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Zweierlei Redefreiheit
Quod licet Jovi, non licet bovi, was Jupiter erlaubt ist, steht dem Ochsen noch lange nicht zu. Diesen Spruch habe ich vor langer Zeit gelernt und seither erfuhr ich, dass es wenige Menschen gibt, die ihre Prinzipien ausnahmslos für alle gelten lassen. Nehmen wir das Prinzip der Redefreiheit, das in den angelsächsischen Ländern postuliert wird. Liberale englische und amerikanische Journalisten kritisieren Österreich, weil hier – aufgrund unserer Geschichte – die Redefreiheit beschränkt und die Leugnung beziehungsweise Verharmlosung der NS-Verbrechen verboten ist und David Irving deswegen zu einer Haftstrafe verurteilt wurde...
Von Karl Pfeifer
Noch größere Stürme der Entrüstung hat das Telefonat zweier jüdischer Funktionäre in den USA ausgelöst, die das polnische Konsulat anriefen, um sich zu erkundigen, ob der Historiker Tony Judt dort bei einer Veranstaltung sprechen werde.
Tony Judt lehrt europäische Geschichte an einer New Yorker Universität. Judt, der früher zionistischer Aktivist in seinem Geburtsland England war, ist enttäuscht vom Zionismus und vom Staat Israel. Er zog die Konsequenz, dass "die Herrschaft des Rechts, die Macht der westlichen Staaten und die internationale Diplomatie" besser die Sicherheit der Juden garantieren als ein jüdischer Staat. Israel, erklärte Judt, hat "das charakteristisch spät- im neunzehnten Jahrhundert – separatistisches Projekt in eine Welt importiert, die sich weiter bewegte, eine Welt der individuellen Rechte, offene Grenzen und internationales Recht" und muss eher früher als später in "einen einheitlichen, integrierten binationalen Staat der Juden und Araber, der Israelis und Palästinenser" transformiert werden.
Neu sind diese Ideen nicht, warum eigentlich die schiitischen mit den sunnitischen Arabern im Irak anscheinend nicht friedlich leben und warum Serben und Albaner nicht in einer Gesellschaft im Kosovo leben können, solche Fragen stellt Judt nicht. Auf alle Fälle, die Tatsache, dass zwei jüdische Funktionäre sich höflich erkundigten, ob denn Judt einen Vortrag halten würde, und dass darauf das polnische Konsulat diesen ausgeladen hat, empörte führende Intellektuelle, als eine Verletzung der Redefreiheit. Sie haben am 16. November in der "New York Review of Books" in einen offenen Brief Abraham H. Foxman, Direktor der Anti-Defamation League ADL gerügt.
Interessanterweise veröffentlichte am gleichen Tag die Tageszeitung "New York Sun" Auszüge aus einer Rede, die Sir Harold Evans, langjähriger Chefredakteur der "Sunday Times" und der Londoner "Times" am 13. November gehalten hat. (http://www.nysun.com/pf.php?id=43660).
Sir Harold schilderte, was in diesem Jahr beim von der (links-liberalen Tageszeitung) Guardian gesponserten Hay-on-Wye Festival geschah, als fünf Personen am Podium darüber diskutierten "Gibt es irgendwelche Grenzen für die Redefreiheit?" Ein moslemischer Podiumsdiskutant sagte, wenn jemand seine Religion beleidigte, dann würde er ihn schlagen. Der Rechtsanwalt Anthony Julius [der im Prozess David Irving gegen Deborah Lipstadt und Penguin Verlag, diese verteidigte] antwortete, dass die Juden als Minderheit unter zwei mächtigen Hegemonien lebten, unter Christen und Muslimen, und dass sie gezwungen waren zu lernen wie man gewaltlos mit Beleidigungen umgeht, die ihnen die heiligen Schriften beider verursachten.
Er begann mit dem Zitat einer antisemitischen Stelle im Neuen Testament – was ohne Kommentar durchging. Doch als er anfing die Stellen aus den Koran zu zitieren, die Juden als Affen und Schweine verunglimpfen, wurden die Podiumsdiskutanten wütend. Eine von ihnen, Madeleine Bunting vom Guardian, hielt ihre Hand vor das Mikrophon und sagte sinngemäß, "Ich werde nicht hier sitzen und irgendeine Kritik an Muslimen anhören." Sie erhielt Beifall, und keiner der rechten oder linken Journalisten unter den Zuhörern verteidigte die Redefreiheit – nicht die Hassrede – des sehr gemäßigten Anthony Julius. Soweit Sir Harald.
Man hat sich zwar in den links-liberalen Medien sehr aufgeregt, über den höflichen Anruf zweier jüdischer Funktionäre in den USA, der dazu geführt hat, dass Judt vom polnischen Konsulat ausgeladen wurde. Die Tatsache, dass einem prominenten britischen Verteidiger der Redefreiheit, diese nicht gewährt wird, das scheint den gleichen Intellektuellen selbstverständlich zu sein.
Man darf zwar über Israel und "die Zionisten" alles sagen und gleichzeitig darüber jammern, dass die angeblich mächtige "zionistische Lobby" jeden Kritiker als Antisemiten hinstellt. Juden dürfen sich jedoch nicht beschweren über Beleidigungen und Verunglimpfungen, ein prominenter Jude darf – in Großbritannien, das so stolz auf die Redefreiheit ist - nicht einmal aus dem Koran zitieren. Quod licet Muslime non licet Juden.
Posted 11/20/06 by:
admin
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