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Tel Aviv und der Orient im allgemeinen und seine Frauen im speziellen
Wenn ich hin und wieder nach Tel Aviv selbst fuhr und der Lärm entgegengesetzter Leben auf mich eintönte, fragte ich mich, wieviele Gesichter eine Stadt eigentlich haben konnte, ohne schizophren zu werden...
Alles wirkte sorgfältig voneinander getrennt und deshalb so unvermittelt: die akademisch-beschauliche Atmosphäre an der Uni, die besinnliche Orientalischkeit in Jaffo, die klingelnde Präsenz des Mammon im Börsenviertel und die zerbröckelnde Europäischkeit der Wohnhäuser.
Dabei war es besonders die Wohnarchitektur, die mich beeindruckte und im speziellen hatten es mir die Wohnhäuser der sechziger bis achziger Jahre angetan.
Fast jedes Gebäude ruhte auf obligatorischen Säulen, die das Gebäude wie ein unproportioniertes Tier aussehen ließen. Man musste dem Koloss nur ein Bein stellen schon würde es umfallen, hatte ich mehr als oft im Vorbeigehen gedacht. Zudem hatte man jede Wohnung mit riesigen Fenster ausgestattet, die aus dem stelzigen Tier zudem ein vielgroßäugiges Wesen machten. Die europäische Winterkälte musste den Konstrukteuren noch in den Knochen gesessen haben, als sie sich dazu entschieden zumindest das Wohnzimmer mit über die ganze Raumbreite reichenden Fenstern zu versehen.
So wurde im günstigsten Falle der Bewohner den ganzen Tag von den wärmenden Strahlen der Sonne verfolgt und brauchte sich nicht vor Unterbelichtung zu fürchten und schlimmstenfalls wurde diese architektonische Besonderheit zur Qual, wenn draußen lauschige dreißig Grad herrschten und die Temperaturen in der Wohnröhre langsam den Siedepunkt erreichten.
Mir schauderte vor diesen Denkmälern der Sonnenanbetung und ich schwor mir, nie in so einem Haus wohnen zu wollen, sondern mir eine schöne verfallene Ruine der ottomanischen Zeit artgerecht wieder zurechtzurenovieren. Wenigstens waren die Erbauer derartiger Häuser etwas länger im Land gewesen und wussten, worauf es ankam.
Außer einigen auserwählten Flecken, blieb nicht viel, dass meiner neuen Sicht der Dinge standhielt. Aber was hatte ich schon von Israel gekannt? Doch nur die vereinzelten Reste von Orientalismus, die an dem Land hängengeblieben waren, wie Morgennebel in Talsenken. Und gerade die hatte ich zu den Charakteristika Israels erklärt. Dabei konnte es jeder deutsche Orientfan leichter haben, wenn er einen Eindruck vorderasiatischer Lebenweise erhaschen wollte. Er musste nur in den Mannheimer Jungbusch fahren, wo im Sommer das gesamte türkische Familienleben auf den Bürgersteigen ausgebreitet wurde. Man brachte das Kurzplüschsofa vor die Tür und machte aus dem Bürgersteig eine Sommerküche. Und wer Glück hatte, wurde zum Abendessen eingeladen.
Ich dagegen war weit gereist und fand mich in einer Welt wieder, die mich manchmal verdächtig an meine Zeiten in der DDR erinnerten. Wo man im Westen stets darum bemüht war, wenigstens die Fassade gut aussehen zu lassen, legte man im Osten und noch weiter im Nahen Osten weniger Wert auf Äußerlichkeiten und so bröckelte alles munter runter, was das Zeug hielt. Im Kibbuz fristete der Mythos von der Gleichheit aller Menschen ein zwar nur noch bescheideneres aber immerhin spürbares Dasein und die einheimische Schokolade trieb mir Wiedererkennungstränen in die Augen.
Noch nicht einmal die Frauen, die ich zu den schönsten der Welt erklärt hatte, ohne alle Schönen der Welt jemals gesehen zu haben, hielten meinem Illusionsverschleiss stand.
Dabei war zumindest das kein Grund zur Klage. Schließlich hatte ich mich unter all den feurigen Glutfrauen immer reichlich lauwarm gefühlt und neiderfüllt mein dünnes Haupthaar betastet, wenn mal wieder – wie so oft - eine schwerbemähnte Lockenschöne an mir vorbeigeschaukelt war.
Doch wie uns schon die Bibel lehrt, hatte zumindest Abschalom seine pfundschwere Haarpracht nur dazu gereicht, sich damit ziemlich unstandesgemäß in einem Busch zu verfangen und von Joab in Anbetracht solch günstiger Gelegenheit enthauptet zu werden.
Natürlich wünschte ich den Schönhaarigen keine solches Ende, aber war so eine Mähne nicht ein erhöhtes Risiko, auch an anderen Unliebsamkeiten leichter hängenzubleiben?
Abgesehen vom schwindenden Haarneid entdeckte ich, nach und nach von der orintalischen Exklusivität aufgrund des Überangebotes entwöhnt, auch andere Schwachstellen die mich weniger mit meinen blonden Tatsachen hadern ließen.
Es war die Zeit der Knappheit und an allem wurde gespart. Auch an der Bekleidung. Die Länge der T-Shirts wanderte die Rippenbögen aufwärts und der Hosenbund rutschte langsam aber unbarmherzig nach unten.
Wenn ich mich jemals gefragt hatte, wie sich die Miniröcke der Sechziger mit den verschiedenen Beinsorten ihrer Trägerinnen vertragen hatten, jetzt bekam ich die Antwort.
Es ging zwar nicht um Beine, aber das Prinzip war dasselbe. Ein bestimmtes Körperteil wurde ausgepackt und ungeachtet seiner allgemeinen Verfassung gezielt der Öffentlichkeit vorgeführt. Dabei war das auserkorene Opfer diesmal der Bauch. Nicht das gegen ihn prinzipiell etwas einzuwenden gewesen wäre, schließlich leistete er mehr oder weniger gute Dienste in tragenden Angelegenheiten. Doch seine vorbehaltlose Entblößung ungeachtet so mancher ästhetischer Bedenken rief bei mir Bestürzung hervor. Ich sah knochige Bäuche, runde Bäuche, spitze Bäuche, schlaffe Bäuche, Bäuche mit Cellulitis, Bäuche, die in ihrem Inneren schon einige Kinder beherbergt hatten. Aber anstatt ihnen einen ruhigen Lebensabend hinter diversen Stofflagen zu gönnen, wurden sie erbarmungslos hevorgezerrt.
Besonders schlimm wurde es, wenn man, statt verschrumpelte Tatsachen für sich allein sprechen beziehungsweise schweigen zu lassen, noch ein bißchen nachhalf und die Hose bewusst ein wenig enger kaufte. Das hatte dann neben der natürlichen vertikalen Trennung des Hinterns auch seine künstliche horizontale Teilung zur Folge und alles was nicht durch die Hosenenge verdichtet wurde, quoll in ungezügelter Freizügigkeit oben über den Hosenbund. Bei der Gelegenheit fiel mir immer die Sendung mit der Maus ein, in der wir Kinder Bekanntschaft mit der Wurstherstellung gemacht hatten. Aus einer Art Endlosfleischwolf wurde die Wurstmasse in die Pelle gepresst und dann kunstvoll die Wurstlänge abgedreht. Der erste Moment der Wurstgeburt sozusagen kam mir jedesmal in den Sinn, wenn ich genau auf die Stelle schaute wo freies und eingeschnürtes Fleisch aufeinandertrafen. Welche Verkäuferin hatte wohl der Kundin in solchen Momenten, wenn sie sich fehlbekleidet und noch unschlüssig vorm Spiegel drehte, begeistert den Rücken gestärkt und ihr versichert, das sei genau das richtige für ihren Typ?
War es ein unglaubliches Körperselbstbewusstsein, das mit Körperbewusstsein nichts mehr zu tun hatte oder einfach nur die andauernde Hitze, die die israelische Weiblichkeit dazu brachte sich so proportionslos zu entblößen?
Es war nichts davon. Das nächste Mal in Deutschland konnte ich mich davon überzeugen, dass die deutschen Frauen den Weg in allseits zu knappe Hosen ebenfalls gefunden hatten. Wie das so ist mit Modetrends, können sie sich - obwohl anfangs vom Modeschöpfer gut gemeint - in besonders schlimmen Fällen verselbstständigen und werden zu ansteckenden Krankheiten, die ganze Nationen dahinraffen.
Ab sofort ließ ich mich vom Anblick der verschiedensten Variationen weiblicher Vorderfronten auf israelischen Straßen ungerührt anspringen, ohne damit besondere Sommerglut oder Orientalität in Verbindung zu bringen.
Posted 05/07/07 by:
admin
Comments
Da zieh ich doch lieber drei bis vier Lagen uebereinander an... und bin zufrieden.
Es ist schon traurig, der Modezar "ruft" und schon eilen seine willigen Schafe herbei! Oft nur aus Zeit einer wenig inspirativen Phase werden Klamottenteile "rauf runter ,oder wie auch immer,gezogen via Hochglanzlektüre, und den dazugehörigen Modell`s der Masse unter die "Nase gehalten" und nun rollt der Dollar, und jedes Schäfchen zerrt,zieht und quetscht sich in den Fetzen !Wer kennt es nicht das Märchen von "des Kaiser`s neue Kleider "in diesem Sinne
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