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Soziologe über deutsch-israelische Beziehung: "Deutschland ist immens wichtig"

Israel braucht die EU - denn die USA haben eigene Interessen in der Region. Deshalb war auch Merkels Besuch so wichtig, sagt der israelische Soziologe Moshe Zuckermann...

Interview: Stefan Reinecke, taz v. 19.03.2008

taz: Herr Zuckermann, in Deutschland sind viele stolz, dass Angela Merkel als erste ausländische Regierungschefin vor der Knesset reden durfte. War das ein historischer Besuch?

Moshe Zuckermann: Ja. Merkel ist mit ihrem halben Kabinett angereist und es soll diese Regierungstreffen nun jährlich geben. Das wäre vor zehn, fünfzehn Jahren schier undenkbar gewesen. Da hätte es in Israel Massendemonstrationen und heftige Debatten in den Zeitungen gegeben. Insofern zeigt dieser Besuch eine einschneidende Veränderung in den deutsch-israelische Beziehungen.

Es gab Widerstand von einzelne Abgeordneten gegen Merkels Rede in der Knesset - und dagegen, dass sie deutsch redet. Waren das nur vereinzelte Stimmen?

Das waren Einzelmeinungen, die vor allem von rechten und rechtsradikalen Politikern vorgetragen wurden. Allerdings hat eine Abgeordnete der Arbeitspartei kritisiert, dass es unsensibel von der israelischen Regierung war, Merkel zu erlauben deutsch zu reden. Die Überlebenden der Schoah sind keine homogene Gruppe, viele reden selbst deutsch. Aber es gibt eben auch Überlebende, die diese Rede als Affront empfunden haben.

Was bedeutet es, dass Merkel deutsch geredet hat?

Das soll ein Zeichen der Normalisierung sein. In gewisser Weise ist dies ja auch konsequent. Die Zusammenarbeit Israels mit Deutschland gibt es seit mehr als fünfzig Jahren, seit 1952 - da sind solche Verbote, Regeln und Beschränkung eher Versuche, symbolisch eine Distanz aufrechtzuerhalten, die es in der Realität nicht mehr gibt.

Es wird künftig regelmäßige Regierungstreffen und verstärkte militärische und kulturelle Zusammenarbeit geben. Was bedeutet das für Israel?

Für Israel ist Deutschland immens wichtig. Israels wirtschaftliche Zukunft liegt in Europa - noch eher als in den USA. Und Deutschland ist der door opener für Israel in der EU. Es mag sich pervers anhören: Aber für Israel ist Deutschland schon seit langem ein unverzichtbarer Partner. Das wird nun mit den alljährlichen Regierungstreffen institutionalisiert.

Wie normal sind die deutsch-israelischen Beziehungen ?

Wenn Israel irgendein Staat in Lateinamerika wäre, der die Menschenrechte so mit Füßen tritt, wie Israel das in den besetzten Gebieten tut, dann hätte Merkel das natürlich scharf kritisiert.

Und das hat sie nicht getan?

Nein, oder nur im Flüsterton, kaum hörbar. Was Merkel zu den israelischen Siedlungen im Westjordanland gesagt hat, steht in keinem Verhältnis zu dem, was kritisiert werden muss: von dem Angriff auf Gaza bis zu den gezielten Tötungen von Islamisten. Israel eskaliert die Gewalt - natürlich nicht allein, natürlich trägt auch die Hamas dazu bei. Aber Deutschland ist der einzige Staat, bei dem die israelische Regierung sicher sein kann, dass sie von Kritik verschont bleibt. Das ist die anormale Normalität dieser Beziehung. Deutschland kritisiert Israel nicht, dafür bietet Israel Deutschland normale Beziehungen an. Das ist das Grundmuster, aus dem Merkel nicht ausbrechen kann.

Nicht kann oder nicht will?

Realpolitisch gesehen - nicht kann. Sie kann bei ihrem ersten Besuch keine Tabus ansprechen - selbst wenn sie es wollen würde. Natürlich wäre es wünschenswert, dass Deutschland resolut den Rückzug aus den besetzten Gebieten fordert. Aber genau das darf Merkel nicht - weil die historische Situation ist, wie sie ist. Auch für Joschka Fischers Vermittlungsbemühungen waren die Grenzen immer klar. Hätte Fischer je mit der Hamas geredet, wäre er sofort von Israel scharf gerüffelt worden.

Jitzhak Rabin hat mal gesagt: "Deutschland spielt im Nahostkonflikt keine Rolle." Gilt das noch?

Nein, das stimmte so damals nicht, und heute trifft es noch viel weniger zu. Seit der Vereinigung ist Deutschland zu einer Weltmacht geworden - ob es das will oder nicht. Und Deutschland ist Israels verlässlichster Verbündeter - noch mehr als die USA. Die USA sind der globale Hegemon, der Israel finanziell und militärisch unterstützt. Das wird auf absehbare Zeit auch so bleiben. Aber die USA ordnen den Nahostkonflikt ihren geopolitischen Interessen unter. Und die können sich ändern. Das weiß man in Israel. Deswegen muss Israel ja stärker Kontakte zur EU aufbauen. Und dabei spielt Deutschland die zentrale Rolle.

Abdruck mit freundlicher Genehmigung der taz - die tageszeitung
© Contrapress media GmbH

Category: Deutschland
Posted 03/20/08 by: admin

Comments

wrote:
Mosche Zuckermann liegt so satt falsch wie eh und je. Jaja, die geopolitischen Interessen der USA. Was auch immer das sein soll? Eine Floskel vermutlich. Schön, dass er nichtmal dann selbige vergisst, dass Israel irgendwo "Menschenrechte so mit Füßen tritt". Na womit denn sonst?
Auch'n Glaubensbekenntnis.

Es passt zur taz, mit dem Herrn Zuckermann so ein Interview zu führen. Nächste Woche steht dann eines mit Gideon Levy, Amira Hass usf. drin, wo die dann sagen, dass die Besetzung "illegal" sei. Oh ja. Weil, das hat ja bisher noch keiner gewusst. Nicht?
03/21/08 00:09:37

wrote:
Was mit geopolitischen Interessen der USA gemeint ist, ist klar. Auch, dass die sich ändern können.
Jeder Ihrer Sätze ist floskelhaft und hohl und noch dazu voller Selbstgefälligkeit und Verachtung anderer Formulierungen und Ansichten.

Sachlich ist sicher anzumerken, dass auch Deutschland geopolitische Interessen hat, die sich ebenfalls ändern können.
Israels Interessen übrigens auch.

Was Israels Interessen sein dürften oder sollten hat zuletzt Ariel Sharon angedeutet:
Wir müssen die Gebiete loswerden, die USA hätten nicht in den Irak einmarschieren sollen.

Punkt 1 konnte er nicht fortfahren
Punkt 2 konnte er Bush nicht beeinflussen.

Er sagte ferner, die Demographie und damit auch die Zeit arbeiten gegen uns, und jeder Premier, der die ihm übertragene Verantwortung ernst nimmt, muss erkennen, dass die Situation und die Interessen Israels ganz andere sind, als in nationalistischen Parolen immer wieder propagiert.
In diesem Zusammenhang erklärte er auch seine Scham über sein Verhalten im Rahmen der Hetze gegen Premier Rabin.
03/21/08 03:40:38

Fischgeruch wrote:
Der Ausdruck "geopolitische Interessen" ist und bleibt eine modische Blase, ein arrogantes so Tun als ob. Egal, wie gerne Sie nun mit da hineinpusten möchten.

Was für "nationalistische Parolen"? Darüber steht nichts. Dafür steht hier Ihr Moralfinger. Na, wenn's Spaß macht.

Eben das macht der Herr Zuckermann auch ganz gerne, so mit allerlei Blasen, vorgefassten Meinungen und Moralfingern zu jonglieren. Weil es ihm Spaß macht? Nicht mal das, er möchte nur im Gespräch bleiben. Denn politisch sind seine und Ihre Auffassungen ja eher belanglos. Ein paar deutsche Zeitungen lecken sich freilich die Fingerchen danach ab.

"Wir müssen die Gebiete loswerden". Ja, sicher (ohne Ironie jetzt). Aber an wen bloß? Abbas kann sich kaum noch halten, die Hamas hält an ihrem nazistischen Vernichtungswunsch fest, und außerdem ist keiner je in Sicht gewesen. Die Gebiete (die nichts als Leid, Gewalt und Gefahr gebracht haben) loszuwerden, ja schöne Idee. Wiederholen Sie sie immer mal wieder, dann meldet sich morgen früh einer, der da einen friedlichen normalen Staat aufbauen will, und den lässt man dann ab übermorgen einfach mal machen -.

- Chag sameach übrigens. Trinken Sie heute einen, das löst Verkrampfungen.
03/21/08 15:55:19

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