Das Internet-Auktionshaus ebay muss die auf seiner Plattform angebotenen Artikel besser kontrollieren und jugendgefährdende Angebote aktiv verhindern, urteilte heute der Bundesgerichtshof (BGH). Schärfere Kontrolle ist offenbar bitter nötig, wie ein aktuelles Angebot zeigt: Trotz aller Versprechungen in der Vergangenheit für mehr Wachsamkeit wird bei ebay ungehindert ein Propaganda-"Brief aus der Haft" angeboten, den ein österreichischer Neonazi einem Kumpanen geschickt hatte - mit dem Artikelmerkmal "Belletristik & Sachbücher", Ressort "Raritäten"...
redok, 12.07.2007
Bereits vor fünf Jahren hatte der "Interessenverband des Video- und Medienfachhandels in Deutschland" (IVD) wegen wettbewerbswidrigen Handelns gegen ebay geklagt. Der IVD hatte ebay nach eigenen Angaben bereits im Jahr 2000 erstmals darauf hingewiesen, dass auf dessen Auktionsplattform Gewalt verherrlichende und rechtsradikale Medien vertrieben wurden.
Damals wie heute handelte es sich dabei, so der klagende Verband, um Bild- und Tonträger, die entweder Kindern und Jugendlichen nicht angeboten werden dürfen oder deren Handel unter Strafandrohung sogar gänzlich verboten ist. Nachdem laut IVD die Forderung ungehört blieb, derartige Inhalte im ebay-Angebot wirksam zu verhindern, wollte der Verband im Juli 2001 zunächst eine Einstweilige Verfügung erreichen, konnte sich aber weder damit noch später in einem Prozess vor dem Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg durchsetzen.
Die heutige BGH-Entscheidung hebt dieses Urteil auf und verweist es in der Sache an das OLG zurück. Laut dem BGH-Urteil hat ebay zwar "keine unzumutbaren Prüfungspflichten [...], die das gesamte Geschäftsmodell in Frage stellen würden", kann aber grundsätzlich für Angebote jugendgefährdender Medien verantwortlich gemacht werden. Die Beklagte habe "die ernsthafte und naheliegende Gefahr geschaffen" , dass die Internetplattform "von Verkäufern zum Vertrieb indizierter jugendgefährdender Schriften genutzt wird", urteilte der BGH.
Das Auktionshaus muss daher nicht nur dann ein konkretes Angebot unverzüglich sperren, wenn es der Firma bekannt wird, sondern darüber hinaus auch Vorsorge treffen, dass es nicht zu weiteren gleichartigen Rechtsverletzungen kommt. Daher muss ebay nach dem Spruch des BGH nicht nur verhindern, dass die konkret bekannten rechtswidrigen Angebote auch von anderen Anbietern in die Plattform eingestellt werden, sondern auch den Versuch des Anbieters eines bereits gesperrten Artikels, gleichartige, also "nach Kategorie und Medium entsprechende indizierte Werke" anzubieten.
Damit hat der BGH dem Internet-Auktionsveranstalter Mehrarbeit verschafft. Die bisherigen Prüfungen waren - trotz vollmundiger Versprechungen seitens der Firma - keineswegs zufriedenstellend gewesen, wie etwa das Fernsehmagazin Report Mainz im Februar 2006 berichtet hatte. Das Magazin hatte zu den wiederholten Versprechungen von ebay festgestellt: "Und dennoch gibt es Neonazi-Artikel massenhaft und das seit Jahren. Die eBay-Grundsätze gelten offenbar nur auf dem Papier."
Das wurde auch im August 2006 durch einen ebay-Test von redok bestätigt, bei dem wiederum rechtsextreme und antisemitische Artikel unter dem ebay-Dach gefunden wurden. Auch im Neonazi-Weihnachtsgeschäft ist ebay eine beliebte Verkaufsplattform. Und erst heute wurde redok auf ein eindeutiges Angebot bei der österreichischen ebay-Plattform aufmerksam gemacht.
Der oberösterreichische Neonazi Robert Faller (ehemals "Kameradschaft Germania", in jüngerer Zeit Gründer einer "Nationalen Volkspartei", NVP) bietet gemeinsam mit Ludwig Reinthaler einen "Brief aus der Haft" aus der Feder eines inhaftierten Gesinnungsgenossen an und macht im Begleittext per Weblink Werbung für diese NVP. Garniert wird das Angebot auf der ebay-Seite mit einem langen Text des ebenfalls österreichischen Rechtsextremisten Andreas Thierry, der in Baden-Württemberg als stellvertretender NPD-Landesvorsitzender fungiert. Mit diesem Propagandatext wird auf der ebay-Plattform ungeniert zu Spenden für inhaftierte Neonazis aufgerufen, nebst Angabe des Spendenkontos.
Der offensichtliche Fall eines Verstoßes gegen die ebay-Richtlinien wurde heute an das Auktionshaus gemeldet. Neun Stunden später stand der Artikel bei Redaktionsschluss dieses Berichts immer noch im Angebot, versehen mit der vermeintlich salvatorischen Klausel: "Der Verkäufer ist verantwortlich für das Angebot".
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