Jump to navigation
Der israelische Busfahrer
Ganz im Gegensatz zu deutschen öffentlichen Beförderungsmitteln, hat der israelische Autobus sein eigenes Mikroklima...
Ähnlich anderen geschlossenen Unternehmen,wie Fabrik und Büro,gab es eine Hierarchieordnung, an dessen oberster Stelle unangefochten der Busfahrer stand. Er war nicht die anonyme Gestalt, die in Deutschland verborgen hinter Gardinen und getönten Glasscheiben, geschützt durch Wechselgeldautomaten und Niedrigtürchen ihren Dienst tat, sondern eindeutig ein Fast-Schon-Mythos.
Jeden Tag um dieselbe Zeit auf derselben Strecke unterwegs, kannte man ihn genauestens, begrüßte ihn überschwenglich, erkundigte sich nach seinem Befinden und verwickelte ihn in ausschweifende Gespräche über das Hier und Heute. War dem Buslenker nicht nach persönlicher Kommunikation, drehte er einfach das Radio auf und bedudelte den gesamten Businhalt mit Musik seiner Wahl. Hatte er dagegen das überwältigende Bedürfniss sich mitzuteilen, kam es auch schon mal vor, dass er sich furchtlos in die Unterhaltung ihm gänzlich unbekannter Fahrgäste einmischte.
Dabei vergaß er nie, die Straße im Auge zu behalten. Er war sich der Wichtigkeit seiner Mission bewusst und verteidigte seinen Platz als Erster der Rangordnung auch auf dem Asphalt. Autos waren sowieso nur Transportmittel unbedeutender Kleinstgruppen und mit dem heren Dienst des Busses an der Allgemeinheit nicht zu vergleichen. Und leblosem Frachtgut in Lastern tat es nicht weh, wenn es ein wenig länger durch die Gegend gegondelt wurde. So ließ der Busfahrer sämtliche Vorfahrtsregeln außer Acht, schnitt und bremste aus, was das Zeug hielt. Schließlich mussten ja seine Fahrgäste als erste ankommen. Wo auch immer...
Unangefochten und im wahrsten Sinne des Wortes auf den hinteren Plätzen befanden sich dagegen die Fahrgäste. Dabei ließen sich die Stammgäste des Busses direkt hinter dem Fahrer nieder, nahmen ihn ohne Umschweife verbal in Beschlag und machten so die Besitzrechte an ihm deutlich. Die Tagesmüden besetzten die Plätze im Mittelteil und die Teenies ließen sich mit Vorliebe ganz hinten im Bus nieder. Dort schaukelte es gar urgewaltig und man konnte sich relativ unbehelligt vom wachen Auge des Busfahrers mit der fragwürdigen Verschönerung des Businventars befassen.
Sie allesamt aber waren gewöhnlicherweise treue Anhänger ihres zeitweiligen Schicksalslenkers und kommentierten jede seiner Verkehrssünden mit fachmännischem Protestgemurmel gegen die Fahrer der anderen Fahrzeuge.
Überhaupt ließ man auf den Busfahrer nur ungern etwas kommen. Schließlich verdankte man seinen Fahrkünsten nicht nur schnellen Transport hier- und dorthin, sondern seinem Instinkt auch eine verhältnismäßige Garantie für Leib und Leben.
Im Gegensatz zum hysterischen Fahrgast war ein Busfahrer manchmal nämlich durchaus in der Lage einen müden, arabischen Bauarbeiter, der einfach nur nach Hause wollte von einem Selbstmordattentäter, der den Weg ins Paradies suchte, zu unterscheiden und so eine Katastrophe zu verhindern.
So entstieg man am Ende der Fahrt dem schaukelnden Gefährt mit wackligen Beinen, mitunter einem Herzinfarkt wegen nur haarschaarf vermiedener Unfälle oder suspekter Businsassen nahe, aber allgemein dankbar für die prompte Zustellung, und das Leben draußen konnte neu anfangen.