LONDON/GOLDKONFERENZ - Erklärung des britischen
Aussenministers Robin Cook an die jüdische Gemeinschaft
Humanität und Verständnis zeigen
Während des kommenden 2. und 4. Dezembers
werden, auf Einladung der britischen Regierung, Gesandte aus 40 Ländern an der
sogenannten «Goldkonferenz» in London teilnehmen. Diese vom britischen
Aussenminister Robin Cook organisierte Tagung setzt sich vor allem den
Informationsaustausch betreffend Nazi-Raubgold als Ziel, die Untersuchung von
bis anhin unternommenen Schritten bezüglich der Verteilung des Raubgoldes an
Staaten und Individuen und die Möglichkeit, weitere Zahlungen an
Einzelpersonen oder Staaten bereitzustellen. Grossbritannien, Frankreich und
die USA waren die drei Westmächte, die an der 1946 in Paris zustande
gekommenen «Tripartite Commission for the Restitution of Monetary Gold» die
Aufgabe auf sich nahmen, den «Goldtopf», den Verlusten entsprechend, auf die
geplünderten Zentralbanken aufzuteilen.
VON EVA BURKE
Kurz vor seiner Polenreise und eine Woche
vor der Goldkonferenz in London gab Aussenminister Robin Cook gegenüber der JR
folgende Erklärung ab:
«An diesem Freitag werde ich den
Umschlagplatz in Warschau besuchen. Heute ist dies lediglich eine nüchterne
Gedenkstätte, die einen aber bewegt. Während Polen von den Deutschen besetzt
gehalten wurde, war es ein Perron, von wo viele Tausende polnische Juden aus
dem Warschauer Ghetto nach Treblinka oder nach anderen Vernichtungslagern
abtransportiert wurden.
Die Erinnerungen an den Holocaust sind
während der 52 Jahre seit Kriegsende nicht verblasst. Für die Juden, die ja so
schrecklich unter der Naziverfolgung gelitten haben, sind diese Erinnerungen
noch lebendiger und noch unmittelbarer. Aber auch Regierungen obliegt es, sich
zu erinnern. Und ein Teil des Erinnerns liegt in der Suche nach der ganzen
Wahrheit über das Geschehene. Es gibt immer noch Fragen, die selbst jetzt noch
unbeantwortet bleiben.
Eines der vielen von den Nazis begangenen
Verbrechen war die gesamte Ausraubung von Eigentum aus Ländern und von
Einzelpersonen, die sie besetzt gehalten haben. Schätzungen setzen das von
Banken geplünderte Gold auf 500 Millionen $ fest. Wieviel Gold von den Opfern
von Konzentrationslagern und von anderen Personen geraubt wurde, ist
unbekannt. Viele einzelne Überlebende der Naziverfolgung und viele Familien
von denjenigen, die gestorben sind, sind der Ansicht, dass die mit dem Gold
zusammenhängenden Wahrheiten - woher das Gold stammte und was damit geschah -
verheimlicht werden. Sie meinen, dass die enorme Ungerechtigkeit, die ihnen
während des Krieges widerfahren war, immer noch ungenügend anerkannt und dass
sie dafür nicht zulänglich entschädigt worden sind. Seit Jahren haben
Organisationen und Individuen sich dafür eingesetzt, dass mehr Licht auf diese
Probleme geworfen werde. Es ist deren Einsatz und deren Inspiration zu
verdanken, dass ich fünf Tage nach meiner Wahl als britischer Aussenminister
ankündigte, dass sich Grossbritannien als Gastgeberin für die sogenannte
«Nazi-Goldkonferenz», bereit erklärt. Diese dreitägige Konferenz wird nächste
Woche im Lancaster House stattfinden. Bei der Vorbereitung dieser Konferenz
waren die Erfahrung und die Ratschläge vieler Mitglieder der jüdischen
Gemeinde überaus wertvoll.
Alle Länder, die an dieser Angelegenheit
ein Interesse haben, werden teilnehmen, auch der ehemalige Kriegsfeind, auch
die besetzten Länder und auch die neutralen Länder, die beträchtliche
finanzielle Beziehungen mit Nazi-Deutschland pflegten. Vertreter von ungefähr
40 Ländern werden erwartet, und sechs Organisationen, darunter der World
Jewish Restitution Organisation, die detaillierte Kenntnisse über die auf der
Agenda figurierenden Punkte besitzt und der die Interessen der Überlebenden
weltweit repräsentiert.
Vor allem wird die Konferenz Gelegenheit
dazu bieten, untereinander Wissen auszutauschen. Ich hoffe, dass die
teilnehmenden Historiker und Experten als auch die Regierungsvertreter mit
frischen und nützlichen Einsichten, betreffend der Hauptfragen in der
Goldangelegenheit, werden aufwarten können: woher das Gold gekommen war und wo
es hingelangte. Dann wird die Konferenz untersuchen, was bis anhin, betreffend
der Rückzahlung an ehemals besetzte Länder und an einzelne Opfer, unternommen
worden ist. Und zuletzt wird es den Fall für eine weitere Rückzahlung
untersuchen und wie dies vor sich gehen soll. Ich hoffe, dass die Konferenz
ein gewisses Mass an Beschlüssen, betreffend dieser Fragen liefern wird
Fragen, die für so viele und für solange unbeantwortet geblieben sind.
Unterdessen steht die Frage offen, was mit dem Gold, das noch auf eine
Verteilung wartet, geschehen soll. Am Ende des Kriegs wurde die Tripartite
Gold Commission - Grossbritannien, Frankreich und die USA - gegründet und
damit beauftragt, das von den Nazis sichergestellte ‹Monetary›-Gold zu
verwalten und es unter die ehemals besetzt gehaltenen Länder, deren Reserven
geplündert worden waren, zu verteilen. Der Grossteil wurde in den Jahren nach
dem Zweiten Weltkrieg verteilt. Eine Reihe von Streitigkeiten hielt jedoch die
endgültige Verteilung zurück und so sind noch 40 Millionen Pfund geblieben.
Grossbritannien, die Vereinigten Staaten
und Frankreich haben vorgeschlagen, dass dieses Geld zur Äuffnung eines Fonds
benützt werden sollte, dessen Gelder bedürftigen Überlebenden der
Naziverfolgung zugute kommen sollen. Dies aus zwei Gründen:
Erstens deswegen, da jüngste Recherchen -
inbegriffen sind detaillierte Untersuchungen der britischen Regierung - zum
Schluss gekommen sind, dass trotz der grössten Anstrengungen der Alliierten es
möglich gewesen ist, dass eine kleine Menge von Einzelpersonen gestohlenes
Gold unter dem von den Alliierten bei Kriegsende sichergestelltem ‹monetary
gold› beigemischt worden wäre.
Und zweitens, da die Alliierten aus
praktischen Gründen nicht genügend wirksam sich der individuellen Verluste -
im Vergleich zu denjengen von ganzen Staaten - annehmen konnten. Es gibt
etliche tausend Überlebende des Holocausts und deren Familien, vor allem in
Osteuropa, die bis anhin wenig oder keine Wiedergutmachung für das von ihnen
erlittene erhalten haben.
Für mich bedeutet dies eine zwingende
moralische Situation, um einen Entschädigungs-Fonds zu erstellen und das
übriggebliebene Gold zu verwenden. Ich hoffe, dass die Nazi-Gold- Konferenz in
London unseren Bemühungen, ‹unfinished business› zu Ende zu führen, den
entscheidenden Stoss geben wird.
Nichts kann das, was im Holocaust geschehen
ist, wiedergutmachen. Doch kann die internationale Gemeinschaft jetzt - an der
Schwelle des 21. Jahrhunderts - praktische Schritte unternehmen, um Humanität
und Verständnis jenen gegenüber zu zeigen, die sich am tiefsten Punkt des
jetzigen Jahrhunderts befunden hatten.»