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Verbale Startschwierigkeiten – Ivrith für Anfänger
Es gibt nichts deprimierenderes, als die uneingeschränkte Erkenntnis, dass man die Sprache des Landes, in dem man zukünftig zu leben gedenkt, nicht beherrscht...
Ich fand mich in Israel wieder, in dem ich bestimmt die nächsten Jahrzehnte meines Lebens verbringen würde, hatte aber keine Ahnung mich in Ivrith kundzutun. Zwar hatte ich in Deutschland schon zwei Jahre intensiven Hebräischstudiums hinter mich gebracht, aber weder die gewissenhafte Paukerei von Vokabeln, noch die mühselige Übersetzung von textlichen Mikropartikeln aus Bibel und Talmud halfen mir jetzt dabei, mich auf der Straße zurechtzufinden.
Darüberhinaus hatte ich mit einer weiteren Tücke zu kämpfen: Ich sprach besser als ich verstand. Das hörte sich zwar gut an, war aber nicht unbedingt von Vorteil. Die Israelis bewerten – wie Menschen das für gewöhnlich tun, wenn sie sich unversehens einem Landessprachenunkundigen gegenüberfinden – das Sprachverständnis eines Ausländers anhand des akkustischen Eindrucks. Stammelt jemand in unverständlichen Worten daher, wird man ihm mitleidig ein paar Schlagwörter hinschmeissen und hoffen, dass es ausgerechnet die sind, die er gelernt hat. Doch damit nicht genug, hängt der Gleichklang in der Verständigung zudem maßgeblich von der richtigen Interpretation des Landessprachlers ab. So kann es dem unglücklichen Ausländer passieren, dass er an einen, den Umgangs mit wirrem Gestammel nicht mächtigen Inländer gerät, der ihn anstatt in die Apotheke ins nächste Schwimmbad schickt.
Ich dagegen hörte mich einfach zu gut an und das brachte die Israelis auf falsche Gedanken. Anstatt mir sparsam zuzureden, überforderten sie mich mit unverdaulichen Sprachbrocken, die mir schwer auf dem Magen lagen, ohne meinen Verstand zu erreichen. So hätte ich mich gleich ohne zu fragen auf den Weg ins Schwimmbad machen können, obwohl ich Hustenbonbons aus der Apotheke gebraucht hätte.
Da zum Experimentieren in anderen Sprachen auch eine gewisse Muse gehört, fühlte ich mich doppelt gehetzt, wenn ich in zusammengedrängten oder schnellebigen Augenblicken, wie denen des Aus- und Einsteigens in den Autobus, dazu gezwungen war, den Mund aufzumachen. Schon Minuten vor Ankunft des Vehikels bekam ich Herzrasen, baute meinen einstudierten Satz nochmal zur besseren Verständlichkeit um und betete darum, dass der Busfahrer kein begnadeter Redner sei und auch kein besonders einfühlsamer Vertreter seiner Art. Weder mit langen Ausführungen, noch mit demütigendem Verständnis für mein Unverständnis hätte ich etwas anfangen können.
Doch meine Sorgen waren meist unbegründet. Die Spezies des israelischen Busfahrers zeichnet sich im allgemeinen nicht durch diese Attribute aus. Jeden Tag mit störrischen Fahrgästen und unnachgiebigen Mitstreitern auf Autobahn und Stadtstraßen konfrontiert, gehörte zackiges Benehmen mit und ohne Bus zur Überlebensstrategie. Und während er souverän den Bus aus der Haltestelle zurück in den wiederwillig Platz machenden Verkehrsfluss steuerte, bekam ich meist eine mürrische Antwort hingeworfen wie ein Stück Dörrfleisch. Damit hatte ich dann zurechtzukommen.
Wenn mir allerdings mein Schicksal besonders raffiniert mitspielte, saß direkt hinter dem Fahrer eine gelangweilte Oma, die mit großen Sinnesorganen meinen Wunsch und darauffolgendes Unverständnis wahrnahm, die Businsassen ohne Umschweife zur Solidarität aufrief und meine Suche zum allgemeinen Gesprächsthema erklärte. Und ehe ich es mich versah, stritt sich der halbe Bus angeregt über den einfachsten Weg zur Apotheke. Mich hatte man in der Zwischenzeit schon wieder vergessen. Also setzte ich mich behutsam hin - um nicht durch eine unbedachte Bewegung wieder Wellen der ungewollten Aufmerksamkeit zu schlagen - und genoss die Aussicht.
Posted 03/18/07 by:
admin
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2 Jahre Sprachkurs sind doch eine Menge. Viele Olim Hadashim müssen mit weniger auskommen.
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