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KONTROVERSE / SD-BOYKOTTAUFRUF -Vergebliches Warten auf die bürgerliche Reaktion

«Unentschuldbare verbale Entgleisung»

Einen Aufruf zum Boykott «aller jüdischen und amerikanischen Waren, Restaurants und Ferienangebote» erliess am Freitag der Präsident der Schweizer Demokraten wegen der «gemeinen und völlig unberechtigten Angriffe und Klagen gegen die Schweiz, Schweizer Firmen und Banken». Der SIG wies ihn scharf zurück; auch der israelische Botschafter verurteilte den Aufruf. Politische Parteien halten sich allerdings ausgesprochen bedeckt.

Von Gisela Blau

Nein, er meine nicht die Schokolade von Camille Bloch oder die Loeb-Warenhäuser, das wäre verfehlt, versuchte der Versicherungsmann Rudolf Keller (43) aus Frenkendorf /BL, Nationalrat und Präsident der Schweizer Demokraten (SD), der JR zu versichern. Sein Boykottaufruf richte sich nur gegen einzelne amerikanische Juden, die gegen die Schweiz hetzen und zu Boykotten aufrufen, vor allem gegen jenen, der Schnaps herstelle, ja, er meine Edgar Bronfman. Die Schweizer Juden seien ja auch gegen die Boykottdrohungen aus Amerika.

Trotz dieser Beteuerungen hat ihm der eindeutige Text seines Aufrufs eine Klage wegen Verletzung des Antirassismus-Gesetzes bei der Zürcher Justiz eingetragen. Bei Redaktionsschluss war noch nicht klar, wer die Klage eingereicht hat. Keller sandte die Pressemeldung über diese Klage gleich selber an die JR, mit einem handschriftlichen Vermerk, es hätten ihn bis Montagmorgen «bereits gegen 50 Telefone, Fax und Internet-Meldungen erreicht, bis auf zwei alle positiv! Unser Volk ist sehr, sehr sehr wütend über die amerikanischen Angriffe.» Wenn er die Schweizer Juden nicht meinen will und die amerikanischen auch nicht alle - wen oder was er sonst eigentlich meint, bleibt nebulös. Keine Ferien mehr in Florida? Süssmost statt Coca-Cola?

Die rechtslastige Splitterpartei SD ist so winzig, dass sich ihre Abgeordneten im Parlament mit dem Lega-Mann Flavio Maspoli und einem entlaufenen Freisinnigen zusammentun mussten, um die Fraktionsstärke von fünf Personen und damit Geld vom Bund zu erhalten. Maspoli und sein sich gern antisemitisch äussernder Parteichef Giuliano Bignasca setzten noch einen drauf und verlangten das Ende der Arbeit der Volcker-Kommission. Fraktionspräsident Hans Steffen, SD (68), wollte sich gegenüber der JR nicht äussern, ob er den Boykottaufruf seines Parteipräsidenten selber auch gut finde. Auf den Hinweis, in Deutschland habe es vor mehr als 60 Jahren auch einen «Judenboykott» gegeben, antwortete Keller nur: «Müssen wir uns denn alles gefallen lassen?» Er sei stolz auf seine Grossmuter, die ihm als Kind erzählte, wie die Schweiz Widerstand geleistet habe gegen Nazideutschland. Er werde langsam, aber sicher wütend über die Leute, welche die Schweiz in eine Ecke stellen, als hätte sie den Krieg angefangen. Als Nationalrat habe er der Einsetzung der Historiker-Kommission zugestimmt und nie ein negatives Wort in dieser ganzen Sache gesagt. Auch die Parteizeitung habe vor der Juli-Ausgabe, in welcher der Aufruf enthalten ist, nie Stellung zum diesem Thema genommen.

Im Bereich nachrichtenloser Konten müsse absolut Ordnung geschaffen werden, bis auf den letzten Rappen, sagt Keller. «Aber wenn ich feststellen muss, dass diese Sache und auch die laufenden historischen Abklärungen überspielt und entwertet werden durch völlig überzogene andere Forderungen, kann ich nicht mehr mitmachen.» SIG-Präsident Rolf Bloch und Vizepräsident Thomas Lyssy verurteilten in einem Brief an Keller den Aufruf «aufs schärfste». Sie wiesen ihn darauf hin, der gesamte Text «visiert die jüdische Gemeinschaft auch in der Schweiz an und ist dazu angetan, den bereits wiederauflebenden Antisemitismus in unserem Land massiv zu schüren. Damit machen Sie sich mitverantwortlich für Schmähbriefe und Drohungen gegen jüdische Personen in der Schweiz.»

Auch der israelische Botschafter Yitzhak Mayer verurteilte den Aufruf. Der Ruf «Kauft nicht bei Juden» sei mehr als nur eine unentschuldbare verbale Entgleisung. «Er gehört nicht in unsere Zeit und sollte in einer den ethischen Prinzipien verpflichteten Demokratie niemals ausgesprochen werden.» Dieser Ruf «und die zerschlagenen Fensterscheiben der jüdischen Geschäfte waren nur der Prolog zur Tragödie, die den Namen Holocaust und Schoa trägt». Peter Peyer, Sprecher der SP Schweiz, wies ebenfalls auf diese Assoziation hin. Der Aufruf sei 50 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg eine ungeheuerliche Forderung. Mit Bezug auf den letzten Satz des Aufrufs: «Wir lassen uns nicht mehr erpressen und schreiten zur Tat!» fragte Peyer, ob und wann Keller wohl die ersten Schaufenster einschlagen lassen wolle. Sonst solle er erklären, was er darunter vestehe. Die SP Basel-Stadt drückte in einem Communiqué ihre Empörung aus. Erstaunlich ruhig blieben bisher die nationalen Leitungen der bürgerlichen Bundesratsparteien. Sie halten sich bedeckt, was sie in ähnlichen Fällen in den eigenen Reihen (Fischbacher/FDP und Indlekofer/SVP) schon früher getan haben. Man wolle der Mini-Partei nicht zuviel Ehre antun, hiess es mancherorts. Ein Sprecher der Credit Suisse dagegen sagte zur JR: «Wir haben kein Verständnis für derartige Aktionen.»

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