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"Pasque di sangue": Ariel Toaff und die Legende vom Ritualmord

Der italienische Historiker Ariel Toaff hat ein neues Buch geschrieben, und seine Kollegin Elena Loewenthal hat es in "La Stampa" ein "Skandalbuch" genannt. Dieser Titel wird in Italien gerne vergeben, aber im vorliegenden Fall scheint er wahrlich verdient (Ariel Toaff, Pasque di sangue. Ebrei d'Europa e omicidi rituali, Bologna: Il Mulino 2007). Dafür genügt ein knapper Blick auf die Hintergründe...

Ein Kommentar von Johannes Heil

Denn wenn es so etwas wie ein zeitloses Hypernarrativ der Judenfeindschaft gibt, dann ist es jenes vom "Ritualmord". Negativ gefasstes Kreuzesmysterium, blutgieriger Wucher, Heilung von konstitutiven körperlichen Gebrechen, weltumkrallendes Machtstreben, zionistische Aggression, - all das haben fromme Chronisten, gnadenlose Seelsorger, eifernde Gesellschaftskritiker, antisemitische Pamphletisten, mörderische Machthaber und unserertags auch Soaps arabischer Vorabendprogramme mit der Legende vom jüdischen Ritualmord bebildert. Die Blutbeschuldigung ist allseits und allzeit kompatibel, ein wahres Passepartout. Die Widerlegung dieser Wander- und Wandellegende ist ebenso leicht wie letztlich auch aussichtslos. Denn das war schon immer so: wer solcher Mär glauben will, wird sich so leicht nicht davon abbringen lassen, vor allem nicht durch Wissenschaftler.

Um so dankbarer nimmt die Szenerie vermeintliche oder tatsächliche, zumal akademisch autorisierte Bestätigungen ihres "Wissens" auf, und deshalb kann auch jede in noch so fernen Zeiten ansetzende historische Beschäftigung mit dem Thema gleich zum Politikum geraten.
Das hat man schon in den 90er Jahren an den harschen und in der Sache vielfach überzogenen Reaktionen auf Israel Yuvals Versuch einer Neudeutung des Aufkommens der Ritualmordfabel im 12. Jahrhundert ablesen können. Dabei hatte der ausgewiesene israelische Mediävist damals keineswegs eine revisionistische Sicht einführen wollen, sondern nur geäußert, dass es äußere Merkmale wie die rötliche Farbe des Charoset und einige andere Momente der Pessah-Haggadah gewesen sein könnten, die Christen in ihrer eifrigen Ignoranz auf die Idee brachten, Juden verwendeten Blut zu rituellen Zwecken...
... Die Kritik an Yuval galt letztlich weniger seiner Studie, als vielmehr dem, was nachlässige Leser da herauslesen oder böwillige Leser auch hineinlesen könnten.

Wenn wir den Nachrichten der vergangenen Tage folgen, dann ist uns mit "Pasque di sangue" – "Blut-Ostern" zu deutsch – nun gerade diese Lesart aktiv vorgetragen worden, und sie erweist sich auch noch bestens "autorisiert": Der Autor des "Skandalbuchs" ist Sohn des hochangesehenen ehemaligen römischen Rabbiners Elio Toaff und Lehrstuhlinhaber an der über alle Zweifel erhabenen religiösen Bar-Ilan Universität in Ramat Gan/Israel...


Weiter: antisemitismus.net/christentum/ritualmord.htm

Category: Italien
Posted 02/21/07 by: admin

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