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Sie meinen es doch nur gut: Das andere Deutschland
Der deutsche Bertelsmann-Verlag, einer der wichtigsten Verlage der Welt, veranstaltete diese Woche einen Kongress mit dem Thema Deutschland und die Juden...
Nachum Barnea berichtet für Jedioth achronoth von einer Bertelsmann-Konferenz über Deutsche und Juden, über normale und neurotische Menschen
Es wurden anerkannte Persönlichkeiten beider Völker eingeladen, dazu einige Intellektuelle und Kommentatoren aus den USA und Europa, und man setzte sie alle um einen quadratischen Tisch in einem repräsentablen Gebäude, das der Verlag im Herzen Ostberlins, Unter-den-Linden, eröffnet hat, zwischen dem Alexanderplatz, dem ehemaligen Zentrum des DDR-Regimes, und dem Brandenburger Tor, dem ehemaligen Zentrum des Naziregimes.
Bei der letzten Sitzung, am Dienstag Mittag, wurden drei der geladenen Israelis, David Landau von HAARETZ, Yaron Dekel von den öffentlichen Sendeanstalten und ich von JEDIOTH aufgefordert, die Liste der Herausforderungen zu präsentieren, welchen sich Israel gegenübersieht. Iran führte diese Liste natürlich an. Jeder von uns erklärte auf seine Art, warum sich die Israelis nicht mit einer iranischen Atombombe abfinden können. Danach wurde das Publikum aufgefordert, Fragen zu stellen.
Dr. Franzeska A., Journalistin bei einer der wichtigen deutschen Zeitungen, meldete sich höflich zu Wort. Sie trug eine elegante Brille, die sie als ernste Person kennzeichnete, und sie sprach mit ernster, autoritärer Stimme, der Stimme eines Menschen, der weiß, dass man ihm zuhört. "Es gibt Historiker, die behaupten, Deutschland habe den ersten Weltkrieg wegen der Befürchtung eröffnet, dass seine Feinde ihn vorher eröffnen könnten", sagte sie. "Diese Historiker sagen, die deutsche Führung hätte neurotisch gehandelt. Passiert Israel bei seinem Verhalten zum Iran nicht vielleicht etwas Ähnliches? Warum ist Ihre Reaktion auf den Iran derart neurotisch?"
Kein Nerv rührte sich in den Gesichtern der Damen und Herren am quadratischen Tisch. Kein Ton war zu hören. Sie waren höflich, ruhig, diszipliniert, nicht so neurotisch wie wir. Nachdem sie ihre Frage gestellt hatte, beschloss Dr. A., dass sie kein Interesse an der Antwort hat. Sie stand auf und verließ den Raum. Links von dem Gebäude ist der riesige Platz zu sehen, der früher Opernplatz hieß und heute Bebelplatz. Auf diesem Platz verbrannten die Nazis im Mai 1933 ungefähr 30.000 Bücher: Bücher von Juden, von Regimegegnern, Bücher von neurotischen Menschen, die im Gegensatz zu Dr. A. nicht fähig waren, gelassen auf die Veränderungen zu reagieren.
Der israelische Bildhauer Micha Ullman schuf das Denkmal, das jene Nacht verewigt. Er baute unter dem Platz eine weiße, sterile Bibliothek, deren Regale alle leer sind. Ein Glas ermöglicht es den Passanten, sich die Leere anzuschauen. Ein kleines Schild, das daneben angebracht wurde, zitiert die schauerliche Prophezeiung von Heinrich Heine: "Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende gar auch Menschen".
Heine ließ sich im Verlauf seines Lebens taufen, aber seine Worte zeigen, dass ihm das nicht viel genützt hat: Er war und blieb neurotisch.