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Denkzeichen für Rosa-Luxemburg

Ein letzter Gruß an die Basis - Das Berliner "Denkzeichen für Rosa-Luxemburg" als geschichtspolitisches Projekt...


Von Christian Saehrendt

Nach dem Fall der Mauer wurden in ganz Osteuropa kommunistische Denkmäler geschleift. In Berlin fielen die große Leninstatue des Bildhauers Nikolai Tomski und einige andere Monumente des SED-Regimes, wie das Betriebskampfgruppendenkmal im Prenzlauer Berg oder die kleineren Grenztruppendenkmäler in Mitte.

Mit dem Eintritt der SED-Nachfolgepartei PDS in die Berliner Landesregierung vor fünf Jahren setzte wieder eine vorsichtige Verehrung kommunistischer Helden in der deutschen Hauptstadt ein. Zum einen wurde der Bestand an erhaltenen DDR-Denkmälern gefestigt - die Abriß-Diskussion um die Monumentalbüste des KPD-Führers Ernst Thälmann im Prenzlauer Berg beruhigte sich rasch. Zum anderen wurden neue Denkmäler errichtet: Für Karl Liebknecht am Potsdamer Platz und für Rosa Luxemburg auf dem gleichnamigen Platz vor der Volksbühne. Mit Unterstützung des Koalitionspartners SPD gelang dem Kultursenator Thomas Flierl (PDS/Linkspartei) das Kunststück, einerseits Zeichen im Stadtraum zu setzen, mit denen sich seine Partei identifizieren kann, die aber andererseits nicht als klassische, ehrfurchtgebietende Denkmäler daherkommen. Liebknecht und Luxemburg wurden nicht in DDR-Manier als autoritäre Vorbilder gefeiert, sie wurden als widersprüchliche und suchende, als letztlich tragisch gescheiterte Persönlichkeiten dargestellt.

Das im November 2003 an der Stresemannstraße eingeweihte Karl-Liebknecht-Denkmal besteht nur aus einem leeren Sandsteinsockel. An diesem Ort hatte Liebknecht am Ersten Mai 1916 eine Antikriegsrede gehalten. Der Sockel war von den DDR-Behörden bereits 1951 für eine Liebknecht-Statue dort placiert worden, geriet aber infolge der Teilung der Stadt ins verödete Niemandsland am Potsdamer Platz. Fünfzig Jahre lang blieb er vakant, im Zuge der Neubebauung wurde er sorgsam magaziniert, gesäubert und nun wieder aufgestellt, erläutert durch eine kleine Plakette. Jeder dürfe nun den Sockel besteigen, sofern er etwas zu sagen habe, hieß es – eine Art speaker’s corner für Berlin. Mit der "Vollendung" dieses unvollendeten Denkmals griffen Flierl und die PDS zu einem Trick, der sie in Sachen Heldenverehrung und Traditionspflege unangreifbar macht.

Während mit dem Liebknechtdenkmal ein altes DDR-Projekt abgeschlossen wurde, war der "Wettbewerb für ein Denkzeichen Rosa Luxemburg" Teil der Koalitionsvereinbarungen von PDS und SPD gewesen, die 2001 die Berliner Landtagswahlen gewonnen hatten. Berlin verfügte zwar schon über eine Reihe kleinerer, im Stadtraum verstreuter Rosa-Luxemburg-Denkmäler. Grüne, PDS und Sozialdemokraten hatten sich jedoch schon seit Jahren auf Bezirksebene für ein zentrales Denkmal in der Stadtmitte engagiert. Nach einem beschränkten, zweistufigen Wettbewerb entschied sich das Preisgericht im Frühjahr 2005 für Hans Haackes Entwurf. Der Künstler gilt als Spezialist für ideologie kritische "Gegendenkmäler". Er hatte sich mit seinen historisch-kritischen Installationen auf der Biennale von Venedig oder im Reichstagsgebäude schon einen Namen gemacht – über seine umstrittene bepflanzbare Installation "Der Bevölkerung" war sogar im Parlament abgestimmt worden. Bis zum Herbst 2006, noch vor den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus, sollte sein Entwurf im Kostenrahmen von 260.000 € verwirklicht werden. Am 14. September 2006, drei Tage vor der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus, die für die Linkspartei verheerende Ergebnisse bringen sollte, weihte Kultursenator Flierl das Denkmal ein – die letzte, effektvoll inszenierte geschichtspolitische Großtat seiner Amtszeit und eine Referenz an die linke Parteibasis, die von der Realpolitik der Regierungspartei enttäuscht war. Der Appell an die linke Parteibasis verhallte offenbar – die linken PDS-Wähler gingen in Massen von der Fahne.

Zahlreiche Zitate Luxemburgs aus Schriften, Zeitungen und privaten Briefen werden von Metallbuchstaben nachgebildet, die in Betonschienen verankert sind. Wie Mikadostäbe willkürlich auf dem Boden des Rosa-Luxemburg-Platzes verstreut, laufen diese Satz-Bänder quer über Straßen, Bürgersteige und den Vorplatz der Volksbühne. Damit sei es gelungen, so der Kunsthistoriker Hans-Ernst Mittig, der wie Volksbühnenintendant Frank Castorf Mitglied der zehnköpfigen Jury war, statt eines aufragenden, affirmativen Denkmals ein „Denkzeichen“ zu setzen, das die historische Figur Luxemburgs entpathetisiere. Die Entscheidung für Haacke war knapp gewesen, fast wären Miguel Rothschild und Maria Barbetta mit ihrer Idee zum Zuge gekommen, Rosa-Luxemburg als Mode-Label "Rosa de Luxe" zu aktualisieren: Ihr Konterfei sollte T-Shirts und Handtaschen schmücken. Anknüpfend an den Ruf der jungen Modemetropole Berlin, sollte mit dem Preisgeld eine Näherei gegründet werden, flankiert von professionellen Marketingberatern, die für Luxemburg-Artikel ein wahres "Merchandising-Fieber" auszulösen im Stande wären. "Rosa de Luxe" werde wie eine "Bombe auf dem Berliner Modemarkt einschlagen", versprach das geschäftstüchtigen Künstlerduo, das immerhin bereit gewesen wäre, zehn Prozent der Einnahmen sozialen Projekten zu spenden, neunzig Prozent sollten für den weiteren Ausbau des Geschäfts und des Marketings verwendet werden. Vor der Alternative dieser banalen Markt- und Zeitgeisthuldigung ist die Entscheidung für Haackes unspektakuläre Arbeit sicher die bessere Lösung. Mit dem in den Boden versenkten Denkmal hält man sich bedeckt, und provoziert nicht zu sehr diejenigen, die angesichts der Haushaltslage fragen, ob Berlin wirklich ein fünftes Rosa-Luxemburg-Denkmal brauchte. Die vorsichtige, fast beliebige Interpretation Luxemburgs kommt auch in der heterogenen Textsammlung des Denkmals zum Ausdruck. In dieser offenen Konzeption gleicht es dem Liebknecht-Monument am Potsdamer Platz.

Wie keine andere kommunistische Politikerin avancierte Rosa Luxemburg zu einer Ikone der Individualität in einer kollektivistischen Bewegung. Respekt gilt ihr als Frau, Jüdin, Körperbehinderte und Opfer des Rechtsextremismus. Durch ihren frühen Tod blieb ihr erspart, in Zeiten des Stalinismus oder Realsozialismus Funktionärsverantwortung zu tragen: Sie hat niemanden verraten, keine Verbannungs- oder Erschießungsbefehle unterzeichnen müssen. Diese Unschuld macht sie zu einer zeitgemäßen Identifikationsfigur – wenngleich es schwer fällt, in ihrem widersprüchlichen politischen Denken ein Vermächtnis zu erblicken.

Für die PDS/Linkspartei war das Projekt ein wichtiger Baustein im Imagewandel hin zu einer Partei des "freiheitlichen Sozialismus". Sie ist die einzige relevante bundesrepublikanische Partei, die sich auf die KPD der 1920er und 1930er bezieht. Im Sinne eines linken Pluralismus strebt sie eine kritische Auseinandersetzung mit dem geschichtlichen Erbe an. 1990 wurde die alte KPD-Zentrale am Bülowplatz – heute: Rosa-Luxemburg-Platz - zum Sitz der neu formierten Partei gewählt. Das Geschäftshaus hatte sich seit 1926 im Besitz einer KPD-nahen Firma befunden und war der SED-Nachfolgerin 1995 endgültig als rechtmäßig erworben zugesprochen worden. Mit dem Rosa-Luxemburg-Denkmal vor der Tür wird die Parteizentrale ästhetisch aufgewertet.

Ein weiterer wichtiger Anlieger ist die Volksbühne, seit einiger Zeit Berlins Tumult-Theater No. 1. Intendant Frank Castorf, der bei der Entscheidung überstimmt wurde, zeigte sich enttäuscht: "Ich brauche keinen Sprüchebeutel, keine einbetonierten Weisheiten" grantelte er bei der öffentlichen Präsentation des Siegerentwurfs. Das Denkmal sei in seiner Ausgewogenheit viel zu langweilig. Er frage sich, ob es gegenüber der raumgreifenden Ausstrahlung der Volksbühne mit ihren Spruchbändern und Außenaktivitäten bestehen könne. Hier spricht der Platzhirsch, der sich in seinem Revier gestört fühlt und der gleichzeitig verkündet, ihm sei es ja egal, da er sein Theater ohnehin nur durch die Hintertür betrete. Doch ganz unrecht hat er nicht: Ein bißchen bieder ist das „Denkzeichen für Rosa-Luxemburg“ schon geraten.

Category: Allgemein
Posted 11/15/06 by: admin

Comments

wrote:
Da kann abe die Frau Luxemburg froh sein dass sie rechtzeitig vor dem Beginn der SED-Diktatur ERMORDET worden ist.
Ich hoffe das die werten Leser den Hintersinn meines Satzes begreifen.

P.S. für die die in Geschichte geschlafen haben:
1919
Bei den Januarunruhen muß sie wegen Verhaftungsgefahr ständig ihre Wohnung wechseln, weigert sich aber, Berlin zu verlassen.
15. Januar: Gemeinsam mit Karl Liebknecht wird sie von Soldaten der Garde-Kavallerie-Schützendivision verschleppt. Sie werden im Eden-Hotel verhört und mißhandelt. Wahrscheinlich beim Abtransport wird Rosa Luxemburg ermordet. Ihre Leiche wird in den Landwehrkanal geworfen.
31. Mai: Im Landwehrkanal wird ihr Leichnam gefunden
11/16/06 21:50:53

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