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Von Mensch und Natur – der Israeli und der Ausflug
In israelischen Kreisen war ein guter Wochenendausflug einer, der mit der kleinstmöglichen Anstrengung verbunden war und so saß man dann im wohlgekühlten Familiengefährt, die Scheiben geschlossen, das Radio an und erfreute sich am Ausblick, der wie ein Stummfilm vorüberzog. Erreichte man endlich das Naherholungsziel, sorgten sinnig angelegte Parkplätze dafür, dass man sich und seine Lieben nicht zu viel bewegen musste und das Gefühl des bequehmen Autositzes unterm Hintern nicht vergaß. Ganz besondere Extremsportler dagegen hatten einen Jeep und der Allradantrieb. Mit dem befuhr man regelmäßig unzugängliche Wüsten- und Schlammpfade, polterte sich und das Auto tüchtig durch und kehrte Abends wohlig erschöpft von dem Kraftaufwand wieder heim...
Ich dagegen entdeckte einsam und allein die Schönheit gefrorener Zeiten und den Zauber der Morbidität in verwahrlosten Ruinen und streifte stundenlang durch Schutthalden menschlicher Geschichte.
Man konnte hier alles wiederfinden: die großen und die kleinen Spuren der Historie, die Tragik und die Fügsamkeit der Vergänglichkeit. Unverhüllt von künstlichen Grasflächen und Blumenrabatten waren sie für jeden sichtbar, der in ihnen lesen wollte.
Ich sammelte Scherben und zerbrochenes Glas, seltsam geformte Steine und Metallstücke und freute mich aufrichtig, dass mich kein sorgfältig gepflegter Rasen von ihnen trennte. Es ließ sich so unvergleichlich musisch zwischen halbverfallenen Gewölben und unter himmelblauen Stuck herumstreifen. Oft standen die Mauern noch meterhoch und umschlossen mit ihrer Höhe Stücke vom Damals, die mich das Jetzt und Hier vergessen ließen.
Nicht dass ich Erholungsparks verabscheut hätte. Im Gegenteil, schwer beladen mit Grill und Grillutensilien war ich mehr als einmal dankbar, das Parkplätze und Grünflächen nicht so weit auseinander lagen und sich die nächste zündelnde Familie, die man um Streichhölzer bitten konnte, auch gleich in der Nähe befand. Doch wollte ich mit meinem neuen Land allein sein, bevorzugte ich eindeutig die ungepflegten Orte.
Dabei machte ich eine überraschende Entdeckung, die meiner prägenden Anfangsbekanntschaft mit dem Berufsstand des Busfahrers einen neuen Aspekt zufügte. Obwohl der Busfahrer ehrfurchtsvolle Achtung genoß und wie der König des öffentlichen Verkehrs verehrt wurde, übertrug sich dieser Respekt nicht auf den Autobus. Zwar lobte man hin und wieder die modische Farbgebung der Sitze oder die weiche Kurvenlage neuer Modelle, doch hatte der alte Geselle ausgedient, vergalt man ihm den jahrelangen Dienst an der Öffentlichkeit keineswegs. Und so ereilte manchen Straßenbären ein ziemlich garstiges Schicksal. Anstatt die letzte Ruhe auf einem Busfriedhof zu finden und seine guten Stücke zur andenkensreichen Wiederverwendung herzugeben, kutschte man so manchen Veteranen in die freie Natur, wo er sich selbst überlassen, langsam verrottete.
Zumindest war es wohl so gedacht, doch anders als beabsichtigt, wurden die welkenden Buswracks für mich zu einem Symbol dieselangetriebener Landeseinheit. Vom Hulatal bis in den Negev konnte man sie finden. Oft schon von weitem sichtbar vergammelt und angerostet standen die Busgreise auffällig an Straßenrändern, neben Industriezentren, vor Wohnhäusern oder Tankstellen und kündeten von vergangenen Freuden schaukelnder Überlandreisen. Aber auch an ungeahnten Stellen tauchten sie wie Urwaldriesen aus dem Dschungel der Vegetation auf und stellten ihre Entdecker vor das Rätsel über die Umstände ihres Dahinkommens.
Und weil man sie an jedem noch so unmöglichen Fleck finden konnte, waren sie mehr als jedes wohldurchdachte Denkmal und jede Standarte Sinnbilder, die rostfarben einig verkündeten: Wir sind ein Land!
Ich fand diese beständige Präsenz der personenbefördernden Vergangenheit äußerst beeindruckend und beschloss, einige der Veteranen im Grünen zu portraitieren und eine Petition zum Schutze des Denkmalcharakters rostender Autobuse ins Leben zu rufen, sobald ich wieder Muse hätte.
Posted 10/31/07 by:
admin
Comments
LOL!
Typisch Lisa Yehuda: Wie aus dem Leben gegriffen!
Gerd.
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Typisch Lisa Yehuda: Wie aus dem Leben gegriffen!
Gerd.