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Die israelische "musica misrachit"
Israelische "musica misrachit" wurde ohne Zweifel das landestypische Geträller, auf das meine Ohren am nervösesten reagierten. Und wenn sich der Name allein schon wie eine Halsentzündung anhörte, klangen mir die ausführlichen Beispiele wie besonders heimtückische Infektionskrankheiten...
Musica misrachit war eine Mischung aus allen möglichen Musikstilen, vorzugsweise der Mittelmeerländer, versehen mit ein bißchen Pop und jeder Menge Schlager. Begleitet wurde das instrumentale Kunterbunt von meist nasalen Stimmen, die mal juchzten, mal jauchzten, mal hysterisch die Tonleiter hinaufkeuchten und bei anderer Gelegenheit begeistert in gefährlich tiefen Melancholien versackten.
Ich konnte diese Musikrichtung von Anfang an nicht ausstehen. Das mag daran liegen, dass ich als ehemaliger Ostbürger sowieso nicht viel mit nationaler Musik anfangen konnte und Heimatklänge aufgrund ihrer eher internationalen Untauglichkeit verabscheute. Außerdem hatte ich mich immer so kompromittiert gefühlt, wenn ich die Musikanten restlos verstand und mir manches Mal gewünscht, mein Ohr würde statt verständlichem Unsinn nur fremdwörterige Unverständlichkeiten wahrnehmen.
Dieser fromme Wunsch ging in Israel zwar anfangs in Erfüllung, doch mit fortschreitendem Sprachkurs hatte ich nicht nur gelernt, das verbale Wirrwarr des Busfahrer richtig zu deuten, sondern auch möglichen und unmöglichen Liedtexten ihren Sinn abzulauschen.
Und was ich da hörte, brachte mir diese Musik nicht näher. Hatte ich mir vorher schon denken können, worum es ging, wenn die Balalaika seufzte und die Geige schluchzte, wurden meine Befürchtungen nach und nach zur völligen Gewissheit.
Wenn man in Deutschland besonders cool und abwechslungsreich in Deutsch singen musste, um die Jugend nicht zu verschrecken, war hier die bekennende Gefühligkeit angesagt. Je tiefer der Herzschmerz und je lauter die Klagen darüber, um so hingebungsvoller lauschten Jung und Alt.
Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Da beschluchzte einer die wiederspenstige Liebste und das halbe Land schluchzte mit und genauso aufrichtig freute man sich, wenn es sich die Liebste endlich anders überlegte.
Posted 05/17/07 by:
admin
Comments
Kennst du Sarit Hadad nicht? Oder Teapacks? Da ist auch Mizrachi, aber nicht unbedingt so, wie du beschreibst. naja, was solls geschmácker sind halt verschieden.
Aber mir wir irgendwie nicht klar, warum du überhaupt nach Israel bist, wenn dir da so gar nichts gefallen mag.
Wenn Du schon mit der Musik in Israel Probleme hast, na dann: Layla tov, Lisa!
Shalom Lisa!
dein artikel ist voller witz und stil. trotz alledem muss ich sagen, die musica misrachit ist mit abstand das beste, was meine ohren in den letzten jahren beruehrte. Deine botschaft klingt etwa so: ausser Bach gibt es nichts. ta'aminli, die namen von Argov, Shabat, Golan, Ofra Haza, Sarit Hadad und anderen, die ich hier vergessen habe zu nennen, bleiben fuer immer. schade, mit Deinen ansichten kann man wohl auch der musica sephardit, einem tango und flamenco auch nichts abgewinnen. zwar heisst es: de gustibus non est disputandum, aber ich schaetze, Du hast noch viele jahre vor Dir, es kann noch alles passieren. ich bin 47, und diese musik bring meinen puls auf das richtige level. sie braucht sich vor nichts zu verstecken, ist keine randgruppen-musik mehr.
a propos, ich komme auch aus dem osten, vielleicht ein bisschen weiter, aber unser blut kommt bei solchen klaengen richtig in wallung. das wuensche ich Dir auch.
Shalom Ashkenazim!
Bach fungierte nur als beispiel (siehe oben). tipex ist gut, als typisch fuer misrachit wuerde ich die nicht bezeichnen, trotzdem schade, dass sie beim festival nicht mitmachen. vielleicht hatte Europa ein problem mit den texten (Push the button zB), was nicht neu waere...
Hallo, Lisa
Du scheinst dich nur sehr oberflaechlich mit einer Musikrichtung beschaeftigt zu haben, die viel mehr als "die mal juchzten, mal jauchzten, mal hysterisch die Tonleiter hinaufkeuchten" (deine Worte) Vielmehr war und ist sie der Stolz einer seit Jahrzehnten unterdrueckten Minderheit, naemlich der sephardischen Juden ("Edot Ha-Mizrakh"), deren kulturelle Wurzeln im allgemeinen und musikalische im Besonderen vom ashkenazischen Establishment nie anerkannt wurden. (Und bis heute findet man in israelischen Musikladen "Musica Israelit" extra und "musica mizrahit" extra) "Tumbalalaika" wurde zum israelischen Hit, waehrend "Galei Tsahal" mit Zohar Argovs Platten Frisbee spielte. Anscheinend haben die stischen Untertoene gegen Mizrahim nicht nur Golda Meir ("hem lo bachurim nechmadim") ueberlebt...
Liebe Lisa,
eine Fortsetzung bitte!
Danke.
Gruss, Gerd.
Ach Mensch Leute... Es ist so einfach: Ich mag eben keine musica misrachit! Ich komme musikalisch gesehen aus einer ganz anderen (Gefuehls)ecke. Und das ich diese Musik nicht mag hat ganz bestimmt nichts damit zu tun, dass ich eine ashkenasiche Elitistin bin, die erstmal zum Mensch werden muss beziehungsweise das musika misrachit die Musik der Sepharden ist! Das waere so wie beschuldigt zu werden, dass man Tuerken hasst, weil man keine Doener mag (der uebrigens garnicht so tuerkisch ist...). Oder sind wir schon soweit?
Es gibt wichtiger Dinge im Leben als sich ueber den anderen Geschmack der anderen zu aergern
Lisa :-)
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Aber mir wir irgendwie nicht klar, warum du überhaupt nach Israel bist, wenn dir da so gar nichts gefallen mag.