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Judentum und Israel
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"Nur ka jüdische Hast"

Ob ich als Kind während der Ersten Republik Antisemitismus in der Volksschule im Badner Helenental. gespürt hätte, wurde ich einmal gefragt. Ich habe geschildert, wie ich nach der Religionsstunde beschuldigt wurde, Jesus gekreuzigt zu haben. Ich wurde zwar beschimpft, jedoch nie geschlagen. In der Regel wurde es still, wenn der Lehrer die Klasse betrat, wenn es aber ausnahmsweise laut war, dann brauchte der Lehrer nur zu fragen „Sind wir in einer Judenschule?“ und sofort kehrte Ruhe ein...

Von Karl Pfeifer

Solche Sprüche gehörten wie der Antisemitismus zum guten Ton in der ersten Republik. In der Zweiten Republik, welche erst entstehen konnte, nachdem das „willenlos gemachte Volk“ in Moskau die Zusicherung erhielt, ein Opfer des Nationalsozialismus gewesen zu sein, bekannte sich lediglich der Gründer der ÖVP Leopold Kunschak im Dezember 1945 zu seinem lebenslangen Antisemitismus. Zwei Jahre später verneinte der sozialistische Bürgermeister von Wien, dass es Antisemitismus in Wien gibt und seither deklarieren alle österreichischen Politiker, sie hätten nichts mit Antisemitismus zu tun. Doch die Wirklichkeit schaut anders aus. Robert Knight gebührt das Verdienst, dokumentiert zu haben, wie österreichische Politiker unter sich über Juden sprachen.

Im Mai 1987 hatte der Linzer Vizebürgermeister Carl Hödl (ÖVP) im Zusammenhang mit der Kritik an Bundespräsident Kurt Waldheim ganz in der Tradition des christlichen Antisemitismus in einem Brief an den Präsidenten des Jewish World Congress (JWC), Edgar Bronfman geschrieben „Ihre Behauptungen sind so zu werten wie die ihrer Glaubensgenossen vor 2000 Jahren, die in einem Schauprozeß Jesus Christus zum Tode verurteilen ließen..." Hödl wurde deswegen nicht gemaßregelt, er konnte noch bis Jahresende, bis zu seiner Pensionierung im Amt bleiben.

Nina Horaczek zitiert im gestrigen Falter die Presse: „Der Bundeskanzler lud die internationale Presse ins Kanzleramt: „Wo einst sein Vorbild Bruno Kreisky zum Pressefoyer gebeten hat, spielt Alfred Gusenbauer salopp den Hausherrn: ‚Nur ka jüdische Hast’, ruft er hinein ins Stimmengewirr. Der weitläufige Politiker, soeben zurückgekehrt von einer ausgedehnten Lateinamerika-Reise fühlt sich ganz in seinem Element“, war am Wochenende im „Spectrum“ der Presse zu lesen.“

Horaczek zitiert den Duden: „Die Wendung bezieht sich auf das Vorurteil von einer besonderen Betriebsamkeit oder Hast jüdischer Händler oder Kaufleute, wenn es darum geht, ein Geschäft abzuschließen“, steht dort unter dem Stichwort „jüdische Hast“. Sie kommentiert: „Aber in Österreich nimmt man so etwas sportlich“. Wie wahr.

Dafür werden wir bald wieder einige Betroffenheitsreden hören, denn es naht der Jahrestag des Wiener Novemberpogroms. Und man wird wieder einmal den großen Verlust beklagen, welche die österreichische Kultur erlitt, als man die Juden verjagte.

Als einer der wenigen österreichischen Juden, die hierher bereits sechs Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs zurückgekehrt sind, muss ich Dr. Gusenbauer dankbar sein, dass er mich wieder erinnert hat, wohin ich zurückkam und wo ich lebe. Ich werde noch bis an mein Lebensende die Bemerkung hören müssen: „Nur ka jüdische Hast.“.

Category: Österrreich
Posted 06/12/08 by: admin



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