365 Tage im Jahr: Völker werden noch immer ermordet

Ein Zitat von Martin Niemöller (s.u.) hätte der Leitspruch zum internationalen Holocaust-Gedenken sein können, denn die Gleichgültigkeit der Völker der Welt und ihrer Regierungen in der Nazizeit ermöglichte es, dass die Juden fast ungestört vernichtet werden konnten, bis dann die Alliierten endlich an den Toren der Lager standen...

Nilli Keren, pädagogische Beraterin am "Messua-Institut" in Tel Itzhak, kommentiert in Jedioth

Der internationale Gedenktag soll alle Nationen an ihre Pflicht erinnern, des Holocaust zu gedenken.

- Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Kommunist.
- Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Sozialdemokrat.
- Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschafter.
- Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.

Der internationale Holocaust-Gedenktag muss die Welt daran erinnern, dass wegen der Gleichgültigkeit Völker und Gesellschaften Verbrechen gegen die Menschheit verüben konnten und können, und zwar auf fast allen Kontinenten. Es ist die Aufgabe der aufgeklärten Welt, die Verhaltensregeln völlig zu ändern und die humanitären Werte auf die Probe zu stellen, ohne wirtschaftliche, ethnische oder andere Bewegungsgründe.

Und in Israel haben wir uns viele Jahre mit der Pflege der Erinnerung an die jüdischen Opfer befasst und die anderen Naziopfer fast völlig vergessen. Mehr als den Völkermord in verschiedenen Teilen der Welt zu verurteilen, waren wir damit beschäftigt, einen Vergleich zwischen ihnen und "unserem" Holocaust zu verhindern. Wir haben von allen gefordert, das jüdische Leid anzuerkennen, und dabei das Leid anderer Völker vergessen.

Auch wir haben am internationalen Holocaust-Gedenktag eine besondere Pflicht. Wir müssen unsere Gedanken und unsere Taten der Solidarität mit den anderen Opfern der Deutschen widmen: den Zigeunern, Homosexuellen, Kommunisten, den Völkern der besetzten Länder. Wir müssen uns für die Opfer von Massenmorden einsetzen, die jetzt, in diesen Tagen begangen werden, und sie mit allen Mitteln bekämpfen. Primo Levy schrieb: "Alle Menschen müssen in der Geschichte der Konzentrationslager ein Zeichen für die Gefahr sehen, die am Horizont lauert". Dies sollte uns allen als Warnsignal dienen, 365 Tage im Jahr."