In österreichischen Wahlkämpfen tritt das permanent schwelende Stammtischthema, wer denn nun "wir richtigen Österreicher" und wer "die anderen" seien, in rechten Slogans und – auch auf der nominellen Linken zu findenden – Politikversprechungen zu Tage...
Von Elisabeth Kübler
1970 ließ sich der damalige ÖVP-Bundeskanzler Josef Klaus (erfolglos) als "echter Österreicher" plakatieren; die Anspielung auf die jüdische Herkunft seines Konkurrenten Bruno Kreisky (SPÖ) wusste der gelernte Österreicher zu deuten. Auch im Wiener Gemeinderatswahlkampf 2001 ging die FPÖ mit Antisemitismus auf Stimmenfang, als Jörg Haider sein Publikum zwischen "Ostküste und Wienerherz" entscheiden ließ. Der österreichische Durchschnittsantisemit kann Codewörter wie "Ostküste" oder Namen wie Stanley Greenberg (Anm.: Wahlkampfberater des Wiener Bürgermeisters Michael Häupl) leicht zuordnen.
Jörg Haiders sogenannte "Ausländerwahlkämpfe" der 1990er Jahren waren beispiellos, sein Nachfolger Heinz-Christian Strache setzt sie fort. Im Jahr 2006 mit einer Kampagne gegen einen möglichen EU-Beitritt der Türkei angereichert, im diesjährigen Nationalratswahlkampf greift er das zentrale Thema Teuerung und Verteilungsgerechtigkeit auf. Jedes Mal agitiert die selbsternannte "soziale Heimatpartei" gegen MigrantInnen, MuslimInnen, AsylwerberInnen; dagegen, dass "wir Österreicher bald fremd in unserer eigenen Heimat" werden.
Der rechte Rand, der in Österreich gar kein so randständiges Dasein führt, muss jubeln, wie konsequent seine Hetzparolen von den Großparteien SPÖ und ÖVP in immer rigideres Fremdenrecht und in eine rücksichtslose Abschiebepraxis übersetzt werden.
Wie zu Erwarten machte sich im ganzen Lande Betroffenheit breit, als das vierzehnjährige Mädchen Arigona Zogaj aus ihrer Schule in einem oberösterreichischen Dorf gerissen und mit ihrer Familie in den Kosovo abgeschoben werden sollte. Als erwachsene afrikanische Männer im Zuge polizeilicher Amtshandlungen und ihrer Abschiebungen zu Tode gefoltert wurden, war die Empörung wesentlich verhaltener.
Die Opfer dieser Politik, die Objekte des "mir-san-mir"-Hasses sind jeglicher politischer Mitbestimmung und somit auch jeglicher Möglichkeit, ihre Situation zu verbessern, beraubt. Nur gesetzliche Rahmenbedingungen können die Lage von AsylwerberInnen und MigrantInnen ändern. Herzerwärmende Hilfsaufrufe im Rahmen vorweihnachtlicher Spendengalas sind kein probates Mittel. Langjähriger Aufenthalt in Österreich, zumal die Verrichtung katastrophal entlohnter Arbeit und somit auch der Beitrag von Steuern und Abgaben für den Wohlfahrtsstaat, müssen zum Recht (und nicht nur zur Pflicht) auf Integration und politische Partizipation führen.
Der Wiener Sozialwissenschafter Alexander Pollak setzt sich seit Jahren mit Bleiberecht und Wahlrecht für Nicht-StaatsbürgerInnen auseinander und hat im Frühjahr 2008 die Kampagne "Bleiberecht für alle" gestartet, die aus aktuellem Anlass um "Wahlrecht für alle" erweitert wurde. Alexander Pollak geht dabei von einem Demokratiebegriff aus, der sich nicht in Urnengängen erschöpft. Jede/r ist zum Mitmachen aufgefordert, Grundlage ist die offene Deklaration. Unter dem Titel "
Fensterpolitik" kann jede/r Einzelne die Schnittstelle zwischen Privatsphäre und öffentlichem Raum, nämlich das Fenster, als Ort für politische Forderungen und Diskussionsanregungen bestimmen.
Die Plakativität von "Fensterpolitik" konterkariert den Schilderwald wahlwerbender Parteien.
Pollak vertreibt auf der Kampagnen-Website die Schriftzüge "Bleiberecht für alle" und "Wahlrecht für alle" auf Klebefolie zum Selbstkostenpreis. "Fensterpolitik" wird laufend auf neue Formen der Exklusion reagieren, UserInnen sind eingeladen ihre Ideen zu artikulieren.
Elisabeth Kübler ist Politikwissenschafterin und lebt in Wien. Sie ist Autorin der Studie "Antisemitismusbekämpfung als gesamteuropäische Herausforderung / Eine vergleichende Analyse der Maßnahmen der OSZE und der EUMC". UNI PRESS Hochschulschriften Bd. 148, LIT Verlag, Wien 2005, Euro 25,60.