Es hätte alles so schön sein können, jedenfalls aus Sicht der Parteispitze: Da schien der drohende finanzielle Bankrott des rechtsextremen Front National (FN) soeben abgewendet und die Nachfolgefrage für den inzwischen 80jährigen Jean-Marie Le Pen "endlich", in seinem Sinne, auf eine Klärung in absehbarer Zukunft zuzusteuern. Und dann platzt eine Negativschlagzeile frisch herein. Ausgerechnet die "Hoffnungsträgerin" der rechtsextremen Partei, die aktuell 40jährige Marine Le Pen, betreffend...
Von Bernard Schmid, Paris
Am 3. Oktober enthüllte die linksliberale Pariser Tageszeitung 'Libération', wem der Vorsitz des neuen Unterstützerclubs für die Kandidatin auf den Chefposten in der Partei – "Association Energie Bleu Marine" (ungefähr: "Vereinigung Marineblaue Energie") – anvertraut worden ist. Es handelt sich um niemand anderen als den früheren ultraradikalen Neonazi-Rockmusiker Robert Ottaviani, den gut eine Woche zuvor die rechtsextreme Wochenzeitung 'Minute' interviewt und vorgestellt hatte. Daraufhin hatte 'Libération' prompt zu überprüfen begonnen, mit wem man es bei ihm genau zu tun hat.
Laut der Präsentation durch 'Minute' war der heute 38jährige von 1993 bis 96 stellvertretender Vorsitzender der rechtsextremen Partei-Jugendorganisation FNJ (Front national de la jeunesse) gewesen. Bei der Spaltung des FN 1998/99 sei er der "Dissidenten"fraktion unter Bruno Mégret gefolgt. Nach deren Misserfolg habe er zunächst die Politik aufgegeben, in die er nun zurückkehre – an der Spitze des Unterstützerclubs für Marine Le Pen, ohne aber (bisher) erneut Parteimitglied des Front National geworden zu sein. Dies bestätigt die aktuell gehegte Vermutung, dass Marine Le Pen eifrig dabei zu sein scheint, das Kaderpotenzial des gescheiterten Mégret-Parteiprojekts MNR (Mouvement national républicain) abzuschöpfen.
Doch was 'Minute' nicht schrieb, setzte nunmehr 'Libération' hinzu: Ottaviani war in den 1990er Jahren auch der Sänger der Neonazi-Band 'Ultime Assaut' (Letzter Sturm), die aus der Skinheadbewegung hervorging. Nicht wirklich salonfähig wird man mit dieser Referenz: Die Band, die zur – unter Rechtsradikalen damals beliebten – Stilrichtung 'Rock identitaire français' (RIF) gehörte, sang in einem ihrer bekanntesten Titel eine Lobeshymne auf die französischen SS-Rekruten der Truppe LVF ("Legion der französischen Freiwilligen"). Diese freiwilligen Kämpfer dienten damals in der deutsch-französischen SS-Division Charlemagne (Karl der Groe). Das Videoclip der Neonaziband 'Ultime Assaut', in dem diese Truppe besungen und verherrlicht wird, zeigt u.a. Bilder von der Abfahrt der LVF- "Legionäre" an die Ostfront im Jahr 1941 sowie von der öffentlichen Großveranstaltung der LVF in Paris 1942.
Auf Nachfrage von 'Libération' hin dementierte Robert Ottaviani nun, dieser Band jemals angehört zu haben. Doch die Tageszeitung fand den ausdrücklichen Hinweis auf seine Zugehörigkeit zur (und seine Funktion innerhalb der) Neonaziband in früheren Ausgaben des internen Mitteilungsblatts der FNJ-Sektion im Département Essonne, im südlichen Pariser Umland, wo Ottaviani in den frühen 1990er Jahren aktiv war. Dort steht es schwarz auf wei gedruckt.
Nun versteht man auch besser, warum Marine Le Pen jüngst in einem, am 16. September eigens veröffentlichten, Pressekommuniqué die zuvor verbreitete Kurzmeldung der Wochenzeitung 'Minute' über die bevor stehende Gründung ihres Unterstützerclubs noch energisch dementiert hatte. Bei der Veröffentlichung dieser Nachricht handele es sich lediglich um den Versuch, ihr Schaden zuzufügen, hatte sie behauptet. Mutmaßlich hat sie den Skandal kommen sehen. Nun ist er da!
Französische extreme Rechte:
Umgruppierungen und Vorbereitungen auf ein munteres Parteien-Sterben
Jean-Marie Le Pen erwägt erstmals offiziell seinen Abgang aus der aktiven Politik, und von der Spitze des Front National (FN). Eine abschließende Regelung der bislang noch umstrittenen Nachfolgefrage - in seinem Sinne - deutet sich an. Der FN könnte damit unter Umständen aus der tiefen inneren Zerrissenheit und aus der Krise, in die er seit über einem Jahr schlitterte, herauskommen...