Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat am vergangenen Donnerstag Karl Pfeifer Recht gegeben und die Republik Österreich – und damit indirekt auch Andreas Mölzer und seine Zeitung "Zur Zeit" – verurteilt...
Von Wolfgang Machreich, Die Furche v. 15.11.2007
Keine gute Woche in Straßburg für den FPÖ-Europaabgeordneten Andreas Mölzer: Nach dem Austritt der Abgeordneten der Groß-Rumänien-Partei ist gestern die EU-Rechtsaußen-Fraktion, der auch Mölzer angehört, offiziell aufgelöst worden. Die Fraktion verfügt nicht mehr über die erforderliche Mindestzahl von 20 Mitgliedern und "existiert nicht mehr", sagte der Vizepräsident des Europaparlaments, Edward McMillan-Scott, im Plenum des Europäischen Parlaments. Von den übrigen Abgeordneten wurde die Auflösung der Fraktion "Identität/Tradition/Souveränität" mit tosendem Applaus begrüßt.
Und heute gibt es eine zweite Niederlage für Mölzer: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat am vormittag Karl Pfeifer Recht gegeben und die Republik Österreich – und damit indirekt auch Andreas Mölzer und seine Zeitung "Zur Zeit" – verurteilt.
Der Grund für den Rechtsstreit liegt schon zwölf Jahre zurück: Karl Pfeifer - Journalist in Wien, pensionierter Mitarbeiter der Israelitischen Kultusgemeinde und gelegentlicher Furche-Autor – hat 1995 einen Text des zuletzt in Münster lehrenden Wissenschafters Werner Pfeifenberger aus dem FPÖ-"Jahrbuch für politische Erneuerung" der "Nazidiktion" bezichtigt und als "alte Nazimär von der jüdischen Weltverschwörung" abgetan. Im Jahr 2000, kurz vor dem Beginn eines Gerichtsverfahrens, in dem Pfeifenberger der NS-Wiederbetätigung angeklagt werden sollte, beging dieser Selbstmord.
In Mölzers "Zur Zeit" wurde daraufhin behauptet, Pfeifer habe als Teil einer "Jagdgesellschaft" gegen Pfeifenberger eine "Menschenhatz eröffnet, die in der Folge bis zum Tod des Gehetzten gehen sollte". Mit Pfeifenbergers Suizid in Zusammenhang gebracht zu werden, wollte sich Pfeifer nicht bieten lassen. Er klagte den Artikel-Verfasser, einen gewissen "Erwin Steinberger", hinter dem sich – wie sich später herausstellte – ein Pseudonym verbarg, das man bei "Zur Zeit" nicht lüften wollte.
Im März 2001 bekam Pfeifer vom Wiener Landesgericht eine Entschädigung von 50.000 Schilling (3.634 Euro) zugesprochen: Die "Zur Zeit"-Behauptung wurde als üble Nachrede verurteilt. Diese Entscheidung wurde ein halbes Jahr später jedoch im Berufungsverfahren vom Wiener Oberlandesgericht wieder aufgehoben. Das OLG begründete damals die Korrektur mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung.
Das siebenköpfige Straßburger Richtergremium hat dieses Wiener-OLG-Urteil nun als Fehlurteil qualifiziert und sieht mit fünf Pro- und zwei Gegenstimmen in diesem Urteil gegen Karl Pfeifer eine Missachtung des Artikel 8 (Recht auf Schutz des Privatlebens) der Europäischen Menschenrechtskonvenion. Die "Zur Zeit"-Beschuldigungen lassen sich nicht mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung rechtfertigen, schreiben die Richter in ihrem Urteil, beschuldigen sie Pfeifer letztlich doch einer kriminellen Handlung, ohne diese schwerwiegenden Vorwurf mit Fakten untermauern zu können. Für den materiellen und immateriellen Schaden wurde Pfeifer eine Entschädigung von 15.000 Euro zugesprochen.
Anfang der Woche hatte mir Karl Pfeifer in einem E-Mail noch seine Befürchtung mitgeteilt: "Ich fürchte sehr, dass das Recht von "Zur Zeit" und Andreas Mölzer ihre Hasstiraden und Unwahrheiten zu verbreiten mehr zählt als mein Recht." Die Angst war unbegründet, die Straßburger Richter haben Pfeifer und nicht Mölzer Recht gegeben.
Das Urteil im Wortlaut
Hintergrund:
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