"Suspekt!! … Weiteres in dieser Sache nicht veranlasst." So lautete die Aktennotiz des Münchner Kulturreferats anlässlich der Eröffnung eines privaten jüdischen Museums im Jahre 1989. Der Kunsthändler Richard Grimm betrieb es auf den 28 Quadratmetern einer ehemaligen Dienstbotenwohnung in der Münchner Maximiliansstraße. Kaum 20 Jahre später ist nichts mehr suspekt an einer solchen Idee und einiges Weiteres doch veranlasst worden...
Von Katrin Schuster
Zwischen der am 9. November vergangenen Jahres eingeweihten Synagoge und dem Jüdischen Gemeindezentrum ist nun auch das zugehörige Museum fertig geworden. "Dieses muss ein Haus der Anregung sein und kann nicht abgeschlossene Geschichte präsentieren", erläuterte Oberbürgermeister Christian Ude auf der Pressekonferenz.
Zwar hat Richard Grimm dem nunmehr städtischen Haus einige seiner Exponate vermacht, auf allzuviel Ausstellungsmaterial konnte man das Museum dennoch nicht gründen. Aus dieser Not soll eine Tugend werden: In den beiden Obergeschossen werden wechselnde Ausstellungen gezeigt, nur im Untergeschoß ist eine Dauerausstellung installiert.
In allen Räumen sucht man weitestgehend Abstand von der kontemplativen Betrachtungsweise, vor allem die permanente Installation "Stimmen_Orte_Zeiten" richtet sich an die Sinnlichkeit des Menschen. Gleich am Eingang trifft man auf eine stoffüberzogene Wand, aus der Stimmen sprudeln, in schnellem Wechsel erzählen Juden aus vier Jahrhunderten von ihrer Ankunft in München. Ob Schauspielerin, Displaced Person, Schriftsteller aus dem 19. Jahrhundert: Unweigerlich neigt man den Kopf, um diesen vielen verschiedenen Geschichten zu lauschen, die leichtfüßig oder schwermütig von Heimat und von Fremdsein sprechen.
Auch der Bereich "Orte" verknüpft die Menschen mit der Stadt. Auf einem Stadtplan sind Nummernfelder gezeichnet, am Rand stehen beschriftete Stelen, die eine Biografie oder ein Ereignis erzählen. Korrekt verortet erleuchtet sich ein Bild mit der Person, von der die Geschichte handelt. Ähnlich gelungen bruchstückhaft zeigt sich auch der Rest dieser Dauerausstellung: Auf einer Zeitachse wird die Historie der Münchner Juden und ihrer Gotteshäuser rekapituliert, einzelne Ritualgegenstände und individuelle Erinnerungsstücke sowie ein wandfüllendes Comic des New Yorker Zeichners Jordan B- Gorfinkel vollenden die zwar auszughafte, aber doch anregend rundumschauende Dauerausstellung.
Die beiden Wechselausstellungen haben es da schwerer: "Die jüdische Welt und die Wittelsbacher" und "Nichts als Kultur – die Pringsheims" sind die ersten beiden Teile der Reihe "Sammelbilder", was sich das Museum als Jahresthema gewählt hat. Gerade im ersten Raum ist das Bemühen um eine Auflockerung der üblichen Museumsinnenarchitektur spürbar. In den Vitrinen sind Exponate früher jüdischer Sammlungen zu sehen, die sich heute entweder im Bayerischen Nationalmuseum oder der Bayerischen Staatsbibliothek befinden, darunter bedeutende Schriften und religiöse Gegenstände. Und dann ein Tisch aus Herzog Albrechts "Wunderkammer": Von den zahlreichen verlustig gegangenen Preziosen zeugen archivierende Aufschriften auf dem gerasterten Stoff, nur ein – vermutlich nicht einmal jüdischer – Speisekasten ist noch erhalten. Alle weiteren Erklärungen finden sich allerdings erst einige Meter weiter, auf den erleuchteten drehbaren Zylinder, die all den Text enthalten.
Einen Stock höher, bei den Pringsheims ist das ähnlich, nur die Lebenswelten sollen hier noch mehr durchscheinen: Die Werke aus der Pringsheimschen Sammlung hat man in einem Modell der Villa untergebracht, und das Fries selben Ursprungs hängt so hoch, wie es vielleicht dem Besucher nicht passen mag, aber wohl tatsächlich gehangen hat im früheren Musiksaal der Pringsheims.
Dass jeder Besucher nach seinem Gang durch das Jüdische Museum noch mehr wissen wolle, ist die Hoffnung des Leiters Bernhard Purin. Einem ersten Eindruck nach dürfte sich dieser Wunsch erfüllen. Denn selbst für das umgehende Stillen des Wissensdursts ist vorgesorgt mit einem Multimediaraum mit Computern, auf denen Archive und Datenbanken zur Recherche bereitgestellt sind sowie mit einer kleinen Bibliothek, die jedem Besucher ohne Anmeldung offensteht. Jetzt sind also die Münchner Bürger dran, etwas zu veranlassen.
Eröffnung am 22. März 2007:
Jüdisches Museum München
Mehr als 78 Jahre nachdem die Idee für ein Jüdisches Museum in München erstmals geäußert worden war, steht das neue Haus kurz vor der Fertigstellung. Als drittes Gebäude auf dem St.-Jakobs-Platz neben Hauptsynagoge und Gemeindehaus der Israelitischen Kulturgemeinde errichtete die Landeshauptstadt München ein Jüdisches Museum...