
15.01.2008

Gebremste Ermittlungen
Mittweida: Zeugenbefragungen nach Neonazi-Überfall lückenhaft. Anwalt kritisiert Polizei und Staatsanwaltschaft
Von Frank Brunner

(...)
(...)

Diese Befürchtungen scheinen sich nun zu bestätigen. So habe die Polizei auf eine angemessene Zeugenbefragung verzichtet, bemängelte Anwalt Schweppe. »Nur 20 bis 30 Prozent der Mieter des Wohnblocks sind überhaupt angetroffen worden, einen zweiten Versuch hat es nicht gegeben«, monierte er. Auch die Behauptung, das kleine Mädchen habe den Hergang nur aufgrund beeinflussender Fragen bestätigt, bezweifelt Schweppe. »Das Kind hat bei beiden Anhörungen erzählt, daß sie von vier glatzköpfigen Männern bedrängt wurde. Die zweite Vernehmung fand zudem in Gegenwart einer eigens beim Landeskriminalamt angeforderten Kinderpsychologin statt«, so Schweppe zu jW. Fragwürdig ist auch die Behauptung der Kindesmutter, ihre Tochter sei zur Tatzeit nicht in Mittweida gewesen. »Weder wurde die Mutter als Zeugin befragt und damit über ihre Rechte und Pflichten aufgeklärt, noch sei der Wahrheitsgehalt ihrer Aussage ausreichend überprüft worden, kritisierte der Jurist. Es sei offenbar erwünscht, so der Anwalt, der Bevölkerung zu suggerieren, Mittweida sei doch kein Schwerpunkt rechtsgerichteter Kriminalität. »Dies auf dem Rücken einer 17jährigen Jugendlichen auszutragen, die die so oft geforderte Zivilcourage bewiesen hat, ist vollständig inakzeptabel«, sagte Schweppe. Er habe daher die Staatsanwaltschaft aufgefordert, weitere Ermittlungen durchzuführen. »Ob dies nach so langer Zeit noch zu Ergebnissen führt, ist allerdings ungewiß«, so Schweppe. Bei der Chemnitzer Staatsanwaltschaft war für eine Stellungnahme niemand zu erreichen.

http://www.jungewelt.de/200...
01/15/08 04:47:41

wrote:
Um auch Gutes über Mittweida zur Sprache zu bringen:

Dienstag, 15. Januar 2008 11:57

CFC unterstützt Aktion gegen Rechts
http://www.kanal8.de/defaul...
01/15/08 15:37:52

wrote:
Mittweida - Offizielles Stadtinformationssystem

http://www.mittweida.de/

('Aktuelles' auf der Startseite)
01/17/08 10:15:32

wrote:
Donnerstag, 31. Januar 2008 13:56

Polizei in Chemnitz erhält Preis für schlechte Pressearbeit
Die Staatsanwaltschaft Chemnitz und die Polizeidirektion Chemnitz-Erzgebirge haben von der Landespressekonferenz Sachsen (LPK) den Preis «Tonstörung 2007» für Ihre schlechte Pressearbeit im sogeanannten "Hakenkreuzfall" In Mittweida bekommen.

(...)
Erste einem Monat später informierte die Polizei über die dürftige Beweißlage und dementierte ihre erste Mitteilung in entscheidenden Teilen. Mit dieser fahrlässigen Kommunikation sie die Öffentlichkeit in die Irre geführt worden. Außerdem seine die Medien, als Überbringer der Nachricht durch diese Handlungsweise ins Zwielicht gerückt worden.

(...)
http://www.mittelsachsen-tv...
02/01/08 01:16:52

wrote:
Chemnitzer Morgenpost
Samstag, 2. Februar 2008

Mittweida: Preis für Courage - Mädchen kämpfte mit Tränen
Nur Bürgermeister Damm klatschte nicht

http://www.sz-online.de/nac...

MITTWEIDA. Die 18-jährige Rebecca war die heimliche Heldin des Abends: Das Bündnis für Demokratie und Toleranz aus Berlin verlieh dem als Hakenkreuz-Opfer von Mittweida bekannt gewordenen Mädchen den Ehrenpreis für Zivilcourage.

Rebecca musste gegen die Tränen kämpfen, als sie sich am Rednerpult im Mittweidaer Ratssaal für die Auszeichnung bedankte: „Ich danke allen, die trotz dem, was der Staatsanwalt gesagt hat, die ganze Zeit zu mir halten. Vor allem meinen Eltern - wir haben viel zusammen durchgemacht.“

Nachdem das schüchterne Mädchen die Skalpell-Attacke von vier Neonazis vergangenen November angezeigt hatte, machte die Polizei allerdings keinerlei Zeugen der Tat ausfindig. Seitdem ermittelt die Staatsanwaltschaft Chemnitz auch gegen Rebecca - wegen „des Verdachts des Vortäuschens einer Straftat.“ Von dem Erlebten durfte sie deshalb den Medien gegenüber keine Auskunft geben - ihr Rechtsanwalt Axel Schweppe verwies auf das noch nicht abgeschlossene Ermittlungsverfahren.

(...)
(...)
02/02/08 10:55:50

wrote:
Die heutige Neuigkeit ist, dass es - lt. Google News - keine Neuigkeiten in diesem Fall gibt (zu geben scheint).
02/12/08 13:01:36

wrote:
@uve

... dann uebernehmen eben Sie wieder.
02/12/08 13:02:47

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