"Seit 2003 marschieren pünktlich zur Weihnachtszeit hunderte Rechtsextreme durch Berlin, um für ein so genanntes "Nationales Jugendzentrum" zu werben. Sie fordern einen Treffpunkt nur für 'Deutsche' - sie wollen damit ein Jugendzentrum, welches Jugendliche, die anders denken oder anderer Herkunft sind, ausschließt. Wir aber stehen für eine tolerante Gesellschaft und für offene, plurale Jugendclubs!", so der Aufruf des Bürgerbündnisses...
Von Hort Mühle
Lautstark und bunte war die Teilnahme der Gegendemonstranten nach dem Slogan "gemeinsam für Vielfalt und Demokratie und gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus stehen!" Über 1600 Polizeikräfte waren eingesetzt um die ca. 600 "Nationale Sozialisten" durch den Berliner Wohnbezirk Lichtenberg zu führen. Brennende Container, sowie Steh- und Sitzblockaden behinderten die Demonstation der "nationalen Kräfte" und ihre geplante Route durch den "Weitlingkiez", die angestammte "Nazi-Hochburg" in Lichtenberg, mußte abgebrochen werden.
"Insgesamt nahm die Polizei 86 Personen fest, davon 80 der linken Szene zuzuordnende Männer und Frauen. Fünf davon wurden einem Richter vorgeführt. Elf mal wurden Personalien festgestellt und insgesamt 185 Platzverweise ausgesprochen", so der Polizeibericht am Sonntag.
Bereits zu Beginn gab es eine Verzögerung des Nazi-Marsches. Unter dem Hinweisschild am S-Bahnhof Karlshorst nahmen die Rechten Aufstellung. Ein antifaschistischer Aktivist war an dem Licht- und Schildermasten hochgeklettert und rollte, nach seiner vergeblichen "polizeilichen Rettungsaktion" über dem Plakat "Berlin gegen Nazis" im Klettrergeschirr hängend, Transparente aus seinem Rucksack aus. Die Blicke aller gingen nach oben. Der Aufzug setzte sich schließlich polizeilich behütet mit 1,5 stündiger Verspätung gegen 12:30 in Bewegung. Demogitter begleitet erreichte der Aufzug mit Slogans für ein "nationales Jugendzentrum" den Abzweig am Tierpark, dem ersten verbotenen Demopunkt des "Lichtenberger Aktionsbündnisses".
Von da an war für die "Freien Kameradschaften" Warten die Pflichtübung. Zivilgesellschaftliche Akteure übten sich in zivilem Ungehorsam und behinderten mehrmals hintereinander mit Steh – und Sitzblockaden. An anderen Stellen wurden Glascontainer in Brand gesteckt. Die in Stellung gebrachten Wasserwerfer kamen zum Einsatz. Einige Blockierer wurden wegen Nötigung bzw. Landfriedensbruch dem polizeilichem Gewahrsam zugeführt.
Auf der von der Polizei abgedrängten Demonstrantenseite bildeten polizeiliche Kleinbusse, Stoßstange an Stoßstange fahrend und zusätzlich mit behelmten Einsatzkräften flankiert, ein uneinnehmbar wirkendes Schutzschild für die Nazidemo. Slogans wie "Nationaler Sozialismus" waren öfters zu vernehmen. Bei Auftauchen der Israelfahne auch "Nie, nie wieder Israel".
Gegen 15:30 Uhr stand der Nazidemoblock zum wiederholten Mal – die Gegendemonstration am nordwestlichsten Punkt der Naziroute im Weitlingkiez ca. 2 Kilometer vom aktuellen Blockadeort
entfernt, war schon im Gange. Es kam zu Verhandlungen zwischen Polizeieinsatzleitung und lokalen und landespolitischen Akteuren, um auf die Blockierenden einzuwirken, die Kreuzung frei zu machen. Das polizieliche Kalkül: An diesem Kreuzungspunkt die Nazidemo abbiegen zu lassen, um einen kürzeren Weg zur Abschlußkundgebung in Friedrichsfelde Ost zu nehmen können.
Schließlich kam es zur Räumungsaufforderung und Abräumen mit einigen Leichtverletzten, einigen Gewahrsamnahmen unter heftigstem Protest der von Polizeikräften abgedrängten Gegendemonstranten. Als eine der ersten wurde die Bezirksbürgermeisterin Berlin-Lichternbergs, Frau Emmerich herausgelöst, sichtlich aufgebracht, dass die Gegenproteste vielerorts im Bezirk erschwert und behindert wurden. Als einer der letzter der Sitzblockierenden wurde Hans Coppi, Sohn von Hilde und Hans Coppi von der Widerstandsgruppe "Rote Kappelle" und Vorsitzender der Berlin VVN-BdA, weggetragen.
In ihrer Pressemitteilung des "Lichtenberger Aktionsbündnisses" wurde der "martialische Einsatz der Polizei, die den gespenstigen Naziaufmarsch mit einem enormen Aufwand an Personal und Technik begleitet" sowie das Nichteinschreiten der Polizei bei den rassistischen und antisemitischen Sprechchöre der Nazidemonstranten scharf kritisiert. Der Aufmarsch endete nach unsäglichen Reden zum "nationalen Widerstand" gegen 17 Uhr.

Kurt Gutmann, Jude und Überlebender ließ sich von der Polizei nicht abdrängen
Alle Bilder: © Kappa Photo