Vor drei Jahren gründete ein Geschäftsmann in Schweden eine Stiftung mit dem wolkigen Namen "Kontinent Europa". Nach und nach stiegen bekannte Rechtsextreme aus mehreren europäischen Ländern in Führungspositionen der Organisation auf. Heute geben vor allem deutsche Rechtsextremisten den Ton an, während der Stiftungsgründer mit der schwedischen Justiz zu tun hat: wegen Steuerhinterziehung zu einer Haftstrafe verurteilt, sieht er der Berufungsverhandlung entgegen...
ak, redok v. 27.07.2007
Der Schwede Patrik Brinkmann ist ein vielseitig interessierter Mensch. Der 40-jährige Geschäftsmann aus Jönköping war seit den 1980er-Jahren unter anderem in der Baubranche und im Immobiliengewerbe tätig; als Gründer einer Aktiengesellschaft "Wiking Mineral" beschäftigte er sich auch mit Erzabbau.
Doch in den frühen 1990er-Jahren verließ ihn offenbar das geschäftliche Glück, denn einige seiner Unternehmen gingen bankrott. Später hatte er auch die Steuerfahndung auf den Fersen; im Mai 2006 wurde Brinkmann vom Bezirksgericht Uppsala zu einer Haftstrafe und Berufsverbot verurteilt; ein Berufungsverfahren steht noch aus. Nach dem Prozess in Uppsala übernahmen Ehefrau Svetlana und ihre Kinder nach außen hin die geschäftlichen Aktivitäten, wie das schwedische Magazin Expo berichtete.
Seit ein paar Jahren beschäftigt sich Brinkmann freilich auch mit ganz anderen Themen. Im Jahr 2001 beteiligte er sich in Stockholm an einer Versammlung vor der "Storkyrkan"-Kirche, die von einer fundamentalistischen Gruppierung als Protest gegen homosexuelle Geistliche veranstaltet wurde. Der Schwede mit deutsch klingendem Namen befasst sich zudem mit Ahnenforschung und fahndet etwa nach Familienstammbäumen aus Ostpreußen oder Norddeutschland.
Noch bevor er Probleme mit der Justiz bekam, gründete er im Juni 2004 gemeinsam mit seiner Ehefrau Svetlana ein neues Unternehmen - diesmal jedoch keinen gewinnorientierten Betrieb, sondern eine Stiftung. "Kontinent Europa" hieß die Organisation, die angeblich "Forschungsprojekte" unterstützen sollte, aber zunächst ohne größere Aktivitäten vor sich hindümpelte.
Dann nahm die Stiftung Fahrt auf. Brinkmann nahm einige Herrschaften in Vorstand oder Kuratorium seiner Organisation auf, deren politische Verortung in der extremen Rechten kaum zu übersehen ist.
Neben dem Franzosen Pierre Vial, einem Protagonisten der "Neuen Rechten", rassebiologischem Ideologen und langjährigem Parteigänger des "Front National", tummeln sich vor allem Deutsche in der schwedischen Stiftung:
Gert Sudholt (geb. 1943, Verleger, Inning am Ammersee)
Walter Post (geb. 1954, Historiker, München)
Olaf Rose (geb. 1958, Historiker, Mitarbeiter der NPD-Fraktion Sachsen)
Andreas Molau (geb. 1968, ehemals Lehrer, NPD-Funktionär)
Pierre Krebs (geb. 1946, Leiter des "Thule-Seminars", Kassel)
Viele der deutschen Rechtsextremen in der schwedischen Stiftung kennen sich gut aus der Zusammenarbeit in der "Gesellschaft für freie Publizistik" (GfP), die dem Verfassungsschutz als "größte rechtsextremistische Kulturvereinigung" gilt. Sudholt und Rose gehören dem Vorstand der GfP an, Molau ist seit 2005 GfP-Vorsitzender.
Neben diesen Protagonisten gehören laut den Recherchen von Expo mittlerweile weitere Deutsche den Leitungsgremien der Stiftung "Kontinent Europa" an: der Rechtsanwalt Dankwart Kluge, der Filmemacher Michael Vogt (mit Olaf Rose Autor des Videos "Geheimakte Heß", Honorarprofessor an der Uni Leipzig) und Lutz Dessau (NPD-Funktionär aus Mecklenburg-Vorpommern). Ein weiterer prominenter Name mit Bezug zum deutschen Rechtsextremismus ist der Russe Wjatscheslaw Daschitschew, ehemals Berater von Michail Gorbatschow, der seit Jahren Referent bei der GfP und Autor für die "National-Zeitung" des DVU-Chefs Gerhard Frey ist. Weiteres Vorstandsmitglied ist mittlerweile der Spanier Enrique Ravello, Chef einer neurechten Gruppe "Tierra y pueblo" (Land und Volk), der jüngst seinen Kameraden Molau mit einem Interview in der NPD-Wahlkampfzeitung zur Niedersachsen-Landtagswahl im Januar 2008 unterstützte.
Damit haben sich zwar die Reihen verschiedener Leitungsgremien der Stiftung aufgefüllt, konkrete Aktivitäten bleiben jedoch nach wie vor rar. Als einziges Vorhaben wird offiziell die Förderung eines "Forschungsauftrages" angegeben, der sich mit dem Thema "Der Ostseeraum" befassen soll. Auftragnehmer ist Direktoriumsmitglied Lutz Dessau; der ehemalige Sportreporter Dessau wird bei der Stiftung zu diesem Zweck als "Historiker" vorgestellt, der sich für die Ostsee-Forschung offenbar durch ein Bändchen mit dem Titel "Heißes Pflaster Hindukusch" empfahl, das er 2004 im Eigenverlag herausbrachte.
Die zunächst ebenfalls im Stiftungsvorstand vertretene Svetlana Brinkmann, Ehefrau des Stiftungsgründers, wurde im Februar 2007 von Daschitschew ersetzt. Molau rückte in den Vorstand ein, Sudholt wurde Vorsitzender der Stiftung. Damit wird die Organisation durch die Deutschen-Riege dominiert, die sich nicht nur zufällig aus der GfP kennt. Im März traf man sich im Elsass und verabschiedete hochfliegende Pläne für die "europäische Denkfabrik": Gleich in sechs Sprachen - Spanisch, Französisch, Englisch, Italienisch, Russisch und Deutsch - wollten die Euro-Rechtsaußen "künftig einmal wöchentlich wichtige europäische Nachrichten" veröffentlichen.
Damit hapert es noch, aber im März 2008 will die Stiftung einen "Ersten Europäischen Publizistenkongreß" veranstalten - offenbar wird eine Ausweitung der GfP-Aktivitäten auf europäische Ebene angepeilt. Angeblich hat dazu der Franzose Bruno Gollnisch, führender Funktionär des "Front National" und Vorsitzender der Rechtsfraktion "Identität, Tradition, Souveränität" (ITS) im Europäischen Parlament, seine Teilnahme zugesagt. Im Blick haben sie die Europawahl 2009, für die sie "Themen und Kampagnenmöglichkeiten" erörtern wollen.
Nicht zuletzt durch die Mitgliedschaft von Pierre Vial und Pierre Krebs greift die Stiftung Elemente der "Neuen Rechten" in der Tradition des Franzosen Alain de Benoist auf. Einen deutlichen Schwerpunkt legt sie jedoch auf die Rolle Russlands in Europa: von der "Rückkehr des verlorenen Rußland" erhoffen sich die Stiftungs-Rechten offenbar einen Gegenpol zur "Globalisierung", zur "Vorherrschaft der USA" und zum "Zangenangriff von Islam und Amerikanisierung". Mit der Stiftung wollen sie gar einen "euro-sibirischen Raum" schaffen und "als Mittler, Moderator und vor allem als Initiator eines europäischen Willens agieren".
Ob der frühere Sportreporter Dessau mit seinem "Forschungsauftrag" dazu den entscheidenden ersten Schritt getan hat, bleibt zweifelhaft. Tatsächlich wirkt die bisherige Existenz der "Kontinent Europa Stiftung" ein wenig operettenhaft - zumal ihr Gründer und vermutlicher Geldgeber als "Wirtschaftskrimineller" ("ekobrottsling", so das Magazin Expo) verurteilt wurde.
Doch unterschätzen sollte man auch solche Zirkel nicht, die zwar vor allem als ideologische Formierungsinstitution daherkommen, aber durchaus auch dazu benutzt werden könnten, handfeste Organisationszwecke zu verfolgen.
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