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Die Familie von Holocaustopfern protestierte gegen die Verewigung

Wer in den letzten Jahren eine der großen Städte Deutschlands besucht hat, der kennt sicherlich die glänzenden Steine in den Bürgersteigen, auf welchen die Namen von Personen eingraviert sind, die von den Nazis getötet wurden. Jetzt passiert es zum ersten Mal, dass der Protest einer israelischen Familie zur Entfernung solcher Steine führt...

Von Eldad Beck, Jedioth Achronoth v. 08.02.2008

„Stolpersteine“ nennt sich das Verewigungsprojekt, das von dem deutschen Künstler Gunter Demnig ins Leben gerufen wurde, und in dessen Rahmen bis heute in den Straßen von ca. 300 Ortschaften in ganz Deutschland über 13.000 Erinnerungssteine in Bürgersteige eingelegt wurden, vor allem zum Gedenken an die Holocaustopfer.

Im letzten November wurde in der Stadt Dahn vier Stolpersteine zur Erinnerung an Mitglieder der Familie A. gelegt, die im Holocaust umgekommen ist. Die Angehörigen der Familie waren von dem Gedanken entsetzt, dass die Steine so gelegt werden, dass Leute darüber laufen. „Ich lasse es nicht zu, dass noch einmal auf meiner Familie herumgetreten wird“, schrieb eine Angehörige der Familie an die Organisatoren des Projekts. „Noch dazu widerspricht dieses Projekt den Prinzipien unserer Religion“. Die Familie forderte, die Steine umgehend zu entfernen.

„Die Passanten ehren nicht unbedingt das Andenken unserer Verwandten. Viele laufen über diese Steine, beschmutzen sie, spucken darauf. Niemand hat das Recht, die Namen unserer Lieben zu benützen, ohne uns überhaupt um unser Einverständnis gebeten zu haben“, sagen die Angehörigen zu Jedioth Achronoth.

Die Angehörigen schlugen vor, die Steine in die Mauer des Gebäudes einzulassen, in dem ihre Verwandten gewohnt haben, um damit eine Verletzung ihres Andenkens zu verhindern. Demnig lehnt dies ab: „Der Grundgedanke des Projekts ist, dass es sich um ‚Stolpersteine’ handelt, auf die Passanten zufällig stoßen und dann beginnen, sich Fragen zu stellen. Zweitens gibt es ein technisches Problem: Viele Hauseigentümer werden es nicht zulassen, die Steine in die Mauer einzulassen. Die Bürgersteine gehören der Stadtverwaltung, die sich auch oft schwer überzeugen lassen, letzten Endes jedoch meist ihre Zustimmung erteilen. Das ist das erste Mal, dass ich auf Ablehnung der Familie stoße und die Steine entfernen lassen muss. Ich habe mich mit dem Vorstand der Gemeinde in Köln beraten, um zu überprüfen, ob es ein Gesetz in der Thora gibt, das es verbietet, Steine zum Andenken an Tote zu legen, und man sagte mir, dies sei nicht der Fall….Wie auch immer, wir werden den Wunsch der Familie natürlich respektieren.“

Medienspiegel der Deutschen Botschaft Tel Aviv

Category: Deutschland
Posted 02/11/08 by: admin

Comments

wrote:
Na also ehrlich, der verlegt die Steine ohne die Angehörigen zu fragen??? geht's noch?!
02/11/08 14:56:44

wrote:
Ich kenne Gunter Demning persönlich. Seine Initiative und sein Anliegen. Es ist höchstrespektabel. allerdings muß ich den Kritikern Recht geben, denn diese Stolpersteine werden all zu oft Mießlich behandel( bespuckt, überstrichen, mit Hakenkreuzen bemalt, usw.)Es ist nicht hinnehmbar, dass die Namen der Ermordeten auf ein Neues beschmutzt werden. Nur kann man den Umgang mit den Steinen nicht Demning anlasten.

Viel verwerflicher ist es , den in diesem Zusammenhang, urheberrechtlich geschützten Begriff Stolpersteine zu mißbrauchen, z.b. in der Nähe von Görlitz wurden Solche zum Andenken von sogen. Vertriebenen Schlesiern verlegt.

In vielen, mir bekannten Fällen, kam es zu offiziellen Danksagungen von Shoahüberlebenden an den Aktionskünstler Demning.
02/11/08 15:17:39

wrote:
Schön, daß sich endlich mal eine Familie über das obskure Projekt beschwert. Und sehr aufhellend, daß die Familie A. nicht mal gefragt wurde, ob denn die Steine mit dem Namen ihrer Verwandten überhaupt verlegt werden dürfen.

Mir hat an dem Projekt die Selbstdarstellung des Künstlers und der spendenden Initiativen nie wirklich geschmeckt. Es hat etwas morbides, mit anzusehen, wie die Steine versenkt werden und drum herum stehen lauter Leute, die sich vor moralischer Erhabenheit auf die Schulter klopfen.

Nein, mir tat jede Familie leid, die so - vermutlich auf Anfrage - neben einer solchen selbstbeweihräucherungszeremonie stehen musste. Andenken an die ermordeten Verwandten ist sicher etwas sehr persönliches.

Da ist m.E. das drüberlaufen über die Steine an der ganzen Aktion noch das kleinste übel. Übrigens macht der Künstler das ganze auch noch recht billig. Für nur 50 Euro pro Steinchen ist eine Reinwaschung des schlechten Gewissens zu haben.

Siehe hierzu auch den Essay von Daniel Haw:
http://www.hagalil.com/arch...

Und Moishe Hundesohn: http://www.israeli-art.com/...
02/11/08 18:09:00

wrote:
@Yoschi

Wieso sollte die Idee, in Form eines besonderen Pflastersteines zu erinnern, nicht auch von anderen genutzt werden?

Ein Exklusivrecht hat darauf doch niemand. Also warum nicht?
02/11/08 18:16:45

wrote:
Es ist das erste Mal, dass ich in einer Stadt wohne , in welcher messingartige Teilchen mit Beschriftung in die Fussboeden der Burgersteige eingelassen werden.
Natuerlich ist es ein AHA, hier gab es mal welche, die wurden vertrieben?
Zuerst wusste ich nicht, was ueberhaupt auf den Steinen steht, aber im Moment schaffe ich garnicht, mich ueber jeden Stein zu buecken und zu lesen.
Eine Strasse der Visionen oder so aehnlich gibt es auch, mit Ausspruechen von Politikern oder anderen Menschen, in mehreren Sprachen zu lesen, die muessen dauernd oder in Intervallen erneuert werden.
Ist einfach zu viel Politik, Machtkampf und irgendwo will ein Mensch ein Mensch sein.
Nur kein Projekt, welches mit personengeschuetzten Daten umgeht,
darf doch ohne Einverstaendnis der betreffenden Personen diese veroeffentlichen?
Personendatenschutz?
Individualitaet geht vor Staatsinteressen und vor Medieninteressen und vor Organisationsinteressen oder vor Firmeninteressen!
Ausverkauf von Menschlichkeit hatten wir schon zu viel.
Sogar Glaube und oder Religion schuetzt das Menschsein, anstatt dies zu vernichten!
02/11/08 18:24:28

wrote:
Ich habe mir grad das Essay von Daniel Haw ( danke gerda)durchgelesen. So habe ich es bisher nicht gesehn, muß jetzt aber feststellen, dass ich meine eigene Meinung überdenken muß.
Ich kann auch nur von unserer Stadt ausgehen. Die in Görlitz verlegten Stolpersteine wurden auf Bitten der Jüdischen Gemeinde verlegt. Auch Organisationen, wie der Förderkreis ehemalige Synagoge Görlitz und der Verband für Christlich - Jüdische Zusammenarbeit haben sich hier bemüht.

Ich bin hier vor allem gerda dankbar, mir geholfen zu haben, die richtige Ansicht entwickel zu können.
02/11/08 18:56:31

wrote:
Daniel Haw schreibt:

"Tatsächlich leben zur Zeit ungefähr 100.000 Juden in Deutschland, von denen die überwiegende Zahl willens oder sogar begierig wäre, Deutsche christlicher Prägung über das Judentum aufzuklären, sobald man sie darum bäte."

Ohne Häme IMHO: Dazu müsste die "überwiegende Zahl" 1.) Deutsch lernen und 2.) über das Judentum umfassend Bescheid wissen, sind sie doch selbst rel. unaufgeklärt, was sie sich jedoch zu vermindern bemühen.

Haw widerspricht Bubis, der meinte, die Antwort von Nichtjuden auf die Mitteilung, jemand sei Jude, müsse heißen: "Na und?"

Die Nazis brachten etwa 1/2 million sog. "Zigeuner" um. Muss nun jeder "Nichtzigeuner" Geschichte usw. der Rom (Roma und Sinti) kennen?

Sie (die Nazimörder) ermordeten ebenfalls viele der sog. Bibelforscher. Auch deren Lehre ist deshalb zu kennen?

Zu den Stolpersteinen: sie sind keine Erfindung des Künstlers, z.B. gibt es ähnliches in Dortmund aus einer Zeit weit vor seiner Idee. Stolpersteine wurden von ihm auch für andere Opfer der Nazis verlegt, so z.B. für Menschen, die vor der "Machtergreifung" auf der Sraße von der SA
erschossen wurden.

Noch was: 1 Stein "kostet" mit Verlegung mindestens 100 Euro, nicht 50...

ego
02/11/08 22:36:58

wrote:
Mit der Stolperstein-Initiative von Gunter Demnig sollen Denkzeichen in den Straßen der europäischen Städte gesetzt werden. Den Opfern des Faschismus, Juden wie Nichtjuden, politischen Verfolgten, Opfern der Aktion T, Sinti und Roma, Homosexuellen und den als Asoziale denunzierten Verfolgten und Ermordeten, soll ihr Name wieder gegeben werden.
Per Zufall stieß ich in meiner Funktion als Baugeschichtsforscher in alten Bauakten des Wohnhauses, in dem ich seit 23 Jahren in Berlin-Neukölln (Nord) lebe, auf Unterlagen über das Ehepaar Dr. med. Dagobert Schlesinger und Erna Schlesinger, geb. Apolant, die von 1932 bis 1938 in diesem Wohnhaus eine Arztpraxis betrieben. Die Reichsärztekammer entzog beiden im Oktober 1938 ihre Kassenzulassung und die Approbation. Von 1939-42 vegetierten das Ehepaar Schlesinger in einem sogenannten Judenhaus in der Krausnickstraße in Berlin-Mitte, wo dann auch vor seiner Deportation Dr. Schlesinger in den Freitod ging. Seine Ehefrau Erna Schlesinger wurde mit einem Alterstransport in das Todeslager Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Aus diesem Grunde hatte ich mich im letzten Jahr entschlossen, zusammen mit meiner Partnerin Heidrun Woznikowski und der Schriftstellerin Erica Fischer (Aimee und Jaguar, die Wertheims, etc.) zwei Stolpersteine for das Ehepaar Schlesinger zu stiften. Die Steine wurden im Juli verlegt und dann im September 2007 durch Rabbiner Prof. Dr. Andreas Nachama offiziell eingeweiht.
Mir ist die Problematik der wissentlichen bzw. unwissentlichen Beschmutzung und Besudelung solcher in die Gehwege eingelassener Stolpersteine bewusst. Berotzt wurden und werden unsere beiden Steine auch ständig von Jugendlichen mit arabischen Migrationshintergrund, die in der Nachbarschaft wohnen und des Abends und Nachts die Straßen von Nord-Neukölln bevölkern.
Aus diesem Grunde sind die Stolperstein-Paten auch verpflichtet, sich um die verlegten Stolpertsteine zu kümmern, d.h. regelmäßig diese zu säubern!

Shalom

R.Dupuis, Berlin-Neukölln
02/12/08 08:13:32

wrote:
@ Gerda

Danke. So wie Du habe ich das Ganze noch nie betrachtet.
Prima auf den Punkt gebracht.

Es scheint höchste Zeit für den Künstler, das gutgemeinte Projekt zu überdenken.

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Eldad Beck schreibt:
„Die Passanten ehren nicht unbedingt das Andenken unserer Verwandten. Viele laufen über diese Steine, beschmutzen sie, spucken darauf. Niemand hat das Recht, die Namen unserer Lieben zu benützen, ohne uns überhaupt um unser Einverständnis gebeten zu haben“, sagen die Angehörigen zu Jedioth Achronoth.

In der Aufzählung fehlt, dass hin und wieder
Steine herausgerissen werden.

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Und, ja, Moishe Hundesohn von Daniel Haw traf mal wieder des Pudels Kern.
02/12/08 08:15:04

wrote:
Hi Gerd,

lass dich doch wieder mal im Forum blicken. Den Artikel habe ich dort übrigens verlinkt.
02/12/08 12:09:23

wrote:
@Yael

Nett von Dir.

Und: Danke. ;-)
02/12/08 12:42:18

wrote:
Also ich finde die Position von Gerda überhaupt nicht überzeugend. Was ist denn dagegen einzuwenden, dass es nicht soviel kostet? Wenn es für Privatpersonen finanzierbar ist, führt es doch dazu, dass überhaupt erst Initiative entwickelt wird. Meckern kann man immer. Ist es teuer, dann heißt es: "Ach ja, die verbuddeln nur viel Geld und kaufen sich damit aus der Verantwortung frei." (Scheckbuch-Diplomatie). Ist es preisgünstig, ist es auch nicht recht. Es handelt sich letztlich um ein "Double Bind", das jeden, wie auch immer eingeschlagenen Weg nicht akzeptiert.

Letztlich gehe ich davon aus, dass die Intentionen des Künstlers ehrenwert sind. Er hatte eine Idee und hat sie umgesetzt. Dass die Leute zufällig drüber laufen und "stolpern" sollen, war von ihm intendiert. Dass Angehörige gekränkt sein könnten, wenn Leute über den Namensstein laufen, vielleicht sogar spucken etc., kann ich verstehen – jetzt, wo ich es lese. Er hatte es wohl nicht bedacht; ich wär vielleicht auch nicht draufgekommen.

Dass durchgeknallte Antisemiten da Hakenkreuze draufmalen, war mir neu; ist die übliche Pest, die leider nicht verschwindet. Will man dann auf das "persönliche" Andenken im öffentlichen Raum verzichten? Dann kann man natürlich wiederum einwenden, dass die Demokraten vor der Pest kapitulierten und den Rechten die Straße überließen.

Wenn man Gedenkstätten jeglicher Art irgendwo öffentlich aufstellt, lässt es sich kaum vermeiden, dass irgendwelche Irren da was draufschmieren. Es sei denn, man bewacht das Ganze.

Es ist vielleicht ein unauflöslicher Widerspruch, dass die unmittelbar Betroffenen, also die Angehörigen, es anders sehen, als die nur mittelbar Betroffenen. Für den Künstler ist es ein politischer Akt, der die Ermordeten der Anonymität entreisst. Es ist auch ein Akt der Präsenz, der nicht vor den Nazis kapituliert.
Für die Angehörigen stellt sich das vielleicht anders dar, da es für sie natürlich ein lieber, ihnen persönlich bekannter, Anverwandter war.
Letztlich entscheidet dann das Urteil der Angehörigen.

Aber muss deshalb das ganze Projekt in Frage gestellt werden? Ich weiß es nicht. Die Reaktionen der Angehörigen scheinen zumindest geteilt zu sein.
Vielleicht gibt es da keine einfachen Antworten...
02/12/08 14:56:17

wrote:
Plötzlich ist hier und auch im Forum Ruhe, nachdem insbesondere " gerda " in den Fettnapf getreten ist.
Die Verlegung von Stolpersteine durch Demning wurde im Einverständnis, bzw. Auftrag jüdischer Gemeinden, Organisationen und Vereinen getätigt. Solche dann als Dubiose Initiativen durch Daniel Haw bezeichnet zu sehen, ist nicht nur ein Mißverständnis. Es passt zu Anmerkungen in vielen postings hier.
02/13/08 13:12:25

wrote:
@Yoschi

Nicht jeder wird hier täglich lesen.... .

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Zum Thema haben Moishe und Ruth auch noch etwas zu sagen:
http://www.israeli-art.com/...
02/15/08 12:08:35

Landseer wrote:
Plötzlich ist hier und auch im Forum Ruhe, nachdem insbesondere " gerda " in den Fettnapf getreten ist.
buy wow gold
http://www.gogoer.com
06/11/08 01:43:51

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