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Offener Brief des AK Distomo an die KZ-Gedenkstätte Neuengamme

Anlässlich der faktischen Kündigung eines kritischen Mitarbeiters sowie der verweigerten Auseinandersetzung um die Zusammenarbeit zwischen Gedenkstätte und deutschem Militär...

An die Leitung der Gedenkstätte und die Leitung der pädagogischen Abteilung, Dr. Detlef Garbe und Herbert Diercks

Lieber Detlef Garbe, lieber Herbert Diercks,

wir wählen diese öffentliche Form der Ansprache, weil wir uns auf die allgemeinpolitische, öffentlich zu verhandelnde Dimension des aktuellen Konflikts in der Gedenkstätte beziehen, die faktische Kündigung eines freien Mitarbeiters, der Kritik an der Zusammenarbeit der Gedenkstätte mit der Bundeswehr übte und darüber eine Diskussion sowie insbesondere die Beteiligung der Überlebendenverbände einforderte. Wir gehen davon aus, dass der freie Mitarbeiter Olaf K. dort bald wieder tätig wird und die Gedenkstätte von einer Sanktionierung nach Gutsherrenart absieht.

Unabhängig davon, wie der interne Konflikt sich weiterentwickelt, ist durch diese Krise die Notwendigkeit einer politischen Debatte über die Ausrichtung von Gedenkstätten mehr als deutlich geworden. Die Gedenkstätte Neuengamme gehört nicht denjenigen, die dort oder in den Behörden auf festen Stellen sitzen.

Der Arbeitskreis Distomo unterstützt seit einigen Jahren Opfer der NS-Herrschaft bei ihren Forderungen nach Entschädigungen für die an ihnen oder ihren Angehörigen begangenen Verbrechen in Griechenland, Italien, Polen und Slowenien vornehmlich auf juristischer Ebene und durch Öffentlichkeitsarbeit. Wir setzten uns für die Strafverfolgung von NS-Tätern, darunter Massenmördern aus der Wehrmacht, ein und beteiligen uns an den Protesten gegen die Traditionsveranstaltungen der Gebirgsjäger in Mittenwald. In letzter Zeit kam es zur punktuellen Zusammenarbeit mit der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, die einige unserer Veranstaltungen und Aktionen unterstützt.

Jetzt aber ist es notwendig, deutliche Kritik an der zunehmenden Zusammenarbeit mit militärischen Einrichtungen zu üben.

Erinnern und Gedenken ist in den letzten Jahren zur Staatsraison geworden, indem der Bezug zur NS-Vergangenheit darüber hergestellt wird, dass es Aufgabe und sogar besonderer Auftrag der Bundesrepublik sei, weltweit die Geltung der Menschenrechte mit militärischer Gewalt durchzusetzen – dass im Inneren elementare Bürger-, Grund- und Menschenrechte, nicht nur von Flüchtlingen, abgebaut werden, sei nur als zusätzliche Perversion angemerkt. Eine KZ-Gedenkstätte sollte ein Ort sein, an dem in der lebendigen, auch streitbaren Auseinandersetzung mit Überlebenden und Angehörigen, die sich „Nie wieder Krieg!“ als Losung erkoren, die Kritik dieser perfiden Instrumentalisierung geleistet wird.

Die Arbeit einer KZ-Gedenkstätte, insbesondere in der täglichen Begegnung mit Jugendlichen und Erwachsenen, sollte durch kontinuierliche Kritik den politischen Geist wach zu halten, um nicht nur über die Vergangenheit zu reflektieren, sondern um auch aktuellen Entwicklungen entgegentreten zu können: insbesondere dem Rechtsextremismus, jeder Form von Rassismus und Antisemitismus und anderen Vorurteilen und Ressentiments, die auch heute zur Diskriminierung und Ausgrenzung unerwünschter sozialer Gruppen führen. Aus unserer persönlichen Bekanntschaft mit einigen der Guides, darunter auch Olaf K., wissen wir, dass diese nicht leichte Aufgabe mit Engagement und auf hohem Niveau geleistet wird. Wir konnten dies letztes Jahr bei einem Besuch der Gedenkstätte mit einem italienischen Militärstaatsanwalt, der Verfahren gegen einige ehemalige Wehrmachtsangehörige führt, wieder feststellen.

Genauso gehören eine kritische Auseinandersetzung mit politischen Entwicklungen, die von vielen schon als Normalität angesehen werden, zu den Aufgaben einer Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus: die Militarisierung der Außenpolitik und der zunehmende Einsatz der Bundeswehr im Inneren, beispielsweise im Heimatschutz. An Stelle einer Kooperation mit dem Militär oder auch mit einzelnen SoldatInnen wären die Bezugnahme auf die Wehrmachtsdeserteure und grundsätzliche Kritik von Militarismus sowohl auf gesellschaftlicher Ebene als auch in Bezug auf die Zurichtung des oder der Einzelnen zum bzw. zur Befehlempfänger/in angemessen. Andere Themen wären die Aushöhlung des Leitbilds der „Inneren Führung“ im Zuge der Kampfeinsätze und die zunehmend geforderte Rückkehr zum Ideal des „Kämpfertyps“ mit all seinen soldatischen Tugenden oder die trotz Traditionserlass praktizierte Traditionsbildung in Anlehnung an die Wehrmacht in Orten wie Mittenwald. Die Liste ließe sich fortsetzen.

Durch die Zusammenarbeit mit der Bundeswehr, die lange keine Verteidigungsarmee mehr ist, betreibt die Gedenkstätte aktiv die Gewöhnung an einen neuen Militarismus.

Wir fordern die KZ-Gedenkstätte auf, die bislang verweigerte öffentliche Diskussion um ihre Konzeption nachzuholen. Eine mit der Bundeswehr ausgerichtete Tagung wie im Oktober 2007, die die enge Kooperation schon als Ziel setzt, halten wir für keine Grundlage einer Diskussion. Sollte es in diesem Jahr zu keiner solchen Veranstaltung kommen, sehen wir uns genötigt, diese selbst auszurichten.

Unser Schreiben schicken wir zur freundlichen Kenntnisnahme befreundeten Organisationen, Gruppen und Personen, die sich ebenfalls der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit widmen. In der Hoffnung, nie eine Vereidigung auf dem Appellplatz sehen zu müssen, verbleiben wir mit antifaschistischen Grüßen,

AK Distomo, Hamburg

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Foto: Raphael H., Wehrdienstverweigerer

Neuer Skandal in KZ-Gedenkstätte Neuengamme:
Guide ist nicht gleich Guide
Viele Bundeswehrsoldaten besuchen die KZ-Gedenkstätte Neuengamme. Dass nun ein Bundeswehrangehöriger selbst Besucher herumführen soll, verärgert die dort wirkenden freien Museumspädagogen. Einem kündigte die Gedenkstätte nun...

Langjähriger Mitarbeiter gechasst:
Eine Erklärung der Arbeitsgemeinschaft Neuengamme
Aktueller Anlass dieser Erklärung ist die Einstellung eines Bundeswehrsoldaten als freier museumspädagogischer Mitarbeiter in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme. Im Rahmen dieser Arbeit wird er als Repräsentant der Gedenkstätte auftreten und die Geschichte des Konzentrationslagers und der Häftlinge an Schulklassen aber auch an Bundewehrgruppen vermitteln...

Weiter Protest:
Zum Vorgehen des Hamburger Museumsdiensts
Protestschreiben des Mauthausen Komitees Stuttgart an die Leitung der KZ-Gedenkstätte Neuengamme ...

Category: General
Posted 06/23/08 by: admin

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