Als ich gestern Abend (19.2.07) einige pessimistische Bemerkungen von Henryk M. Broder über ein mögliches Eurabia hörte, dachte ich mir, dass er doch ein wenig übertreibt, doch heute musste ich erfahren, dass wir tatsächlich auf dem besten Weg dorthin sind...
Von Karl Pfeifer
Broder hielt gestern vor einem bis zum Rand vollen Saal im Wiener Jüdischen Gemeindezentrum einen Vortrag, der hoffentlich bald veröffentlicht wird. Er wurde im Namen der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) vom Amtsdirektor Raimund Fastenbauer begrüßt, der u.a. darauf aufmerksam machte, dass von Islamischer Seite Einspruch gegen die Einladung an Broder kam und dass die IKG selbst entscheidet, wer in ihrem Gemeindezentrum sprechen darf. Bemerkenswert war sein Hinweis darauf, dass während die IKG gegen den fremdenfeindlichen, antitürkischen und antiislamischen Wahlkampf der FPÖ protestierte, als Vertreter des iranischen Regimes, dessen erster Mann den Holocaust leugnet, in Wien waren, von der Islamischen Gemeinde kein Protest dagegen laut wurde. Tatsächlich war es nicht das erstemal, dass die von Herrn DI Tarafa Baghajati angeführte Muslimische Initiative gegen eine Veranstaltung protestierte. Die nach dem Vortrag abgehaltene und von Samuel Laster (Herausgeber von juedische.at) moderierte Diskussion verlief in beispielhafter Ordnung.
Weil ich interessiert war, Henryk M. Broder in einer ganz anderen Umgebung zu erleben, besuchte ich seinen Vortrag auch heute Abend (20.2.07) in der Städtischen Bibliothek im XIV. Wiener Gemeindebezirk. Auch hier war der Raum voll. Ein Platz in der ersten Reihe war reserviert für Herrn DI Tarafa Baghajati, der, nach dem Broder aus seinem Buch vorlas, sich als erster Diskutant gemeldet hatte. Baghajati hielt ein Koreferat, erzählte von seinen vier Kindern und wie wohl er sich in Österreich fühle, um dann zu leugnen, dass er gegen Broders Vortrag in der Städtischen Bibliothek interveniert hatte. Es sollte sich herausstellen, dass er wieder einmal die Unwahrheit behauptet hatte.
Tatsächlich kam kurz vor Beginn der Veranstaltung von der zuständigen Magistratsabteilung die Weisung, doch auf dem Podium einen zweiten Stuhl für DI Tarafa Baghajati aufzustellen, um aus einer Buchvorstellung eine Podiumsdiskussion zu machen. Die Leiterin der Bibliothek weigerte sich mit Recht dieser Weisung zu folgen und so offensichtlich zu machen, dass die einfachen Regeln des Anstands und der Meinungsfreiheit für die Vertreter der Stadt Wien nicht bindend sind, die in vorauseilendem Gehorsam die angekündigte Vorlesung nicht haben wollten. Diese Vorgangsweise der Magistratsabteilung Nr. 13 bestätigt die ärgsten Befürchtungen von Henryk M. Broder, der mit großer Geduld und Gelassenheit die zum Teil sehr bedenklichen Aussagen einiger Diskutanten anhörte und wo es möglich war beantwortete. Eine Reihe von Diskutanten schien ernsthafte Probleme mit der katholischen Kirche Österreichs zu haben, was zwar nicht Thema des Buches war, doch den aus Deutschland gekommenen jüdischen Schriftsteller zwang, diese Diskutanten zu bitten, doch die Kirche im Dorf zu lassen.
Es gehört zur Ironie der Geschichte, dass fast am Ende der Diskussion, der Träger der Viktor Adlerplakette der SPÖ, Prof. Rudolf Gelbard auf die Doppelzüngigkeit von Herrn Baghajati aufmerksam machen musste.
Es schaut in Österreich offenbar nicht gut aus mit der Meinungsfreiheit, das weiß man auch aus den Urteilen des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes, denn kein anderes Land außer der Türkei wurde so oft wegen Verletzung dieser Grundfreiheit verurteilt wie Österreich. Nach der Veranstaltung gingen einige Zuhörer auf die Leiterin der Bücherei zu und bedanken sich für ihren Mut, die Veranstaltung – so wie angekündigt – durchzuführen.
Weit sind wir in Wien gekommen, dessen Politiker nicht müde werden zu betonen, dass wir hier in einer Weltstadt leben.
"Hurra, wir kapitulieren"
Zu den wohl bedeutensten Neuerscheinungen auf dem deutschen Buchmarkt im Herbst 2006 gehört Henryk M. Broders "Hurra, wir kapitulieren – Von der Lust am Einknicken". Broder beweist sich wieder als messerscharfer Analytiker, der mit spitzer Feder die Dinge beim Namen nennt und die Realität ungeschminkt unter die Lupe nimmt. Und trotz der Ernsthaftigkeit des behandelten Themas, verliert der streitbare Autor nie seine Spritzigkeit...