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Der israelische Fernsehkoch
Es gibt wohl kaum etwas so nationalitätendefinierendes wie den Fernsehkoch. Die Franzosen tragen ihre kulinarischen Leckereien in erfurchtsvoller Andacht umher, wenden und begutachten sie behutsam und bestreuseln sie atemlos mit ausgesuchten Gewürzen...
Die Deutschen lieben es ein wenig herzhafter und machen dem lieben Essen kurz und schmerzlos den Garaus, ertränken es in Sahne, Wein und Brühe oder erschmoren es langsam im eigenen Saft. Nicht genug der leidenschaftlichen Zubereitung, liebt man die Gewürzvielfalt, die man, einmal nach Deutschland vorgedrungen, auch in unbeschwerter Fülle anwendet und das Essen damit überhäuft wie eine schöne Dame mit Juwelen. So als ob jedes Bratenstück seinen gewürzigen Partner bräuchte, erkiest man ein, meist zwei oder drei Kräutlein zu geschmacklichen Wegbegleitern der Speise und besiegelt den Bund fürs Leben beziehungsweise für den Tisch mit feuchtem Auge.
Mein eindeutiger Liebling unter all den nationalen und internationalen Küchenmeistern war jedoch der israelische Fernsehkoch des Freitagabendprogramms. Ein glattrasierter Kugelkopf, dem man eine weiße Kochuniform um den massigen Kugelbauch gebunden hatte, zeigte den ratlosen Hausfrauen, was es sich zu kochen lohnte. Doch bevor er sich ans Zubereiten machte, öffnete er geräuschvoll und ungeduldig eine Flasche Wein, aus der er sich reichlich eingoss. So als ob er eine neue Regel ausleben müsste, die besagte, dass auch der entsprechende Kochprozess den passenden Wein zu seinem Gelingen bräuchte, nahm er einen tiefen Schluck, schmatzte genießerisch und dann konnte es losgehen.
Da er nicht in Kleinformat kochte, lag auf seinem Küchentisch meist ein berggewaltig erscheinendes, einsames Stück Fleisch, das er begütigend abtätschelte und beklopfte wie einen knackigen Frauenhintern. Nachdem er sich allseits davon überzeugt hatte, dass es dem Fleisch gut ging, wetzte er dramatisch sein Messer und zerteilte den Brocken in kleinere Bröckchen, die schwungvoll zur Seite geschmissen ihres weiteren Schicksals harrten.
Ich konnte garnicht genug kriegen von soviel Urgewalt. Gemüse wurde in großfamiliärer Reichlichkeit in Scheiben, Würfel, Streifen zerhackt und das alles in Windeseile, begleitet vom dramatischen Aufblitzen der Messerscheide und dem zackigen Sound, der rhythmisch herniederfahrendem Schneidwerkzeug nun mal eigen ist.
Dieses Kochen war eher ein Naturereignis als kontrollierte Küchenarbeit, doch wenn am Ende der Garzeit Brutzel- und Bratgeräusche verstummt waren, dekorierte der Barbarenkoch das Gericht mit überraschender Behutsamkeit auf dem Teller. So als ob er sich beim Essen für die vorangegangenen Torturen entschuldigen müsste, garnierte er es mit einem – wieder in alter Haudegenmanier - abgerupften Stengelchen Petersilie oder Zitronenmelisse und präsentierte es stolz dem erschöpften Fernsehpublikum.
Danach war mir meist nur noch nach Rohkost zumute, obwohl ich mich nach erfolgreicher Schockbekämpfung durchaus an dem einen oder anderen Rezept versuchte und es unter Weglassen der Nahrungsmittelmisshandlung wirklich gelungen fand.
Posted 01/16/08 by:
admin
Comments
Bravo! comme en peut dire en France.
et bon appetit.
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et bon appetit.