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     Ein radikaler israelischer Friedensaktivist und 
    Grenzgänger: 
    Uri Avnery wird 85 Jahre alt 
    Von Roland Kaufhold 
    
      
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     " ... Zionist sein, das 
    bedeutete auch, dass einem die Leiden der Juden anderer Länder nicht 
    gleichgültig waren und dass man mit Sympathie an dem Bemühen jener wenigen 
    Pioniere Anteil nahm, die im Nahen Osten ein neues Land aufzubauen suchten 
    (...). Doch der Zionismus rettete uns das Leben. Ich habe das nie vergessen, 
    als ich später ein Nichtzionist, vielleicht sogar ein Antizionist wurde." 
    
    Uri Avnery (1969, S. 9) 
    
    "Während des (1948-er, RK) Krieges verfasste 
    ich gelegentlich auch politische Artikel, in denen ich meine damaligen 
    Gedanken zusammenfasste. In einem solchen Artikel schrieb ich gegen den Hass 
    auf die Araber, den einige Leute hegten. Ich sagte darin, wir seien eine 'Armee 
    der Liebe' - der Liebe zu den Kameraden und der Liebe zum Land - und keine 
    Armee des Hasses." 
    Uri Avnery (2005, S. 10) 
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        Uri Avnery bei einer Demonstration in Tel Aviv, 2002 
        Foto: © haGalil | 
       
     
    Vor 85 Jahren, am 10. September 1923, 
    wurde Uri Avnery unter dem Namen Helmut Ostermann in Beckum/Westfalen 
    geboren. Er war eines von vier Kindern eines jüdischen, vom 
    deutsch-humanistischen Geist geprägten Elternhauses. 
    1913 hatten seine Eltern geheiratet, und 
    ein Freund hatte ihnen aus diesem Anlass gemäß alter zionistischer Tradition 
    eine Urkunde für die Anpflanzung eines Baumes in Palästina geschenkt. Seine 
    Großeltern stammten ebenfalls aus dem Rheinland, sein Großvater war als 
    Lehrer der jüdischen Gemeinde in Beckum tätig. Nach einem Jahr siedelten die 
    Ostermanns nach Hannover über, wo Helmut die Grundschule sowie die 5. Klasse 
    des katholischen humanistischen Kaiserin-Auguste-Victoria-Gymnasiums 
    besuchte. Sein Vater war im Finanzwesen tätig und verfügte über einen 
    gewissen Wohlstand. Sie wuchsen in einem assimilierten deutsch-jüdischen 
    Milieu auf. Ihre Nachbarschaft in Hannover war nicht jüdisch; sie gingen nur 
    an zwei Feiertagen in die Synagoge, dennoch bestand der größte Teil ihrer 
    Freunde aus Juden. 
    Mit neun Jahren trat Helmut der 
    zionistischen Jugendbewegung "Die Werkleute" bei; gemeinsam machten sie 
    Ausflüge, Helmut las alles, was es seinerzeit über Palästina gab, und sie 
    sangen gemeinsam hebräische Lieder, obwohl sie kein Wort vom Text 
    verstanden. Diese frühen Interessen und Identifikationen sollten sich als 
    bedeutsam für seinen weiteren Lebensweg erweisen, erleichterten ihm den Weg 
    nach Palästina: "Also, seelisch waren wir total auf Palästina vorbereitet. 
    Aber, was heute ja keiner mehr wahrhaben will, als Zionisten stellten wir 
    eine winzige Minderheit dar! Damals in Deutschland Zionist zu sein, das war 
    – wie soll ich sagen – so, als wäre man in Israel Maoist" (in: Koppel 2000, 
    S. 134), erinnerte sich Avnery vor acht Jahren an seine Jugend.  
    Als Helmut Ostermann – der sich mit 
    Erreichen seines 18. Lebensjahres in Israel in Uri Avnery umbenannte – in 
    das dortige, zum ganz überwiegenden Teil katholische Gymnasium wechselte, 
    machte er eine Bekanntschaft, die sich Jahrzehnte später als bedeutsam 
    erweisen sollte: Ein gewisser Rudolf Augstein war sein Banknachbar. 35 Jahre 
    später sollte dieser ihm anbieten, gelegentlich im Spiegel über Israel zu 
    schreiben; gut 60 Jahre später verfasste er ein Vorwort zu einem 
    Interviewband mit Avnery, in dem er die Gemeinsamkeiten in ihrem 
    publizistischen Wirken sowie in ihrer Biographie hervorhob (Augstein 1995). 
    Einige Jahre später wiederum verfasste Avnery für den Spiegel einen Nachruf 
    auf Augstein (Avnery 2003a). 
    Der Alltag des Jungen wurde zunehmend 
    durch den erstarkenden Nationalsozialismus geprägt. Die Aufmärsche der Nazis 
    sowie der Kommunisten prägten seine kindliche Weltwahrnehmung, bildeten, 
    neben der Musik Bachs, zunehmend das Hauptthema beim Mittagstisch. Das 
    Politische war eine selbstverständlicher, existentiell bedeutsamer 
    Bestandteil des Lebens. 
    1933, Helmut war gerade ins Gymnasium 
    gewechselt, wurden dort regelmäßig alle Schüler in der Aula versammelt, um 
    alte deutsche Waffensiege zu feiern. Helmut war der einzige jüdische 
    Schüler. Ein Ereignis prägte sich ihm tief ein: 
    "Einmal, (...) stand ich allein inmitten 
    von tausend deutschen Jungen, die das Horst-Wessel-Lied, die blutrünstige 
    Nazi-Hymne, sangen. Ich sang nicht mit und hob auch nicht die Hand zum 
    Nazi-Gruß wie die anderen. Hinterher trat eine Gruppe meiner 
    Klassenkameraden zu mir und sagte, wenn ich noch einmal beim Absingen der 
    Hymne des neuen Deutschland den Arm nicht höbe, 'würden sie es mir zeigen'." 
    (Avnery 1969, S. 9) Dennoch erinnert sich Avnery mit warmer Untertönung 
    eines katholischen Pfarrers, welcher ihm auch nach der "Machtergreifung" 
    seine Unterstützung versicherte. 
    Zu der angedrohten Prügel durch seine 
    rassistisch aufgehetzten Mitschüler kam es nicht. Die zionistischen 
    Überzeugungen seines Vaters schärften dessen Wahrnehmung der existentiellen, 
    scheinbar noch unwirklichen Gefahr. Nach einer antisemitischen Drohung, die 
    ihm im Frühjahr 1933 zugetragen wurde, beantragte er bei der Polizeibehörde 
    von Hannover seine Auswanderung, verkaufte seinen Besitz. Eine Woche nach 
    diesem schulischen Zwischenfall emigrierte die Familie auf Schleichwegen 
    über Frankreich nach Palästina. Ihre Verwandten versuchten sie noch davon 
    abzuhalten: "Du bist völlig verrückt; euch droht keine Gefahr", versuchten 
    sie ihn zu überzeugen. Sie selbst blieben – und wurden alle von den 
    Deutschen ermordet. Auf einem Gedenkstein in Hannover ist ihr Name 
    verzeichnet. 
    Ankunft in Palästina - die Jeckes 
    1933 fuhren die Ostermanns mit der "Sphynx" 
    von Marseille nach Palästina und landeten im Hafen von Jaffa. Der 
    zehnjährige Helmut war sehr begeistert, Deutschland verlassen, in sein 
    geliebt-phantasiertes Palästina reisen zu können. Die Szene, in der sie in 
    den Hafen Jaffas einliefen, war von einer eindrucksvollen Symbolik, deren 
    sich viele Flüchtlinge der damaligen Zeit erinnern. Der Hauch des 
    Abenteuerlichen verankerte sich in Uri: "Eines Morgens, kurz nach 
    Sonnenaufgang, standen wir alle an Deck und sahen am Horizont einen braunen 
    Streifen, der langsam näher kam. Es war die Küste von Palästina, und ich 
    muss Ihnen sagen, es ist noch heute, Jahrzehnte später, ein erregender 
    Moment für mich, wenn ich vom Flugzeug aus die Wüste sehe." (Koppel 2000, S. 
    130)  
    Da die Dampfer seinerzeit noch nicht 
    direkt am Hafen anzulegen vermochten, wurden die Flüchtlinge von stämmigen 
    Arabern mit kleinen Booten abgeholt und ans sichere, rettende Ufer gebracht.
     
    Für seinen Vater war die Emigration nach 
    Palästina mit einem radikalen Bruch mit seiner Vergangenheit verknüpft. Er 
    beschloss, nicht mehr im Finanzwesen, sondern im Sinne eines Idealisten in 
    der Landwirtschaft zu arbeiten. Bei Avnery schwingt, trotz seiner eigenen 
    Abneigung gegen eine körperliche Arbeit, eine tiefe Bewunderung für seinen 
    Vater mit, wenn es ausführt:  
    "... Aber mein Vater war glücklich hier 
    im Lande und bis zum letzten Augenblick idealistisch. Er, der nie in seinem 
    Leben körperlich gearbeitet hatte, begann hier nicht nur zu arbeiten, 
    sondern zu schuften, zwölf, vierzehn Stunden am Tag. Wir hatten am Ende eine 
    Wäscherei, und er trug die Wäsche mit dem Fahrrad aus, bei Hitze und Regen. 
    Meine Mutter arbeitete genauso. Er war glücklich, und sie war zumindest 
    zufrieden. Das hing auch damit zusammen, dass sie wussten, was sie hinter 
    sich gelassen hatten. Je mehr man von dem hörte, was in Deutschland 
    passierte, um so glücklicher war man, dass man rechtzeitig herausgekommen 
    war. Und dass man vier Kinder gerettet hat. Mein Vater war ein Mensch, den 
    alle Leute furchtbar gern hatten. Ich glaube, sie haben uns die Wäsche 
    hauptsächlich gebracht, damit er zu ihnen nach Hause kommt und sich mit 
    ihnen unterhält. Auf deutsch natürlich, denn unsere Kundschaft war zum 
    großen Teil deutschsprachig. (...) Ja, er war glücklich, obwohl er nie ein 
    Wort hebräisch gelernt hat." (Koppel 2000, S. 137f.)  
    In dem Buch "Die Jeckes" von Greif/McPershin/Weinbaum 
    (2000) (s. auch Greif 2003) ist die außerordentliche Integrationsfähigkeit 
    veranschaulicht worden, welche den aus Deutschland nach Israel geflohenen 
    Juden – welche in Israel etwas spöttisch als Jeckes bezeichnet werden – 
    abverlangt wurde. Vielen gelang es nicht mehr, Hebräisch bzw. Ivrit zu 
    lernen; sie fanden in Tel Aviv oder Haifa Heimat in dem letztlich kleinen, 
    heute langsam aussterbenden Kreis der deutschstämmigen Juden.  
    Eine solche nur partielle Integration in 
    die Gesellschaft und Kultur Israels gehört auch zu Avnerys familiärem 
    Erfahrungshorizont. Sowohl seine Eltern als auch seine aus Berlin stammenden 
    Schwiegereltern vermochten nicht mehr Ivrit zu lernen – und dennoch scheint 
    es ihnen gelungen zu sein, hiermit ohne Kränkung umzugehen. Avnery gibt 
    hierfür ein schöne Erinnerung an seine Mutter wieder: "Einmal sagte eine 
    Bekannte zu meiner Schwiegermutter: 'Sie sind jetzt 50 Jahre im Lande und 
    sprechen immer noch kein hebräisch, schämen Sie sich nicht?' Sie sagte: 
    'Natürlich schäme ich mich. Aber es ist viel leichter, sich zu schämen als 
    hebräisch zu lernen.'" (Koppel 2000, S. 138) Und 1969 (Avnery 1969, S. 11) 
    erinnert er sich an das neue Leben seiner Eltern in Israel: 
    "Aber was mögen unsere Eltern in jenem 
    Augenblick empfunden haben? Diese Frage habe ich mir oft gestellt. Welch 
    einen ungeheuren Mut müssen sie gehabt haben. (...) Als ich später als 
    Journalist über den Eichmann-Prozess zu berichten hatte (s. Avnery, 1961), 
    dachte ich zurück an meinen Vater, dessen Intuition uns das Leben gerettet 
    hatte. Ich bin ihm zutiefst dankbar. Ich sehe ihn noch, wie er die Wäsche 
    auf seinem Fahrrad transportierte, todmüde, doch von unzerstörbarer 
    Fröhlichkeit, glücklich, wie er es niemals hinter seinem Direktionstisch in 
    Hannover gewesen war. Er war wirklich ein Mensch."  
    Sein Vater blieb ein unverbesserlicher 
    Optimist; dieser Optimismus übertrug sich auch auf seine neuen – zum größten 
    Teil deutschstämmigen – Kunden, wie auch erkennbar auf seinen lernbegierigen 
    Sohn Uri. Dieser Optimismus wurde offenkundig zu Uri Avnerys unzerstörbarem 
    inneren Erfahrungskern. 
    Uri besuchte gemeinsam mit seinem Bruder 
    für einige Monate eine kooperative Siedlung in Nahalal, um Hebräisch zu 
    lernen; nachmittags arbeiteten sie in der Landwirtschaft. Danach kehrte Uri 
    zu seinen Eltern nach Tel Aviv zurück und besuchte bis zum Alter von 14 
    Jahren die dortige Grundschule. Nun erschien ihm die Schule angesichts ihrer 
    schwierigen ökonomischen Lebenssituation als ein "verschwenderisch langsamer 
    Weg zum Wissenserwerb" (Avnery 1969, S. 12). Er begann für fünf oder sechs 
    Jahre eine Tätigkeit als Sekretär bei einem Rechtsanwalt, lernte so die 
    Gerichtshöfe kennen und wohnte stundenlang Gerichtsverhandlungen bei. Auch 
    erlernte er bei seinen Kontakten mit der englischen Mandatsverwaltung 
    Englisch – welches seine dritte Muttersprache wurde. Diese Tätigkeit brachte 
    es mit sich, dass er regelmäßig ein- oder zweimal pro Woche für seinen 
    Anwalt im arabischen Jaffa arbeitete. Jaffa liegt zwar unmittelbar vor Tel 
    Aviv, dennoch gab es nahezu keinerlei Kontakte zwischen diesen beiden 
    Bevölkerungsgruppen; Avnerys Tätigkeit als "Grenzgänger" war eine ganz große 
    Ausnahme. Dort lernte er die Armut, aber auch die Kultur, die Sprache, die 
    Musik und die Speisen der Araber kennen. 
    Es entwickelten sich über diese 
    kontinuierlichen Begegnungen mit der arabischen Bevölkerung zwar keine 
    direkten Freundschaften, dennoch erwuchs hieraus ein Gefühl des 
    Vertrautseins – der Mangel solcher Begegnungen zwischen Israelis und der 
    arabischstämmigen Minderheit in Israel, der heute nach der kurzen 
    euphorischen Hoffnungsphase Mitte der 1990er Jahre die Beziehungen – bzw. 
    Nicht-Beziehungen – prägt, ist einer der Gründe für das Scheitern eines auch 
    nur partiellen Verständigungsprozesses dieser beiden tragisch-existentiell 
    miteinander verknüpften Völker (s. Bernstein 2000, 2006, Guggenheim-Shbeta/Shbeta 
    2005).  
    Auch hatte Uri als Kind mit großer 
    Begeisterung die arabischen Bücher Karl Mays und Walter Scotts gelesen, sich 
    mit deren abenteuerlichen Schilderungen des Lebens in Arabien identifiziert. 
    Avnery erinnert sich: "Jaffa war eine ganz typisch orientalische Stadt mit 
    völlig anderen Gerüchen und Geräuschen und einem ganz anderen Anblick. Was 
    mir auffiel, war, dass die Läden keine Fensterläden hatten, keine Vitrinen, 
    und alles war voller Kutschen und Pferde. Die Menschen gestikulierten auf 
    eine Art, die wir nicht kannten. Es war alles furchtbar interessant, und ich 
    habe mich so glücklich dabei gefühlt. Ich erwähne das immer gerne, weil es 
    eine Beschreibung von Ben-Gurion gibt, der 17 oder 18 Jahre vorher [1] 
    an derselben Stelle ins Land gekommen war und alles ganz schrecklich fand. 
    'Was für Geräusche, was für Gerüche, was für Stimmen; ist das das Land 
    unserer Väter?' soll er gesagt haben. Diese beiden ersten Eindrücke erklären 
    viel von dem, was später mit ihm und mir passiert ist." (Avnery 1995, S. 
    105; vgl. Avnery, 1969, S. 81-103)  
    In diesen ersten Monaten seiner 
    Tätigkeit beim Rechtsanwalt wurde Uri im Gerichtsgebäude der britischen 
    Mandatsregierung für den Irgun angeworben. 
    Untergrundkampf beim Irgun und bei "Simsons Füchsen" 
    "Ich saß in einem verdunkelten Zimmer. 
    Ein starker Scheinwerfer war auf mein Gesicht gerichtet, damit ich nicht 
    sah, mit wem ich sprach. Hinter dem Scheinwerfer standen Gestalten, die ich 
    nicht erkennen konnte, und dann wurde ich befragt: 
     
    'Hasst du die Araber?' 
    'Nein'. 
    Es folgte eine beklemmende Stille. 
    'Hasst du die Engländer?' 
    'Nein.' 
    Einen Augenblick lang hatte ich Angst, dass sie mich nicht aufnehmen würden. 
    Sie taten es aber trotz dieser beiden Fehler. Damit war ich Mitglied im 
    Irgun, um von nun an im Untergrund gegen die Araber und die 
    Mandatsherrschaft der Engländer zu kämpfen. Das war kurz vor meinem 15. 
    Geburtstag." (Avnery 2000, S. 131) 
    Dies ist die symbolhafte, Avnerys 
    wechselhaftes und doch zugleich bemerkenswert stringentes Leben prägende 
    Szene, in der der knapp 15-jährige 1938 in die von den Engländern als 
    illegal betrachtete Widerstandsbewegung Irgun eintrat. Der Irgun war 1936 
    als eine rechtsnationalistische Abspaltung von der Haganah entstanden und 
    kämpfte mit militärischen Mitteln sowohl gegen die britische 
    Militärverwaltung als auch gegen die Araber für die Gründung eines Staates 
    Israel. Uri blieb dort drei oder vier Jahre, bis 1941 oder 1942, neben 
    seiner Tätigkeit beim Rechtsanwalt. Avnery hat die Szene seiner Aufnahme in 
    die Untergrundgruppe des Irgun verschiedentlich geschildert, so jüngst in 
    dem Kapitel "Eines jeden Schwert wider den andern... Richter 7,22) in "Die 
    Kehrseite der Medaille" (Avnery 1950, S. 294-313).  
    Neben der schutzbietenden Identifikation 
    mit der jüdisch-nationalistischen Freiheitsbewegung wurde vom Irgun ein 
    romantisches Gefühl befriedigt. In seinem literarisch-journalistischen 
    Frühwerk "Die Kehrseite der Medaille" (Avnery 1950) lässt Avnery seinen 
    jugendlichen Protagonisten formulieren: "Wache! Untergrund! Romantische 
    Bücher und Filme gehen mir durch den Kopf. Das ist die Gefahr! Das wahre 
    Leben! Ich bin von dem Willen überwältigt, für etwas zu kämpfen, obwohl ich 
    noch nicht genau genau weiß, wofür" (Avnery 1950, S. 295). 
    Das junge Irgun-Mitglied Uri verteilte 
    Flugblätter, ließ sich im Umgang mit der Waffe ausbilden. Das Waffenlager 
    seiner Kompanie war in seiner Wohnung gelagert, worauf die Todesstrafe 
    stand. Für das Bombenlegen war er jedoch noch zu jung; dies "machten" ältere 
    Kameraden.  
    Auch heute noch vermag Avnery die 
    außergewöhnliche Faszination zu vermitteln, welche diese Befreiungstätigkeit 
    im Untergrund bei einem Jugendlichen in seiner spezifischen 
    historisch-politischen Situation auslöste - eine Faszination, die der 
    Schweizer Psychoanalytiker Paul Parin in seinem Jugoslawien-Buch "Es ist 
    Krieg und wir gehen hin" (Parin 1990) sehr anschaulich beschrieben hat (s. 
    Kaufhold 1996). 
    Avnery führt über den 
    prickelnd-konstruktiven Bruch, den sein Eintritt in den Irgun darstellte, 
    aus: "Von dem Augenblick an war alles ganz, ganz anders. Das Leben bekam 
    einen völlig neuen Mittelpunkt. Tagsüber arbeitete ich beim Rechtsanwalt, 
    und abends war ich im Untergrund. Mein Chef war Jude, aber alle seine 
    Freunde, die auch viel in unserem Büro verkehrten, waren englische 
    Kolonialbeamte. Bei einer Aktion, 1939, gegen das englische Weißbuch, 
    zündeten wir deren Büros an: die Büros, in denen ich sonst für den 
    Rechtsanwalt zu tun hatte. Ja, ja, das waren gewisse Paradoxe!" (Koppel 
    2000, S. 141)  
    Und er verdeutlicht das ihn und seine 
    ca. 120, großteils jugendlichen Mitstreiter stimulierende Gefühl des 
    Abenteuertums, der existentiellen Gewissheit, das Rechte zu tun, welches 
    sich tief in ihm eingrub, ihm existentiellen, an Tollkühnheit grenzenden Mut 
    verlieh:  
    "Eine meiner Aufgaben war, diese Waffen 
    herumzutragen. Es ist ein wunderbares Gefühl, mit einer Pistole unter dem 
    Arm auf der Straße herumzuspazieren in dem Bewusstsein: Das ist bei 
    Todesstrafe verboten! Du gehst an englischen Polizisten vorbei, und keiner 
    außer dir weiß, dass du eine Pistole hast – das ist ein herrliches Gefühl 
    für einen Jungen!" (Koppel 2000, S. 142)  
    Schuldgefühle hat er hierüber nicht 
    entwickelt, auch später stellten sich keine ein. Die historische Situation 
    ließ den Kampf als gerecht erscheinen, als die einzig angemessene 
    Möglichkeit, sich in der Befreiungsbewegung zu engagieren: "Für einen Jungen 
    von 16, 17 Jahren war es damals richtig! Wir lebten im Krieg, im 
    Guerillakrieg. Auf beiden Seiten hat man mit mehr oder weniger denselben 
    Methoden gekämpft." (Koppel 2000, S. 142) Als Vergeltungsaktion für 
    arabische Angriffen wurden Bomben in den arabischen Märkten von Jaffa, 
    Jerusalem und Haifa gelegt, bei denen es zu Dutzenden von Toten kam.  
    Doch bald kamen in ihm Zweifel auf. 
    Anfangs war er noch voller jugendlichen Stolzes auf seinen Wagemut, auf 
    ihren militanten Kampf gegen die Araber: "Ich könnte platzen vor Stolz, 
    fühle mich wie ein Held, bin bester Laune. Ich habe mich an einem 
    gefährlichen Einsatz beteiligt, sage ich zu mir. Ich bin ein Mann. Ich lege 
    meinen Arm um Rivkas Hüften" (Avnery 1950, S. 299), schriebt Avnery 1950.
     
    Doch plötzlich vermochte Avnery sich 
    nicht mehr vorbehaltlos mit den Vorgaben, den militanten Methoden seiner 
    "Führer" zu identifizieren, die Araberfeindlichkeit, die Ablehnung der 
    Kibbuz- und Gewerkschaftsbewegung sowie die nationalistischen Losungen des 
    Irgun behagten ihm nicht mehr. Und doch lautete ihre Hymne: "Aus unseren 
    Reihen befreit nur der Tod." Ein Austritt aus ihrer Untergrundbewegung "war 
    psychologisch so gut wie unmöglich." (Koppel 2000, S. 142) Ein Riss trat in 
    der Gruppe der Untergrundkämpfer auf. Nach einer schicksalhaften Nacht traf 
    der wohl 18-jährige Uri eine ganz und gar außergewöhnliche Entscheidung, die 
    er in Israel mit nahezu Niemandem teilt: "Ich habe den Irgun verlassen; so 
    etwas war beinahe unerhört. Man verließ eine Untergrundbewegung nicht." (Avnery 
    1995, S. 108)  
    Wie bereits erwähnt gab sich Helmut 
    Ostermann, wie viele nach Israel eingewanderte Juden, mit Erreichen seines 
    18. Lebensjahres einen neuen Namen. Uri Avnery: Uri bedeutet Licht; Avner 
    war ein Feldmarschall König Davids, also ein biblischer Name. Diese 
    Namensgebung als symbolischer, eigenverantwortlicher Akt stellte einen 
    endgültigen, symbolischen Bruch mit seiner Herkunft, mit Deutschland dar. 
    Avnery (1969, S. 8) führt aus:  
    "Durch diesen Akt erklärten wir uns von 
    unserer Vergangenheit unabhängig. Wir brachen mit ihr unwiderruflich. Die 
    jüdische Diaspora, die Welt unserer Eltern, ihr kultureller und 
    gesellschaftlicher Hintergrund – wir wollten nichts mehr damit zu tun haben. 
    Wir waren eine neue Rasse, eine neues Volk, geboren an dem Tage, an dem wir 
    den Fuß auf den Boden Palästinas gesetzt hatten. Wir waren eher Hebräer als 
    Juden. Unsere neuen hebräischen Namen verkündeten das." 
    Nach seiner Trennung vom Irgun setzte 
    Avnery sein politisches Engagement unter modifizierten Prämissen fort. 1946 
    war er an der Gründung einer kleinen politischen Gruppe beteiligt, die sich 
    "Junges Palästina" nannte und nun auch politisch postulierte, man sei "eine 
    separate neue Nation innerhalb des jüdischen Volkes" (Avnery 1995, S. 108). 
    Immer mal wieder, wenn man etwas Geld zusammen hatte, gab man eine 
    Zeitschrift heraus: "Bamaawak" ("Im Kampf"). Ein Jahr später, im Herbst 
    1947, unmittelbar vor der Staatsgründung, publizierte der 24-Jährige seine 
    erste Broschüre unter dem Titel "Krieg oder Frieden in der semitischen 
    Region"; diese wurde auch in einer Zusammenfassung ins Arabische übersetzt 
    und an verschiedene Zeitungen und Gruppierungen im nahöstlichen Raum 
    verschickt. 
    Die Staatsgründung Israels sowie der 
    1948er Krieg, den die arabischen Völker Israel aufgezwungen hatten, 
    veränderten jedoch die gesamte Situation, ließen seine Schrift als überholt 
    erscheinen. Avnerys schloss sich der Haganah an, kämpfte in der legendären 
    Kommandoeinheit "Simsons Füchse" an der Südfront in der Nähe Jerusalems, 
    dann gegen die ägyptische Armee. Gleichzeitig verfasste er regelmäßig 
    journalistische Texte, in welchen er, mit bemerkenswertem literarischem 
    Talent und sehr eigenem Stil, über seine Kriegserlebnisse schrieb. Diese 
    zahlreichen Texte wurden in israelischen Tageszeitungen publiziert und 
    machten ihn binnen kürzester Zeit im jungen Staat Israel zu einer 
    Berühmtheit. 
    Gegen Kriegsende, am 8.12.1948, wurde 
    Avnery bei einem Gefecht in der Nähe des Kibbuz Negba durch Bauchschüsse 
    sehr schwer verletzt. Vier aus Marokko eingewanderte Soldaten retteten in 
    einem tollkühnen Einsatz sein Leben – eine Erfahrung, die seinen Respekt für 
    die arabischstämmigen jüdischen Israelis entscheidend prägte:  
    "Meine Leute waren eine eigenartige 
    Mischung aus marokkanischen, tripolitanischen und türkischen Juden, die als 
    Freiwillige direkt von den Schiffen zu uns gekommen waren. Ich hatte sie 
    selber ausgebildet mit Hilfe von Gesten und einfachen Worten; wir konnten 
    uns kaum miteinander unterhalten." (Avnery 1969, S. 19).  
    Die lebensbedrohliche Verletzung zwang 
    ihn zu einem mehrwöchigen Erholungsaufenthalt - den er gleich literarisch 
    nutzte. In dem mit "Die weiße Front" betitelten Schlusskapitel von "In den 
    Feldern der Philister" (Avnery 1949, S. 233-248) beschreibt er in 
    literarischer Form die Ereignisse, die zu seiner lebensbedrohlichen 
    Verletzung führten. Trotz seiner übermenschlichen Schmerzen, der hohen 
    Wahrscheinlichkeit seines Todes, verlor er nicht das Bewusstsein: So "nutzte 
    ich die Zeit, um über den Krieg nachzudenken. Die Gedanken gefielen mir 
    nicht." (Avnery 1949, S. 233). Diese Phase bildete die Geburtsstunde seiner 
    zwei disparaten Bücher, die er nun binnen kürzester Zeit publizierte. 
    "In den Feldern der Philister" - frühe 
    journalistisch-literarische Werke 
    Beeinflusst durch die Schriften Erich 
    Maria Remarques publizierte der 25jährige unmittelbar nach dem erfolgreich 
    bestandenen Krieg seine - so hat er es selbst einmal selbstironisch 
    formuliert - "pazifistischen Kriegstagebücher" in einem Buch, unter dem 
    Titel "In den Feldern der Philister". Dieses Erstlingswerk wurde gleich ein 
    Bestseller, mit 20 Auflagen allein im ersten Jahr. Das Buch bildete eine 
    Grundlage für sein zukünftiges politisches und literarisches Engagement, 
    aber auch für die zutiefst ambivalente Rezeption und Wertschätzung seines 
    Wirkens in der israelischen Bevölkerung. Als Avnery durch Gespräche mit 
    jungen Israelis realisierte, dass dieses Buch von diesen als ein den Krieg 
    romantisierendes Werk rezipiert wurde beschloss er, während seiner 
    Genesungsphase ein neues Werk zu schreiben - in welchem er die Kehrseite des 
    Krieges beschreiben wollte: Gewalt, Übergriffe, Vergewaltigungen, 
    Vertreibungen, seelische Verrohungen. 
    Dieses knapp 200 Seiten umfassende Werk 
    verfasste er "in drei bis vier Wochen auf meiner kleinen 
    Hermes-Schreibmaschine" (Avnery 2005, S. 12); es stellte eine gewagte 
    Mischung zwischen nüchterner Recherche, politischer Stellungnahme gegen Ben 
    Gurion und literarischer Fantasie dar. Der vehementen öffentlichen Reaktion 
    im jungen Staat Israel auf sein Antikriegsbuch erinnert sich Avnery im 
    Rückblick: 
    "Der neue Band verursachte einen 
    Skandal. Über Nacht wurde ich vom Helden des Tages zum Volksfeind Nummer 
    eins. 'Lüge! Betrug!', schrien die Patrioten, die im Krieg zu Hause 
    geblieben waren. 'So fluchen unsere Soldaten nicht! Unsere Soldaten morden 
    und stehlen nicht! Sie haben keine Araber vertrieben! Es ist doch bekannt, 
    dass die Araber aus eigenem Antrieb geflüchtet sind. Sie sind doch nur der 
    Aufforderung ihrer Führung gefolgt! Unsere Waffen sind 'rein'! Unsere Armee 
    ist die moralischste der Welt!" (Avnery 2005, S. 12) 
    Und 1995 erinnert sich Avnery in einem 
    Interview folgendermaßen an die Rezeption seiner beiden Frühwerke:  
    "Plötzlich war ich der Liebling der 
    Gesellschaft und auch der Regierung. Das dauerte genau ein Jahr. Das hat mir 
    sehr geholfen, denn vorher war ich schrecklich unpopulär. (...) Mit diesem 
    Kriegsbuch, das ich einst als pazifistisches Kriegsbuch auffasste, ist 
    dasselbe passiert wie mit den Büchern Erich Maria Remarques. Nämlich, dass 
    Jugendliche es gelesen und sich dadurch für den Krieg begeistert haben – 
    Kameradschaft, Abenteuer und so weiter. Daher schrieb ich noch ein zweites 
    Buch, Die andere Seite der Münze[2], worin ich schilderte, was sonst noch im 
    Krieg passiert war. Dieses Buch war ein nationaler Skandal ohnegleichen. Ich 
    schrieb darin über Kriegsverbrechen, wie zum Beispiel die Tötung arabischer 
    Flüchtlinge. Das Buch wurde dann boykottiert, und es erschien nur eine 
    Auflage..." (Avnery 1995, S. 100)  
    Dieses beiden frühen Bücher Avnerys, in 
    welchen sich bereits das außergewöhnliche literarische und journalistische 
    Talent des erst 25-Jährigen zeigten, haben im deutschsprachigen Raum eine 
    bemerkenswerte Entwicklungsgeschichte: Auf sie wurde zwar immer wieder 
    verwiesen - erstmals auf deutsch publiziert wurden sie jedoch erst 56 Jahre 
    später, im Jahr 2005. 
    In seinem 2005 hinzugefügtem, mit "'Den 
    Gefallenen der nächsten Runde'" überschriebenem Vorwort zur deutschen 
    Erstausgabe zeichnet Avnery den Entstehungshintergrund dieser beiden 
    scheinbar so disparaten Bücher nach. Zugleich ist dieses Vorwort eine 
    psychologisch und historisch faszinierende Wiederbegegnung zwischen dem 
    25-Jährigen sowie dem 81-Jährigen Uri Avnery: "Zwei unterschiedliche 
    Menschen - und doch derselbe Mann. Der 25-Jährige ist ein Teil des 
    81-Jährigen. Der eine ist von den Erinnerungen des anderen nicht zu trennen. 
    Aber er ist dennoch sehr weit entfernt, fast fremd, undeutlich erkennbar 
    durch den Nebel der Jahre." (Avnery 2005, S. 7) 
    Avnery analysiert, welche existentielle, 
    kreative Bedeutung das eruptive Schreiben für den jungen, im 1948-er 
    Befreiungskampf engagierten Aktivisten hatte: 
    "In den nächsten Monaten wurde mir das 
    Schreiben zur Obsession. Ich schrieb und schrieb und schrieb. Es half mir, 
    die Spannungen abzubauen, die Ängste zu überwinden, die Erlebnisse zu 
    verarbeiten. Es wurde mir ein ständiges Bedürfnis. 
    Ich schrieb vor den Einsätzen, während der Einsätze und danach. Wenn eine 
    anstrengende Aktion vorüber war, legten sich meine Kameraden auf den Boden 
    und schnarchten. Ich nahm Papier und Bleistift zur Hand und schrieb. Ich 
    schrieb auf dem Boden, in den Schützengräben und auf der Motorhaube eines 
    Jeeps. Ich schrieb in der Kantine zwischen Hunderten von lärmenden Kameraden 
    und ich schrieb nachts im Bett." (Avnery 2005, S. 8). 
    Diese mehreren Dutzend Berichte 
    erschienen unmittelbar nach ihrem Verfassen in den israelischen 
    Tageszeitungen Yom Yom (Tag für Tag) und in Haaretz (Das Land). Sie 
    gelangten auf verschlungenen Wegen vom Kriegsgebiet zu den Redaktionen, 
    Avnery übergab sie in passenden Situationen irgendwelchen 
    Versorgungsfahrzeugen oder aber befreundeten Soldaten, die zu einem 
    Heimaturlaub aufbrachen. Kein Bericht ging verloren. Tief beeindruckt war 
    Uri in dieser Zeit von dem zutiefst demokratischen, antihierarchischen, 
    brüderlichen Geist in großen Teilen der damaligen israelischen Armeen - was 
    seine heutige, sehr scharfe Kritik an bestimmten harten Gewaltmaßnahmen der 
    israelischen Armee verständlicher erscheinen lässt. Avnery gibt hierfür ein 
    aus eigenen Erfahrungen erwachsenes eindrückliches Beispiel. Eigentlich war 
    es Soldaten verboten, ohne Genehmigung von militärischen Ereignissen 
    öffentlich zu berichten...: 
    "Jedes Wort in diesem Buch wurde unter 
    klarer Missachtung eines eindeutigen Befehls geschrieben: Soldaten durften 
    keine Interviews geben und sie durften auch nicht ohne ausdrückliche 
    Genehmigung für Zeitungen schreiben. Meine Vorgesetzten drückten beide Augen 
    zu. Als ein höherer Offizier aus der Etappe begann, Ärger zu machen, rief 
    mich ein hoher Offizier aus unserem Bataillonsstab zu sich und erklärte sich 
    bereit, meine Berichte persönlich und heimlich an die Zeitung weiterzugeben. 
    Eines Tages, nachdem mir wieder mal ausdrücklich befohlen worden war, nicht 
    mehr zu schreiben, wurde ich zum Bataillonschef bestellt. Voller Sorge 
    meldete ich mich. Dort wurde mir ein kleiner, brauner Umschlag übergeben. Er 
    enthielt den handgeschriebenen Brief des legendären Brigadekommandeurs 
    Shimon Avidan. Er beglückwünschte mich zu einem Bericht, in dem ich die 
    besondere Rolle des Infanteriesoldaten beschrieben hatte. So eine Armee 
    waren wir damals." (Avnery 2005, S. 9)[3] 
      
    Uri Avnery lässt sein Antikriegsbuch aus dem Jahr 1950 mit einer Erinnerung 
    an einen der vielen toten Kameraden ausklingen. Der junge tote israelische 
    Soldat spricht aus dem Grab zu seinen Verwandten und Freunden: 
    "'Ich bin tot. Hört ihr? Tot. T o t! Ich 
    brauche eure Gedenkfeier nicht! Ich mache euch keine Vorwürfe. Aber ihr 
    könntet etwas für andere Söhne, für andere Eltern tun. Geht auf die Straße 
    und schreit! Hört ihr? Schreit! Dass ihr mich 24 Jahre lang für nichts 
    versorgt habt. Dass ich starb, bevor ich irgendetwas im Leben tun konnte. 
    Schreit anderen Eltern zu, sie sollen nicht zulassen, dass man ihre Kinder 
    in den Krieg schickt. Die sollen das verbieten!'" (Avnery 1950, S. 413) 
    Und er lässt sein Buch einige Zeilen später so enden: 
    "Der Regen hat aufgehört. 
    Eine merkwürdige Stille herrscht im Zimmer. Eine unnatürliche Stille. 
    Etwas fehlt. Etwas ist verschwunden.  
    Was ist es?  
    Das Röcheln hat aufgehört.  
    Der Verwundete mir gegenüber liegt regungslos da. Sein Kopf ist zur Seite 
    geneigt.  
    Er atmet nicht mehr.  
    Ein Mensch ist gestorben." (Avnery 1950, S. 414) 
    Die Staatsgründung im Jahre 1948, von 
    welcher Avnery bei einem Aufenthalt in einem Kibbuz im Radio eher 
    zufälligerweise hörte, war für ihn eher unbedeutend - hier wird erneut 
    deutlich, wie sehr sich Avnerys Wahrnehmung von der der meisten anderen 
    Israelis unterschied. Die Staatsgründung Israels war für nahezu alle Juden 
    der damaligen Generation ein emotional außerordentlich bewegender Akt. 
    Avnery führt aus: 
    "Als Frontsoldaten hatten wir eine 
    gewisse Verachtung für Leute, die in Tel Aviv oder in Jerusalem Reden 
    hielten, und darum war die Staatsgründung für uns eine Sache, die wir mit 
    einem Achselzucken abtaten. Aber für andere mag sie die Einlösung von Herzls 
    Worten gewesen sein, die er nach dem 1. Zionistischen Kongress in Basel 
    geschrieben hat," betont Avnery (2000, S. 146). Diese gegensätzlichen 
    Erfahrungen und politischen Zugänge bildeten den Ausgangspunkt für bis heute 
    anhaltende Differenzen zwischen Avnery und großen Teilen der israelischen 
    Öffentlichkeit.  
    Noch vor Kriegsende verfasste er weitere 
    Artikel, in denen er sich für eine Beendigung des Krieges und für eine 
    wirkliche Verständigung mit den Arabern einsetzte. Gustav Schocken, aus 
    Chemnitz nach Israel eingewanderter legendärer Publizist, Chefredakteur der 
    auflagenstarken Tageszeitung Haaretz, interessierte sich für den Autor und 
    bot ihm an, regelmäßig Leitartikel in Haaretz zu verfassen – eine hohe 
    Auszeichnung für einen 25-jährigen, der keine professionelle journalistische 
    Ausbildung durchlaufen hatte. Dennoch gab Avnery diese verlockende Tätigkeit 
    bereits nach einem Jahr freiwillig auf, da er nicht zu inhaltlichen 
    Konzessionen beim Schreiben bereit war, welche von ihm erwartet wurden.
     
    Publististische Tätigkeit bei Haolam Hazeh 
    Zeitgleich mit dem Erscheinen von "Die 
    Kehrseite der Münze" kaufte Avnery mit dem Geld, welches er von der Armee 
    für seine Kriegsverletzung erhalten hatte, die farblose Wochenzeitung Haolam 
    Hazeh ("Diese Welt") – ein Entstehungsumstand, der in Israel später häufig 
    Anlass für Witze bildete. Binnen kurzer Zeit gestaltete er diese Zeitschrift 
    zu einem in Israel gefürchteten Blatt um, welches gleichermaßen geschätzt, 
    beargwöhnt und verhasst war. Gleich mit seiner ersten Ausgabe sorgte er für 
    einen Boykott seiner Zeitschrift durch die israelische Armee, da er in einem 
    Beitrag die Berufung von Frauen zur Armee als unzeitgemäß bezeichnete – in 
    Israel bis heute ein schwer erträglicher Vorschlag. Haolem Hazeh wurde 
    "innerhalb kürzester Zeit zum unpopulärsten gemacht, was es überhaupt je in 
    Israel gegeben hat." (Avnery 1995, S. 112). "Wir stritten uns mit allen 
    Teilen des Establishments. Das führte dazu, dass wir etwa 20 Jahre lang 
    nicht einen Millimeter an Anzeigen verkauften", erinnert sich Avnery (1995, 
    S. 131). 
    Dies brachte enorme ökonomische Probleme für das Blatt mit sich, da es sich 
    ausschließlich durch den Kioskverkauf finanzieren musste. 41 Jahre später, 
    1990, musste Avnery seine Zeitung aufgrund unüberwindbarer finanzieller 
    Schwierigkeiten verkaufen. Avnery hat häufig versucht, die Besonderheit 
    seines Blattes ausländischen Journalisten zu verdeutlichen, was ihm nur 
    schwer gelang. Inhaltlich angelehnt an den Spiegel oder die Times stellte es 
    eine Mischung zwischen unpolitischen Nachrichten, gesellschaftlichem Klatsch 
    und Enthüllungsjournalismus dar: "Es ist, als wenn die Bild-Zeitung und die 
    Zeit eine gemeinsame Zeitung wären, und noch extremer." (Avnery 1995, S. 
    133) 
    Avnery bezeichnet seine Wochenzeitung ironisierend als ein Untergrundblatt:
    "Es gab jedoch sehr viele Witze darüber, dass viele Käufer – auch 
    Regierungsbeamte – sie quasi in anderen Zeitungen versteckten. Sie war die 
    Zeitung der Sabras, der neuen Generation, die in Israel aufgewachsen ist. 
    Offiziere und Beamte lasen sie mit großer Begeisterung, offiziell aber war 
    sie absolut verpönt. Ben-Gurion sprach nie ihren Namen aus, er hat vielmehr 
    einen anderen Namen erfunden, den wir dann auch mit Stolz getragen haben: 
    'ein gewisses Wochenblatt'; diese Bezeichnung benutzten wir als eine Art 
    Untertitel." (Avnery 1995, S. 132)  
    Avi Primor, nach der Beendigung seiner Tätigkeit als Botschafter Israels in 
    Deutschland heute einer der tatkräftigsten Unterstützer der 
    zukunftsorientierten "Genfer Initiative", hat 
    2003 anlässlich der Verleihung des internationalen Friedenspreises des Lew 
    Kopelew Forums an Uri Avnery und Sari Nusseibeh
    in seiner Laudatio in anschaulicher Weise hervorgehoben, wie sehr er selbst 
    als junger Student durch Avnerys Zeitschrift geprägt, aber auch zum 
    Widerspruch herausgefordert wurde. In seiner Kölner Laudatio führte er aus: 
    "Als ich Student war (...) da habe ich, so wie alle meine Freunde, 
    leidenschaftlich seine Zeitung gelesen. Aber die hat uns auch aufgewühlt, 
    aufgeregt. Weil er so viele Dinge gesagt hat, die uns unangenehm waren, an 
    die wir nicht glauben wollten. So bat ich einmal um einen Termin bei ihm. Er 
    hat mich in seinem Büro in seiner Zeitung mit zwei Kollegen von mir 
    empfangen, in Tel Aviv, am Freitagnachmittag, vor dem Wochenende, wo seine 
    Zeitung schon raus war und wo er ein bisschen Zeit hatte, und wir hatten 
    eine Reihe von Fragen vorbereitet. Aggressive Fragen, provokative Fragen: 
    Wie können Sie so etwas schreiben? Ja, und er lächelte und sagte 'Warum 
    lesen Sie das alles so leidenschaftlich? Es scheint, dass Sie es jede Woche 
    lesen. Warum eigentlich, wenn es Sie so aufwühlt? Darum schreibe ich es, 
    damit Sie darüber nachdenken. Sie müssen nicht unbedingt mit mir 
    einverstanden sein, mir zustimmen. Aber nachdenken sollen Sie!' Und das 
    haben wir seitdem immer getan." (Primor 2003.) 
    Hauptgegner von Haolem Hazeh in den ersten Jahren war eben dieser 
    Ben-Gurion, Israels langjähriger Ministerpräsident; gemäß Avnerys 
    Verständnis verhinderte Ben-Gurion grundsätzlich jegliche Möglichkeit für 
    eine Verständigung mit den Arabern. Diese inhaltliche Kontroverse in einem 
    von Avnery als entscheidend eingeschätzten Punkt führte dazu, dass Haolam 
    Hazeh bald als die einzige Oppositionszeitschrift galt. "Wir wollten den 
    Staat selbst gestalten. Das war der große Vorteil meiner Generation 
    gegenüber allen späteren Generationen, die bereits einen vorgefunden haben" 
    (Avnery 1995, S. 112), fasst Avnery ihre
    Grundposition zusammen. Die Zeitschrift setzte sich für einen liberalen, 
    modernen Staat ein, plädierte für eine strikte Trennung zwischen Religion 
    und Staat – in Israel bis heute ein ungelöstes Dilemma. Auch wurden in 
    Haolam Hazeh zahlreiche Skandale aufgedeckt, so 1954 die legendäre 
    Lavon-Affäre (s. Avnery 1969, S. 105-126) über einen israelischen Spionage- 
    und Sabotagering in Ägypten. 
    Avnery (1995, S. 136) betont:
    "Die ganze Geschichte von Haolam Hazeh ist eine Kette von Skandalen und 
    Korruptionsaffären, die wir aufgedeckt haben. Wir umgingen dabei immer die 
    Zensur. Wir haben alles aufgedeckt, was wir enthüllen wollten, durch alle 
    möglichen Methoden. Wir erfanden damals Methoden, die heute schon beinahe 
    legendär sind."  
    Es kam zu heftigen Auseinandersetzungen um Avnerys Blatt, welche z. T. 
    militant ausgetragen wurden: Es überlebte drei Bombenanschläge auf die 
    Redaktion sowie Druckerei, zahlreiche erfolgreich niedergeschlagene 
    Verfahren auf Strafverfolgung wegen Aufruhrs, zwei Mordanschläge. 1953 
    überfiel ein Unbekannter Avnery und brach ihm beide Hände und alle Finger. 
    Doch selbst dieser traumatische Schicksalsschlag fand für Avnery eine 
    positive Wendung: Rachel, die mit ihren Eltern im Alter von einem Jahr aus 
    Deutschland nach Palästina geflohen war und immer noch Deutsch spricht, 
    pflegte ihn – und wurde seine Ehefrau: "Wir haben fünf Jahre in Sünde gelebt 
    und dann geheiratet. Ich glaube, wir sind so ziemlich das einzige mir 
    bekannte israelische Ehepaar, das nicht geschieden ist." (Avnery 1995, S. 
    132)  
    Der Geheimdienstchef Ben-Gurions schrieb später einmal in einem Buch, dass 
    Avnery seinerzeit für den Geheimdienst als Staatsfeind Nummer eins galt.  
      
    Rachel und Uri Avnery, 1999 © Chanah Esch
     
    Mitglied der Knesset (1965 – 1981) 
    1965 versuchte der damalige Ministerpräsident Eshkol, Haolam Hazeh in recht 
    offenkundiger Weise mittels eines gegen dieses Magazin gerichteten 
    Pressegesetzes zu ruinieren. Als Reaktion hierauf unternahm der seinerzeit 
    42-jährige Avnery zusammen mit einigen Kollegen einen außergewöhnlichen 
    Versuch: Er gründete eine Partei, die den Namen dieser Zeitschrift trug und 
    deren Parole lautete "Freiheit für Haolam Hazeh". Dies war für Israel, wo es 
    keine Fünf-Prozent-Hürde im Parlament gibt, ein höchst ungewöhnliches 
    Ereignis, war es doch – wenn man von vereinzelten Parteiabspaltungen und 
    Namensumbenennungen absieht – die erste Neugründung einer politischen Partei 
    in Israel seit dessen Staatsgründung im Jahre 1948. Zur allgemeinen 
    Überraschung erhielt die Partei knapp anderthalb Prozent, und Avnery zog als 
    Parlamentarier in die Knesset ein. Von 1965 bis 1973 sowie von 1979 bis 1981 
    gehörte er dieser an und entwickelte im Parlament rasch einen völlig neuen, 
    streitbaren Diskussionsstil; die Auswirkungen seines singulären Engagements, 
    verknüpft mit seiner Zeitschrift, auf die heutige politische Kultur in 
    Israel, insbesondere auf die intellektuelle Oberschicht, scheint nicht hoch 
    genug eingeschätzt werden zu können.  
    Avnery trug in diesen zehn Jahren in der Knesset über 1000 Reden vor, von 
    denen allein hundert das Thema der Anerkennung eines palästinensischen 
    Staates behandelten - bis dahin ein absolutes parlamentarisches Tabu. So 
    forderte er gleich in seiner ersten Rede vor der Knesset, dass einer der 
    stellvertretenden Parlamentspräsidenten aus der kleinen Gruppe der 
    arabischstämmigen Parlamentarier kommen solle. Am Ende seiner ersten 
    Parlamentsperiode, 1969, publizierte sein langjähriger Sekretär Amnon 
    Zichroni, ein Rechtsanwalt, eine Auswahl seiner parlamentarischen Reden 
    unter dem bezeichnenden Titel "1 gegen 119".  
    Seine Ein-Mann-Fraktion brachte mehr Gesetzesinitiativen und 
    parlamentarische Anfragen ein andere die meisten übrigen, sehr viel größeren 
    Fraktionen. Im Grunde genommen musste sich Avnery jedoch kaum umstellen: 
    Statt seine politischen Analysen und Streitschriften in seiner Zeitschrift 
    zu publizieren trug er sie nun in der Knesset vor. Seine juristischen 
    Kenntnisse, die er sich als Jugendlicher Ende der 1930er Jahre angeeignet 
    hatte, waren ihm hierbei eine außerordentliche Hilfe. Avnery wurde bald zu 
    einem enfant terrible der israelischen Politik: "Die Partei war ein 
    schreckliches Ärgernis", hebt Avnery (1995, S. 138) hervor.  
    Seine frühere Tätigkeit beim Irgun bewahrte ihn wohl vor einer 
    gesellschaftlichen Marginalisierung; die durch ihn entfachten kontroversen 
    Diskussionen wurden in der Knesset vorwiegend im Grundtenor eines 
    wechselseitigen Respekts ausgetragen. Eine häufige parlamentarische 
    Gegenspielerin für ihn war die frühere Ministerpräsidentin Golda Meir, mit 
    der ihn eine abgrundtiefe wechselseitige Abneigung verband:  
    "Nach ein paar Jahren erklärte Golda Meir als Ministerpräsidentin, sie sei 
    bereit, auf die Barrikaden zu steigen, um Uri Avnery aus dem Parlament 
    herauszubekommen. Gerade mit Golda hatte ich viele interessante 
    Zwischenfälle gehabt. Wir konnten uns nicht ausstehen. Ich hielt in den 60er 
    Jahren einmal eine Rede über Haschisch und sagte, es sei Unsinn, Haschisch 
    zu verbieten. Und mitten in meiner Rede habe ich mich selbst unterbrochen: 
    'Ich möchte der Abgeordneten Frau Meir antworten.' Der Vorsitzende: 'Aber 
    Frau Meir hat überhaupt nichts gesagt.' Darauf ich: 'Ich antworte nicht auf 
    ihre Zwischenrufe, sondern auf ihre Zwischengrimassen.' Solche Dinge gab es 
    immerzu. Ich muss sagen, ich habe mich in den ersten Jahren im Parlament 
    sehr amüsiert, als alles noch interessant war." (Avnery 1995, S. 138)  
    Innerhalb sowie außerhalb des Parlaments versuchte Avnery häufig, auf seine 
    eigenen Erfahrungen im Irgun Bezug nehmend, seinen Parlamentskollegen und 
    der israelischen Öffentlichkeit die moralische und historisch-politische 
    Vergleichbarkeit zwischen ihrer eigenen Befreiungsbewegung – oder wir mögen 
    auch sagen: den Terrorakten des Irgun – in den 30er und 40er Jahren gegen 
    die Engländer und Araber sowie der heutigen Aufstandsbewegung der 
    Palästinenser gegen Israel zu verdeutlichen. Diese Bemühungen blieben 
    weitgehend erfolglos. Hauptgrund hierfür sei die kollektive Verdrängung der 
    fürchterlichen wechselseitigen Gewalttaten, die sich Israelis und Araber in 
    einer Eskalationsstufe wechselseitiger Vergeltungen ab den 1920-er Jahren 
    zugefügt haben, vermutet Avnery. Er führt beispielhaft hierfür eine 
    parlamentarische Kontroverse mit Menachem Begin an. Wenn sie beide auch 
    nicht zeitgleich im Irgun gearbeitet hatten (Begin stieß erst zum Irgun, als 
    Avnery bereits ausgetreten war, und wurde dann ihr Anführer), so wusste 
    Begin doch von Avnerys seinerzeitiger Untergrundarbeit. 
    In seinem Buch aus 
    dem Jahr 1969, "Israel ohne Zionisten" (1969, S. 141f.) - sein erstes ins 
    Deutsche übersetzte Werk - , führt Avnery aus:
    "Israelis meiner Generation, die im Untergrund waren, sind meistens 
    außerstande zu verstehen, was heute Araber in den Untergrund treibt und wie 
    sie dort reagieren. Ich habe das später sehr oft mit Menachem Begin und 
    Yitzhak Shamir, zwei Exterroristen, erlebt. Ja, natürlich waren wir 
    Terroristen! Aber das können sie bis heute nicht akzeptieren. Wir waren 
    Freiheitskämpfer, sagen sie. Terroristen sind die anderen. (...) Einmal 
    hielt er (Begin) in der Knesset eine Rede für die Todesstrafe. Ich 
    antwortete: 'Abgeordneter Begin, Sie wissen doch besser als irgendjemand in 
    diesem Haus, dass Todesstrafe das allerbeste ist, was einer 
    Untergrundbewegung passieren kann.' Da sah er mich doch tatsächlich mit 
    großen, traurigen Augen an und sagte: 'Abgeordneter Avnery, wollen Sie 
    unsere Freiheitskämpfer etwa mit diesen abscheulichen arabischen Terroristen 
    vergleichen?' Das ist eine Sache, die mich immer etwas amüsiert. Aber, wie 
    gesagt, der Untergrund war ein sehr, sehr heftiges Erlebnis."  
    1973, unmittelbar nach dem traumatischen Yom-Kippur-Krieg, schied seine 
    Partei aus dem Parlament aus. Für fünf Jahre gehörte er dem Leitungsgremium 
    der damals starken israelischen Gewerkschaft Histadrut an, eine Tätigkeit, 
    die jedoch nicht seinem Naturell entsprach: "Es war unglaublich langweilig, 
    ich denke daran nur mit sehr großem Unbehagen zurück." (Avnery 1995, S. 141) 
    1979 gelang ihm mit der neugründeten Partei Sheli (Akronym für "Frieden in 
    Israel"), einem Zusammenschluss mehrerer kleiner linker politischer 
    Gruppierungen, noch einmal der Einzug in die Knesset. Als er 1981 das 
    Parlament verließ – er rotierte für einen arabischen Abgeordneten seiner 
    Partei – empfand er dies scheinbar nicht als sonderlichen Verlust: "Ich 
    hatte aber keine richtige Lust mehr, denn das Parlament hatte sich sehr 
    verändert. Das Niveau sank von Wahl zu Wahl." (Avnery 1995, S. 141) 
    "Israel ohne Zionisten" 
    1968, unmittelbar nach dem von Israel gewonnenen Sechs-Tage-Krieg, welcher 
    weitreichende geopolitische Veränderungen im Nahen Osten zur Folge hatte, 
    fügte Avnery seine Analysen und Reflexionen in dem Buch "Israel without 
    Zionists", zusammen, welches ein Jahr später auf Deutsch unter dem Titel 
    "Israel ohne Zionisten" erschien. Es besteht aus 14 essayhaft gestalteten 
    Kapiteln, die auch heute noch sehr lesenswert sind. Der autodidaktisch 
    geschulte Journalist Avnery hielt sich seinerzeit zu einem dreiwöchigenn 
    Besuch in den Vereinigten Staaten auf und plante für jeden Tag die 
    Fertigstellung eines Kapitels. Da er an einem Tag an einer 
    Massendemonstration gegen den Vietnamkrieg teilnahm und keine Zeit zum 
    Schreiben fand, musste ein Kapitel ungeschrieben bleiben. In seiner 
    Einleitung, mit "Ein Israeli" betitelt, entfaltet Avnery seine hohe 
    literarisch-essayistische Kompetenz. Er hat zu einem reifen Stil gefunden:  
    "Ich gebe nicht vor, objektiv zu sein, was Israel angeht. Ich glaube, 
    niemand ist es oder könnte es sein. Es liegt etwas in der Luft unseres 
    Landes, das extreme Haltungen und Erscheinungen hervorruft. Extrem ist das 
    Licht des Sommers, extrem sind die Regenfälle im Winter. (...) Fast alles, 
    was heute über Israel geschrieben wird, ist Propaganda. (...) Ich will in 
    diesem Buch versuchen, ein anderes Bild zu zeichnen. Ich glaube, dass auf 
    beiden Seiten Menschen stehen, die teils recht, teils unrecht haben. Ich 
    möchte aufzeichnen, wie zwei große historische Bewegungen, beide 
    authentisch, beide von hohen Idealen beflügelt, auf den Schlachtfeldern 
    Palästinas zusammenprallten, vergeblich versuchten, sich gegenseitig zu 
    vernichten, und nichts weiter vermochten, als die Seele der einen wie der 
    anderen an ihrer Entfaltung zu hindern.  
    Doch während ich versuche, beiden Seiten gerecht zu werden, bin ich mir 
    bewusst, dass ich als Teil der einen nicht objektiv sein kann. Ich bin ein 
    Israeli. Wie die meisten von uns bin ich stolz auf die vielseitigen 
    Leistungen meines Volkes. Wie einige von uns habe ich ein waches Empfinden 
    für unsere Fehler und unser Versagen. Ich bin ein Israeli, der 
    leidenschaftlich an den Frieden glaubt, der jedoch den größten Teil seines 
    Lebens im Krieg gelebt hat." (Avnery 1969, S. 7)  
    Avnery, inspiriert durch seine höchst außergewöhnlichen biographischen 
    Erfahrungen sowie die höchst außergewöhnliche Situation Israels unmittelbar 
    nach dem eindrucksvoll bestandenen 1967-er Sechstagekrieg gegen mehrere 
    arabische Staaten, sieht die große Chance, über die Vermittlung seiner 
    eigenen Biographie die komplexen und tragischen Ursachen für die tödlichen 
    Eskalationen der nahöstlichen Tragödie seinen Landsleuten besser verstehbar 
    zu machen.  
    Der Intellektuelle Avnery lässt sein Buch in einem für ihn ungewohnten Ton 
    ausklingen. Wir mögen uns an das Lebensmotto des jüdischen KZ-Überlebenden 
    Bruno Bettelheim erinnert fühlen, wonach Herz und Verstand nicht länger 
    getrennt bleiben dürfen: "Unser Herz muss die Welt der Vernunft kennen, und 
    die Vernunft muss sich von einem wissenden Herzen leiten lassen." 
    (Bettelheim 1960, S. 8; s. Kaufhold 2001, 2003) Er formuliert abschließend: 
    "Wenn wir mit unserem Herzen wie mit unserem Verstand verstehen lernen, 
    welches die Gründe für den Ausbruch des israelisch-arabischen Konfliktes 
    waren und wie es geschehen konnte, dass dieser Konflikt bereits drei 
    Generationen lang andauert, werden wir die Weisheit erlangen, zu heilen." (Avnery 
    1969, S. 236)  
    Bücher, Bücher, Bücher – Kontakte zu Hamami, Sartawi und Arafat 
    Avnery hat eine unüberschaubare Anzahl von Zeitschriftenbeiträgen und elf 
    Bücher veröffentlicht, von denen nicht alle ins Deutsche übersetzt wurden. 
    So publizierte er anlässlich seiner journalistischen Tätigkeit beim 
    Eichmann-Prozess Anfang der 60er Jahre – der die Verarbeitung der Shoah in 
    einer entscheidenden Weise fokussierte und dynamisierte (s. Greif 2003) – 
    das Buch "Das Hakenkreuz", welches nur auf Hebräisch erschien. Hierin 
    versuchte er seinen israelischen Landsleuten zu erklären, wer die Nazis 
    waren und wie sie an die Macht gekommen sind.  
    Zur Zeit der deutschen Wiedervereinigung reiste Avnery gemeinsam mit seiner 
    Frau Rachel durch sechs Staaten des ehemaligen Ostblocks, führte dort 
    zahlreiche Gespräche. Es entstand mit "Lenin lebt hier nicht mehr" ein 
    journalistisches Reisebuch, welches ebenfalls nur in Israel erschien, dort 
    jedoch recht erfolgreich war.  
    Von zentraler, existentieller Bedeutung war für Avnery jedoch der 
    lebenslange Versuch, Brücken zu einigen führenden Palästinensern zu 
    schlagen, um die wechselseitige Eskalation der Feindseligkeiten zwischen 
    Israelis und Palästinensern zu durchbrechen. Am 11. Juni 1967, am fünften 
    Tag des Sechstagekrieges, appellierte er in einem offenen Brief an den 
    damaligen Ministerpräsidenten Eshkol, den unterlegenen Palästinensern 
    unverzüglich die Gründung eines eigenen Staates anzubieten. Nicht wenigen 
    Nahostforschern erscheint das Unterbleiben einer solchen Geste der 
    Versöhnung – der unumstrittene militärische Siegers streckt dem Unterlegenen 
    seine Hand zur Versöhnung aus – , als eine historisch vielleicht einmalige 
    Chance, die ungenutzt geblieben ist (s. Bernstein 2000, 2006).  
    1975 gründete Avnery, u.a. gemeinsam mit dem bekannten ehemaligen 
    israelischen General Matti Peled, den Israelischen Rat für 
    Israelisch-Palästinensischen Frieden; der Auftakt für zahlreiche Gespräche 
    zwischen israelischen und palästinensischen Intellektuellen und 
    Schriftstellern in den 1980er und 1990er Jahren. Bereits Ende 1973, 
    unmittelbar nach seinem ersten Ausscheiden aus dem Parlament, begann Avnery 
    seine direkten Gespräche mit einigen ausgewählten einflussreicheren und 
    gesprächsbereiten palästinensischen Gesprächspartnern – mit Said Hamami und 
    Issam Sartawi, beide Funktionäre der PLO. Regelmäßig trafen sie sich, meist 
    unter absoluter Geheimhaltung – Kontakte, die für beide Seiten 
    lebensgefährlich waren und sowohl für Hamami als auch für Sartawi tödlich 
    enden sollten; sein Freund Hamami wurde 1978, Sartawi im April 1983 am Rande 
    einer Konferenz der Sozialistischen Internationalen in Portugal von 
    palästinensischen Extremisten der Abu-Nidal-Bande ermordet.  
    Avnery hatte Yitzhak Rabin, mit dem ihn eine lockere Freundschaft und eine 
    wechselseitige Wertschätzung verband, über den Inhalt ihrer Gespräche 
    informiert. Diese wurden von Rabin, obwohl sie seinerzeit in Israel de jure 
    verboten waren, stillschweigend geduldet. Sie führten 1982 zu Avnerys 
    weltweit beachtetem, spektakulärem Besuch bei Arafat im seinerzeit 
    belagerten Beirut.  
    Diese den Zeitraum von 15 Jahren umspannenden Gespräche publizierte Avnery 
    1988 in seinem journalistischen, teilweise wie ein Krimi zu lesenden Buch 
    "Mein Freund, der Feind". Es ist ein eindrucksvolles Dokument des 
    wagemutigen Versuches einiger Weniger, mit ungebrochenem Mut, in klarer 
    Einsicht von der äußersten Fragwürdigkeit, wenn nicht sogar Vergeblichkeit 
    der eigenen Bemühungen, Brücken zwischen zutiefst verfeindeten Lagern zu 
    bauen.  
    So leitet er das ebenfalls mit "Mein Freund, mein Feind" überschriebene 
    Kapitel (Avnery 1988, S. 58-64) mit einer Beschreibung der Szene ein, in der 
    er Said Hamami 1973 erstmals traf – es war überhaupt das erste Treffen eines 
    PLO-Offiziers mit einem Israeli; ihm waren monatelange konspirative Kontakte 
    und Vermittlungen Dritter vorausgegangen:  
      
    "Es klopfte leise an der Tür.  
    Ich zögerte einen Augenblick, bevor ich öffnete.  
    Der Mann sah jünger aus, als ich erwartet hatte, etwa 34. Er hatte sanfte 
    dunkle Augen, schwarzes Haar, ein ziemlich rundes Gesicht. Er war 
    konservativ gekleidet, nach englischer Art. Er sah ganz und gar nicht wie 
    ein gefährlicher Terrorist aus.  
    Ich sagte ahlan wa-sahlan. Willkommen.  
    Er trat ins Zimmer, blickte sich rasch um, sah, dass ich allein war. Wir 
    sahen uns an, zwei Menschen in einem Londoner Hotelzimmer. Ich glaube, wir 
    mochten uns.  
    Wir waren Feinde. 
    Es war eine gefährliche Begegnung. Wir hatten beide ein Risiko auf uns 
    genommen. Er kannte meinen Namen und wusste wofür ich eintrat. Aber er 
    konnte nicht sicher sein, dass die ganze Sache nicht eine Falle des Mossad 
    war." (Avnery 1988, S. 58)  
      
    In dem abschließenden Kapitel "Gefangene ihrer Geschichte" blickt Uri Avnery 
    auf diese langen Gespräche zurück, die mit dem Tod seiner beiden Freunde 
    endeten, die doch zugleich seine Feinde waren; Freunde, deren Tapferkeit und 
    Entschlossenheit für ihn ein Vorbild wurden. In ihren Gesprächen hatten sie 
    Neuland betreten, fortgesetzt mit vielfältigen Tabus belegte Grenzen 
    überschritten, sich in die gefährliche Position eines Aussenseiters, eines 
    von der kollektiven Ausstoßung Bedrohten begeben, sich an Tollkühnheit zu 
    überbieten versucht.  
    Avnery resümiert: "An dieser Stelle beende ich meine Geschichte. Nicht weil 
    sie zu Ende wäre. Im Gegenteil. (...) Ich habe mich bemüht, diese Geschichte 
    so wahrheitsgemäß zu erzählen, wie ich konnte. Vielleicht ist es eine 
    traurige Geschichte, vielleicht macht sie auch Mut. Wir haben eine Unmenge 
    Niederlagen und Rückschläge erlitten. Aber wir sind auch auf menschliche 
    Beharrlichkeit gestoßen, auf Hingabe an ein Ideal, auf Mut im Angesicht des 
    Gegners. Menschen haben ihr Leben hingegeben. (...) Ist überhaupt etwas 
    erreicht worden? (...) Für mich ist die Antwort selbstverständlich. Diese 
    lang Mühe, dieses Abenteuer für den Frieden ist von historischer Bedeutung." 
    (Avnery 1988, S. 404)  
    Avnery zeichnet die Entwicklung der PLO nach; sie habe eine immense 
    Entwicklung hin zu einer Verständigung gemacht, habe das Existenzrecht 
    Israels anerkannt. Der Dialog sei grundsätzlich möglich – trotz langer 
    Phasen der Irritation, trotz aller Rückschläge. Mit ungebrochenem Optimismus 
    hebt er die Bedeutung des Dialogs hervor:  
    "... Man wechselt nicht nur Worte, man tauscht Blicke aus, unfreiwilliges 
    Mienenspiel, unbewusste Gesten. Man überredet und wird überredet auf 
    vielfache Weise, bewusst und unbewusst. (...) Man schließt nicht anders 
    Frieden als mit Feinden, und man schließt nicht Frieden mit Feinden, die man 
    verabscheut oder als unmenschliche Monster betrachtet. Nach vier 
    Generationen des Kampfes zwischen Juden und Palästinensern werden die Feinde 
    – die PLO und ihre Führer – von jüdischen Israelis als Dämonen angesehen, 
    als Ungeheuer. Genau so sehen die Palästinenser die verhassten Zionisten 
    nicht als normale Menschen mit ihren alltäglichen Hoffnungen und Sorgen, 
    sondern als die neuen Nazis, außerhalb der Grenzen der Menschlichkeit. Unser 
    Dialog hat dazu beigetragen, diese diabolischen Bilder zu erschüttern. Er 
    hat jede Seite in den Augen der anderen entdämonisiert." (Avnery 1988, S. 
    405)  
    Avnery ließ sich trotz aller Rückschläge nicht entmutigen. Es folgte die 
    Gründung des "Friedensblocks" 
    Gush Shalom, eine 
    radikal-progressiv eingestellte Gruppierung innerhalb des breiten Spektrums 
    der israelischen Friedensbewegung.
    Neben gemeinsamen Demonstrationen von Israelis und Palästinensern gegen 
    militärische Übergriffe, gegen den Mauerbau sowie gegen den Ausbau von 
    jüdischen Siedlungen auf vormals palästinensischem Gebiet hat Gush Shalom 
    auch detaillierte Pläne ausgearbeitet und publiziert, wie die verschiedenen 
    komplexen Streitfragen zwischen Israelis und Palästinensern rechtlich und 
    politisch geklärt werden können. 1991, zu Zeiten des Irak-Krieges, 
    publizierte Avnery auf Deutsch den leicht zu lesenden, informativen Band 
    "Wir tragen das Nessos-Gewand. Israel und der Frieden im Nahen Osten". 
    Der sogenannte Friedensprozess zwischen Israel und "den" Palästinensern ist 
    vor allem an vier Fragenkomplexen gescheitert, die weitgehend aus den Osloer 
    Verhandlungen ausgeklammert worden sind: Die Frage des Rückkehrrechts der 
    1948 geflohenen bzw. vertriebenen Palästinenser, das Siedlungsproblem, die 
    Jerusalemfrage und die Frage nach den künftigen Grenzen. Doch über all 
    diesen Problemen steht der Streit über die Souveränität in den 
    palästinensischen Gebieten (s. Bernstein 2000, 2006). 1996 veröffentlichte 
    Avnery zusammen mit Azmi Bishara auf Deutsch den umfangreichen 
    Interviewband 
    "Die Jerusalemfrage", in dem elf namhafte Israelis und 
    Palästinenser über mögliche Lösungsversuche befragt werden.  
    Die Streitgespräche verdeutlichen die große Fülle von Einschätzungen und 
    Lösungsvorschlägen sowie zugleich die Komplexität dieser Thematik. Azmi 
    Bishara, 1956 in Nazareth geboren, hatte in Ostberlin Philosophie studiert. 
    Er war ein Palästinenser mit israelischem Pass, der Mitglied der Knesset 
    war. Vor zwei Jahren floh er aus Israel in ein arabisches Land, um einer 
    Verhaftung zu entgehen. Er wurde beschuldigt, während des Libanonkrieges 
    militärische Staatsgeheimnisse an die Hisbollah verraten zu haben. 
    Preise, Preise, Preise oder: Ein unverbesserlicher Optimist 
    Die Liste der Auszeichnungen, welche Uri Avnery in den letzten Jahren 
    erhalten hat, ist lang und eindrucksvoll – und doch sind ihm diese Preise 
    nahezu ausschließlich nur in Europa verliehen worden. In Israels selbst, so 
    will es mir scheinen, ist Avnery in eine immer randständigere Position 
    geraten. Das Scheitern von Oslo, der Ausbruch der zweiten Intifada, aber 
    auch die Verzweiflung vieler progressiver israelischer Intellektueller über 
    einen vermeintlichen Mangel an Ansprechpartnern innerhalb der 
    palästinensischen Intelligenz – wie dies u.a. vom israelischen 
    Schriftsteller Yoram Kaniuk beklagt wird –, hat zum Erosionsprozess 
    innerhalb der israelischen Linken, zu einem zunehmenden Prozess der 
    Resignation und des Fatalismus geführt. Und dennoch: Unbeirrbar hält Avnery 
    an seinen Positionen fest, vertraut auf die Umkehrbarkeit der 
    blindwütig-gewalttätigen Esakalationsprozesse. 
      
    1995 erhielt Avnery den Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis der Stadt 
    Osnabrück, 1996 die Ehrenbürgerschaft der israelisch-arabischen Ortschaft Kafr Kassem, in Anerkennung seines Anteils an der Aufdeckung eines Massakers 
    im Oktober 1956, bei dem 48 Menschen ums Leben kamen, 1997 (zusammen mit 
    Gush Shalom) den Aachener Friedenspreis, 1998 den Wiener Bruno-Kreisky-Preis 
    für Verdienste um die Menschenrechte, den Niedersachsen-Preis für 
    hervorragende publizistische Leistungen sowie den Palästinensischen Preis 
    für Menschenrechte, 2001 den renommierten alternativen Nobelpreis (zusammen 
    mit seiner Frau Rachel sowie Gush Shalom), 2002 die Ehrenmitgliedschaft in 
    der Erich-Maria Remarque Gesellschaft Osnabrück, ebenfalls 2002 den 
    Carl-von-Ossietzky-Preis, und kürzlich, im Mai 2003, wurde ihm in Köln durch 
    Fritz Pleitgen der Lew-Kopelew-Preis verliehen. 2005 erhielt er erstmals 
    einen israelischen Preis - den Sokolew Preis für sein lebenslanges 
    journalistisches Wirken. 2003, anlässlich seines 80. Geburtstages, erschien 
    unter dem Titel "Ein Leben für den Frieden" ein Band mit seinen politischen 
    Essays aus den letzten Jahren. Diese Essays verschickt Avnery seit vielen 
    Jahren mit außergewöhnlicher Zuverlässigkeit per e-mail an ein 
    internationales Publikum. Einig Teil dieser Essays wird ins Deutsche 
    übersetzt und in verschiedenen deutschsprachigen Zeitungen, u.a. im freitag, 
    publiziert. 
      
    
    Bei der Verleihung des Lew-Kopelew-Preises 2003, Uri 
    Avnery im Gespräch 
    mit Bernd Nitzschke (links) und Roland Kaufhold (Mitte),
    © Maria Nitzschke 
    Die augenfällige Diskrepanz der 
    politischen Wertschätzung, die Avnery unter Israelis und Palästinensern 
    einerseits und in Europa andererseits genießt, legt die Frage nach den 
    Quellen seines offenkundig unversiegbaren Optimismus nahe. Hierzu könnte man 
    diverse Vermutungen und Erklärungsansätze bemühen. Ich habe mich in diesem 
    Beitrag an einem biographisch-psychologischen Verstehenszugang versuchen. 
    Dass dieser Zugang durchaus im Einklang mit Uri Avnerys eigenen publizierten 
    Bemühungen steht, glaube ich zumindest zwei Umständen entnehmen zu können: 
    Ich habe vorhergehend die Passage zitiert, in der Avnery in dem Interview 
    mit Koppel an den "ansteckenden Optimismus", an den Glauben seines Vaters an 
    den Menschen erinnert, wodurch dieser bei seinen Mitmenschen in Israel so 
    beliebt wurde. Avnery schließt hieran eine psychologische Deutung an, wenn 
    er über seinen Vater ausführt: "In Deutschland war er immer ziemlich krank 
    gewesen – er hatte Nierensteine und solche Sachen, die ihn sehr quälten, 
    aber hier im Lande war das alles sofort weg. Vielleicht vom Fahrradfahren, 
    das war seine Theorie. Aber vielleicht war es auch psychosomatisch." (Koppel 
    2000, S. 138)  
      
    Auch möchte ich auf Avnerys (1969a) tiefgründiges, trotz aller gravierenden 
    politischen Differenzen liebevoll gehaltenes psychologisch-biographisches 
    Porträt Moshe Dayans verweisen, ein Beispiel einer an Aufklärung 
    interessierten politischen Psychologie.[4] Avnery bemerkt hierin einführend: 
    "Das Leben und die Karriere Dayans sind des Studiums wert, nicht nur wegen 
    des Einflusses, den er auf die israelische Politik ausübte, sondern vor 
    allem, weil Dayan selbst ein exemplarisches Produkt der zionistischen 
    Geschichte ist." (S. 127)  
      
    Und:  
    "... Wie ist er ein solcher Mann geworden? Was treibt ihn und hält ihn in 
    Gang? Soweit es überhaupt möglich ist, auf diese Fragen eine Antwort zu 
    finden, muss man sie sowohl im psychologischen Bereich wie in der Geschichte 
    des Zionismus suchen." (S. 132) 
      
    Es finden sich hierin deutende Passagen über Dayans markante 
    Persönlichkeitsstruktur – welche Dayan insbesondere nach dem 67er-Krieg in 
    Israel zu einem Nationalhelden und im Ausland zum wohl berühmtesten Israeli 
    machten –, die den Ausführungen Wirths (2002) über narzisstische 
    Persönlichkeitsstrukturen entsprechen., wie etwa die folgende: 
      
    "Dayan hat keinen Kontakt zu Menschen. Er hat keinerlei enge Bindungen, 
    weder im Kreis seiner Familie noch in einer sozialen Gruppe[5]. Er hat 
    keinen einzigen Freund in der Welt. Er verfügt über einen unwahrscheinlichen 
    Charme und kann jeden bezaubern, aber er kann zu keinem eine echte innere 
    Beziehung knüpfen." (S. 131) Oder: "Der Knabe Mosche, der unter dem Schutz 
    seiner Mutter in dem kooperativen Dorf Nahalal aufwuchs, war sensibel und 
    sanft. Auf Bildern, die ihn als Dreijährigen zeigen, hat er ein liebliches 
    rundes Gesicht; (...) Es ist das Gesicht eines Knaben, der in einer anderen 
    Gesellschaft ein empfindsamer Mann geworden wäre, ein Schauspieler 
    vielleicht oder ein Dichter. (...) Nach der Grundschule besuchte er die 
    landwirtschaftliche High School. Das war insofern recht ungewöhnlich, als es 
    sich um eine Mädchenschule handelte, und Moshe Dayan war der einzige Junge. 
    (...) Wie alle sensiblen Kinder, die gegen ihren eigentlichen Charakter 
    angehen, verfiel er ins entgegengesetzte Extrem, und er musste für diese 
    künstliche und seiner Natur zuwiderlaufende Abhärtung einen Preis zahlen; er 
    legte sich ein psychogenes Geschwür zu, unter dem im allgemeinen die 
    Menschen leiden, die versuchen, hinter einer ihrem wahren Wesen 
    widersprechenden Fassade ihre Gefühle zu verbergen. Dayan lernte nicht, mit 
    seinen Emotionen zu leben, sondern er unterdrückte sie und wurde unfähig zu 
    gefühlsmäßigen Beziehungen zu anderen Menschen. Er ist nicht ein Mann, der 
    die Furcht besiegte, sondern eher einer, der seine Ängste abtötete, für den 
    Furchtlosigkeit ein Kult wurde – der Krieger, der in die Schlacht rennt, der 
    General, der persönlich an Vergeltungsüberfällen teilnimmt, der 
    Generalstabschef, der während des Sinai-Krieges im Mittelpunkt des 
    Schlachtfeldes auftaucht, der Verteidigungsminister, der in einem offenen 
    Jeep den Ölberg hinauffährt, während rundherum alles voll ist von wild 
    schießenden Heckenschützen." (S. 132-134)  
      
    Avnerys auffallende Fähigkeit, sich in Dayans innere Konflikte einzufühlen, 
    diese als pointierte Charakterstrukturen zu verstehen, die zugleich einige 
    typische israelische Charakterzüge repräsentiere, mit denen jeder im Land 
    aufgewachsene Israeli sich auseinandersetzen müsse, zeichnet Avnery auch als 
    einen politischen Psychologen aus. Dayans Lebensweg spiegele in verdichteter 
    Weise die massiven Konflikte und inneren Widersprüche Israels [wider] und 
    verweise hierdurch zugleich auf Möglichkeiten einer friedlicheren Zukunft, 
    für die es sich zu entscheiden gelte. Abschließend betont Avnery, auf die 
    ungewisse Zukunft Israels verweisend: "Es kann geschehen, dass Israel "dajanisiert" 
    wird – es kann aber auch eine völlig andere Entwicklung nehmen. Es steht 
    jetzt an einem Kreuzweg. Welchen Weg es einschlagen wird, hängt weitgehend 
    davon ab, wie es seine inneren Konflikte löst." (Avnery 1969a, S. 153)
     
     
    Avnery hat verschiedentlich die psychologische Vorbildfunktion seines 
    ungebrochen optimistischen, innerlich stolzen Vaters für seine eigene 
    Entwicklung als publizistisch-literarischer und politischer Aktivist 
    hergehoben (s.o.).  
     
    In einem Interview vor acht Jahren fasste der damals 77jährige seinen 
    Respekt vor dem Lebenswerk seines Vaters mit den Worten zusammen: "Je älter 
    ich werde, um so mehr denke ich an meine Eltern. Was mussten sie auf sich 
    nehmen! Von einem Klima in ein anderes, von einer Sprache in eine andere, 
    von einer Kultur in eine andere, von einer Gesellschaftsschicht in eine 
    andere, von einer Lebensform mit Tausenden von Einzelheiten in eine andere 
    mit tausend anderen Einzelheiten, von einer Landschaft in eine andere, von 
    einer Lebensart in eine andere. Je älter ich werde, um so mehr bewundere ich 
    unsere Eltern, die das irgendwie überlebt und überstanden haben und es dazu 
    noch fertigbrachten, hier ein glückliches Leben zu führen. Alle Achtung!" 
    (2000, S. 147f.) 
    Aktualisierte und erweiterte Version 
    der Studie: Roland Kaufhold: Vom Irgun zur israelischen Friedensbewegung. 
    Zum 80. Geburtstag des israelischen Friedensaktivisten Uri Avnery, 
    psychosozial Nr. 93, H. 3/2003, S. 107 - 122; diese Studie wurde unter dem 
    Titel "Uri Avnery: Ein Porträt" weiterhin publiziert in: Uri Avnery (2003): 
    Ein Leben für den Frieden. Heidelberg (Palmyra), S. 258-287. Wir danken dem 
    Psychosozial-Verlag, Gießen sowie seinem Inhaber, Prof. Dr. Hans-Jürgen 
    Wirth für die freundliche Abdruckgenehmigung. 
    Literatur:  
      
    Adalist, R. (2003): Die Kinder des Traums. In: Kaufhold el.al. (Hg., 2003).
     
      
    Avnery, U. (1949/2005): In den Feldern der Philister. In: Avnery (2005): In 
    den Feldern der Philister Meine Erinnerungen aus dem israelischen 
    Unabhängigkeitskrieg. Kreuzlingen/München (Diederichs/ H. Hugendubel), S. 
    23-256. 
      
    - (1950/2005): Die Kehrseite der Medaille. In: Avnery (2005): In den Feldern 
    der Philister Meine Erinnerungen aus dem israelischen Unabhängigkeitskrieg. 
    Kreuzlingen/München (Diederichs/ H. Hugendubel), S. 257-429.  
      
    - (1961): Das Hakenkreuz (hebräisch).  
      
    - (1969): Israel ohne Zionisten. Gütersloh (Bertelsmann).  
      
    - (1969a): Mosche Dajan: Ein einsamer Wolf. In: Avnery (1969), S. 127-153.
     
      
    - (1969b): 1 gegen 119. Uri Avnerys Reden in der Knesset, redigiert von 
    Amnon Zichroni (hebräisch).  
      
    - (1988): Mein Freund, der Feind. Bonn (Dietz). 
      
    - (1991): Wir tragen das Nessos-Gewand. Israel und der Frieden im Nahen 
    Osten. Bonn (Dietz). 
      
    - (1991a): Lenin wohnt hier nicht mehr (hebräisch).  
      
    - (1995): Zwei Völker, zwei Staaten. Gespräche über Israel und Palästina. 
    Heidelberg (Palmyra).  
      
    - - /A. Bishara (Hg., 1996): Die Jerusalemfrage. Israelis und Palästinenser 
    im Gespräch. Heidelberg (Palmyra). 
      
    - (2003):Ein Leben für den Frieden. Heildelberg (Palmyra). 
      
    - (2003): Shalom Rudi. Nachruf auf Rudolf Augstein. In: Avnery (2003), S.
     
      
    - (2005) In den Feldern der Philister. Meine Erinnerungen aus dem 
    israelischen Unabhängigkeitskrieg. Kreuzlingen/München (Diederichs/ H. 
    Hugendubel). 
      
    - (2005a): Von Gaza nach Beirut. Salzburg (Kitab)  
      
    Bernstein, R. (2000): Der verborgene Frieden. Politik und Religion im Nahen 
    Osten. Berlin (Jüdische Verlagsanstalt).  
      
    Bernstein, R. (2006): Von Gaza nach Genf. Die Genfer Friedensinitiative von 
    Israelis und Palästinensern. München (Wochenschau). Internet: 
    www.hagalil.org/hagalil/01/de/Israel.php?itemid=1095 ; sowie:
    www.fritz-bauer-institut.de/rezensionen/nl31/11-Hansen.pdf. 
      
    Brecher, D. C. (2005): Fremd in Zion. Aufzeichnungen eines Unzuverlässigen. 
    München (Deutsche Verlags-Anstalt). Internet:
    
    http://www.hagalil.com/01/de/index.php?itemid=1341 
     
    Greif, G./McPershin/Weinbaum (Hg., 2000): Die Jeckes: deutsche Juden aus 
    Israel erzählen. Köln 2000 (Böhlau).  
      
    Greif, G. (2003): Stufen der Auseinandersetzung im Verständnis und 
    Bewusstsein der Shoah in der israelischen Gesellschaft, 1945 – 2002, 
    psychosozial, ev. Heft 2/2003.  
      
    Guggenheim-Shbeta, E./E. Shbeta (2005): Oase des Friedens. Wie eine Jüdin 
    und ein Palästinenser in Israel ihre Liebe leben. München 2004 (Heyne 
    Verlag), 
    Internet: http://www.hagalil.com/01/de/index.php?itemid=1341 
      
    Hobrecht, J. : Fernsehfilm über Avnery; dieser wurde einige Male im 
    deutschen Fernsehen und bei Arte gezeigt wurde.  
      
    Kaufhold, R. (1996): Ein moralischer Anarchist. Der streitbare Schweizer 
    Psychoanalytiker Paul Parin wird heute 80 Jahre alt, Frankfurter Rundschau, 
    20.9.1996, S. 7 
      
    - (2001): Bettelheim, Ekstein, Federn: Impulse für die 
    psychoanalytisch-pädagogische Bewegung. Gießen (Psychosozial-Verlag).  
      
    - /T. Lieberz-Groß (Hg., 2001): Deutsch-israelische Begegnungen, 
    psychosozial Heft 83 (1/2001).  
      
    - (Mithg., 2003): Bruno Bettelheim (1903 – 2003): "So können sie nicht 
    leben", Zeitschrift für politische Psychologie, Heft 3/2003. 
      
    - (2003): Uri Avnery: Ein Porträt, in: Avnery, U. (2003): Ein Leben für den 
    Frieden. Heidelberg (Palmyra), S. 258-287. 
      
    - (2008a): Siegfried Bernfeld - Psychoanalytiker, Zionist, Pädagoge. Vor 55 
    Jahren starb Siegfried Bernfeld, in: TRIBÜNE, Nr. 185 (H. 1/2008), 
    S.178-188. 
      
    - (2008b): "Das Leben geht weiter". Hans Keilson, ein jüdischer 
    Psychoanalytiker, Schriftsteller, Pädagoge und Musiker, in: Zeitschrift für 
    psychoanalytische Theorie und Praxis (ZPTP), Heft 1/2-2008, S. 142-167. 
      
    Kloocke, R. (2002): Mosche Wulff. Zur Geschichte der Psychoanalyse in 
    Russland und Israel. Tübingen. 
      
    Koppel, G. (2000): Heimisch werden. Lebenswege deutscher Juden in Palästina. 
    Hamburg 2000 (Europäische Verlagsanstalt).  
      
    Nitzschke, B. (2003): Lew Kopelew Friedenspreis an Uri Avnery und Sari 
    Nusseibeh. In: Werkblatt, Nr. 32. Internet: 
    www.werkblatt.at/nitzschke/text/Friedenspreis_Uri.htm 
      
    Nusseibeh, S. (zus. mit Anthony David) (2008): Es war einmal ein Land. Ein 
    Leben in Paslästina. München 2008 (Verlag Antje Kunstmann). Internetlink zu 
    meinem Nusseibeh-Beitrag schalten! 
      
    Oz, A. (1995): Die Hügel des Libanon. Politische Essays. Frankfurt/M.  
      
    Oz, A. (2005): Eine Liebe in den Zeiten der Finsternis. 
      
    Pleitgen, F. (2003): Begründung der Preisverleihung des Lew Kopelew 
    Friedenspreises an Uri Avnery und Sari Nusseibeh. Internet: 
    www.kopelew-forum.de/d/v/Preisbegruendung_Fritz_Pleitgen_2003.pdf 
      
    Primor, A. (2003): Laudatio auf Uri Avnery und Sari Nusseibeh anlässlich der 
    Verleihung des Lew Kopelew Friedenspreises: 
    www.kopelew-forum.de/d/v/Laudatio_Avi_Primor.pdf. 
      
    Schneider, R. C. (1998): Ein Gespräch mit Uri Avnery: Israelischer Publizist 
    und Friedensaktivist, Bayrischer Rundfunk, Alpha-Forum, 7. Mai 1998. 
    Internet: http://buecher.hagalil.com/sonstiges/juden.htm 
     
    Sommerfeld, N. (2008): "Der einzige wirkliche Feind ist Gleichgültigkeit": 
    Interview mit Gideon Levy:
    
    http://www.hagalil.com/01/de/Israel.php?itemid=2356&catid=11 
      
    Wirth, H.-J. (2002): Narzissmus und Macht. Zur Psychoanalyse seelischer 
    Störungen in der Politik. Gießen (Psychosozial-Verlag).  
    
    Anmerkungen: 
    [1] Hier unterliegt Avnery einer Fehlerinnerung: 17 bzw. 18 
    Jahre nach Ben-Gurions Ankunft in Palästina wurde er geboren; insofern 
    liegen zwischen ihrer jeweiligen Ankunft in Palästina 27 bzw. 28 Jahre. 
    [2] In der 2005 publizierten, von seinem früheren, heute 
    in Deutschland lebenden Mitarbeiter Michael K. Nathan übersetzten 
    deutschsprachigen Version wird der Titel mit "Die Kehrseite der Medaille" (Avery 
    2005) übersetzt. 
    [3] Siehe hierzu inhaltlich ergänzend das Buch "Fremd in 
    Zion. Aufzeichnungen eines Unzuverlässigen" von Daniel Cil Brecher (2005), 
    in welchem eine vergleichbare Erfahrung beschrieben wird. Internet:
    
    http://www.hagalil.com/01/de/index.php?itemid=1341 
    [4] Siehe hierzu das von Hans-Jürgen Wirth (2002) 
    verfasste Buch "Narzissmus und Macht", welches ein vorzügliches 
    Grundlagenwerk einer politischen Psychologie ist. 
    [5] Dayans Tochter Yael Dayan, welche Avnery in diesem 
    Essay mehrfach zustimmend zitiert, gehörte von 1992 bis 2003 als Abgeordnete 
    der Knesset an – zuerst für die Arbeiterpartei; im Herbst 2002 wechselte sie 
    zur linksliberalen Meretz. In der tageszeitung (taz) vom 30.1.2003, S. 6, 
    ist ein lesenswertes Interview mit ihr erschienen, in welchem sie die 
    schwere Wahlniederlage der Arbeiterpartei sowie von Meretz selbstkritisch 
    analysiert. 
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