ZÜRICH/UBS - Präsident Cabiallavetta präzisiert
gegeüber der JR Aussagen des ICZ-Podiums
Bedauern mit Schweizer Juden
Dass Mathis Cabiallavetta, der
designierte Verwaltungsratspräsident der «neuen» UBS, weder ein Problem mit
der jüdischen Gemeinschaft im allgemeinen noch mit der Aufarbeitung der Rolle
von Schweizer Banken während der Nazizeit habe, betonte er nicht erst am 24.
Februar während des Podiumsgesprächs im Saal der Israelitischen Cultusgemeinde
(ICZ). Auf den Tag genau drei Monate vorher, am 24. November 1997, hatte er an
einer Diskussionsveranstaltung der Stadtzürcher FDP im Kongresshaus das
Publikum bereits durch eine Fähigkeit zu unverkrampfter Selbstkritik und zum
unverstellten Blick nach rückwärts wie nach vorne erstaunt. Schon damals
nannte er eine stattliche Summe, die sich allein die UBS ihre Archivarbeit
kosten lässt; nur musste er die damals angenommenen 60 bis 70 Millionen
Franken für das Jahr 1997 in der ICZ beträchtlich nach oben, auf 100
Millionen, korrigieren.
Auch in der ICZ bekräftigte Mathis
Cabiallavetta seine Auffassung, die Banken hätten das Problem zuerst nicht
ernst genug genommen und seien davon überfordert gewesen. Doch jetzt, sagte
er, «stimme die Stimmung». Er selber befasse sich seit einem Jahr intensiv mit
diesem Thema, sagte er. Er plädierte für restlose Aufarbeitung und
Bereinigung, damit Lehren gezogen werden könnten. Und er betonte, «niemand in
diesem Land könne sich von der Vergangenheit dieses Landes disassoziieren.»
Während der Podiumsdiskussion drückte der Bankpräsident auch sein Bedauern mit
der jüdischen Gemeinschaft in der Schweiz aus, weil diese jedesmal
antisemitischen Regungen ausgesetzt werde, sobald jüdische Kreise in Amerika
neue Angriffe auf die Schweiz lancierten. Damit habe er keineswegs das alte
antisemitische Klischee bemühen wollen, präzisierte Mathis Cabiallavetta in
einem Telefongespräch mit der JR, dass die Juden selber schuld seien am
Antisemitismus, denn dies würde seiner Geisteshaltung diametral widersprechen.
Nationalrätin Cécile Bühlmann, die diese Aussage anschliessend als
«gefährlich» einstufte, habe ihn missverstanden; die JR auch. Er höre leider
zunehmend häufig Judenwitze, sagte er, und das beunruhige ihn. Er stelle auch
fest, dass die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung genug habe von diesen ewigen
Vorwürfen aus Übersee und geneigt sei, ihren Unmut an ihren jüdischen
Mitbürgerinnen und Mitbürgern abzureagieren. Wenn ein Politiker für seine
eigenen politischen Zwecke die Schweiz angreife, so missbrauche er damit die
jüdische Gemeinschaft. Er wisse sich in seiner Lagebeurteilung absolut einig
mit führenden jüdischen Persönlichkeiten im In- und Ausland. Diese Analyse
habe gar nichts zu tun mit seiner eigenen Meinung über den Antisemitismus, den
man längst hätte über Bord werfen sollen, sagte Cabiallavetta zur JR. Er
kenne, anders als in der JR vom 26. Februar befürchtet, die Mechanismen des
Antisemitismus. Wie genau, bewies Cabiallavetta, als er erwähnte, es sei ihm
aufgefallen, dass während des Podiumsgesprächs niemand anderem als
SIG-Präsident Rolf Bloch an einer Stelle die verpönte Polarisierung «Schweizer
und Juden» entschlüpft sei.
GISELA BLAU