Der iw Brennpunkt vom 18. August
2000 / 17 Aw 5760
Viel wurde geschrieben über das
Scheitern
von «Camp David II». Es lohnt sich, das
Verhalten von Palästinenserpräsident Jasser
Arafat noch einmal genauer anzusehen, vor
allem in bezug auf Jerusalem.
iw Kolumnist Pinchas Inbari tut es im
folgenden Artikel.
Arafat und die
Bedeutung
des Tempelbergs
Von Pinchas Inbari
Jasser Arafat hat eine spezielle
Vorliebe für Füllfederhalter. Ein kurzer Blick auf seine verschiedenen
Uniformen zeigt dem Betrachter ein eindrucksvolles Set dieser
Schreibwerkzeuge. Sogar heute, am Vorabend der Gründung eines
Palästinenserstaates erlaubt Arafat niemandem, irgendein Schriftstück,
sei es noch so unwichtig, zu unterschreiben. Arafat verbringt Stunde um
Stunde bis spät in die Nacht hinein damit, Schriftstücke der PLO mit
seiner Füllfeder zu unterzeichnen.
Feisal Husseini, einer von
Arafats Stellvertreter, löste das Rätsel der Füllfeder vor einigen
Jahren, als er noch vor Oslo der Chef einer palästinensischen Delegation
war. Er fuhr nach Tunis, um Arafat zu fragen, ob er, Husseini, den
damaligen israelischen Ministerpräsidenten Rabin treffen könne.
Arafat wurde wütend, zog eine
seiner berühmten Füllfedern aus der Tasche und sagte zu Husseini: Siehst
du diesen Stift – das ist die palästinensische Legitimität! Die
Botschaft für die Israelis war klar: was ihr sucht, ist in meiner
Tasche; weder Husseini noch sonst irgend jemand besitzt diese Füllfeder,
nur ich!
Aber im Juli 2000 in Camp David
zog Arafat seine Feder nicht, um ein Abkommen zu unterzeichnen, selbst
dann nicht, nachdem er von einem erstaunlich nachgiebigen israelischen
Vorschlag gehört hatte, der darauf abzielte, den hundertjährigen
israelisch-arabischen Konflikt endlich zu beenden.
Er lehnte ein Milliarden-Angebot
ab, das Flüchtlingsproblem zu lösen und einen Palästinenserstaat auf
eine solide Basis zu stellen und er ignorierte auch die versteckte
Drohung des CIA-Chefs George Tenet, der ihn daran erinnerte, dass Führer
im Nahen Osten auch ersetzt werden können...
Warum Arafat alles ablehnte.
Warum handelte Arafat so? Das
Hauptproblem ist die Souveränität über den Tempelberg in Jerusalem.
Barak war bereit, vieles auf’s Spiel zu setzen, aber schliesslich wollte
er doch nicht der erste israelische Führer sein, der die jüdische
Souveränität über die Heiligste aller Heiligen Stätten aufgibt, auch
wenn diese eigentlich nur nominal ist und de facto die Palästinenser die
Verwaltung innehaben. «Ich kann die ‘I-Uhda al-Umariyya’, die ‘Loyalität
zu Omar’ (gemeint ist die Omar-Moschee, die Red.) nicht preisgeben»,
sagte Arafat während den Verhandlungen und zeigte damit seine höchst
sentimentale nationale und religiöse Beziehung zu Jerusalem. «Al-Quds
a-Sharif» («Edles Jerusalem» in Arabisch) – der muslimische Begriff für
die Stadt, den Arafat konsequent benutzte und weshalb wir jetzt
verstehen, was er wirklich meinte.
Als der Kalif Omar im siebten
Jahrhundert Jerusalem eroberte, erlaubte er den Juden die Rückkehr in
die Stadt, nachdem ihnen der Aufenthalt in der Epoche der (christlichen)
Byzantiner verboten war. Er organisierte die Beziehungen zwischen der –
neuen – arabischen Herrschaft sowie den christlichen und jüdischen
Gemeinden und brachte diese dazu, die islamische Oberherrschaft über die
Stadt anzuerkennen.
Sogar die eigene Biographie
gefälscht
In Arafats Denken geht es nicht
nur um einen politischen sondern auch um einen religiösen und
historischen Kompromiss. Sogar in den euphorischen Tagen nach Oslo
überraschte Arafat jedermann, als er – anstatt von Frieden – davon
sprach, es gelte, mit dem «Jihad» (dem Heiligen Krieg) «Al-Quds
a-Sharif» zu befreien. In seiner Biographie lässt er die – falsche –
Geschichte verbreiten, dass er in der Altstadt von Jerusalem nahe von
«al-Buraq», dem arabischen Ausdruck für die Klagemauer, geboren wurde,
gemäss der Legende um den Propheten Mohammed, der von einem Fabeltier in
einem nächtlichen Ritt von Mekka nach Jerusalem gebracht worden sei. In
Wirklichkeit wurde er in Kairo geboren, doch wollte er damit den
Stellenwert der Stadt in seiner persönlichen Biographie unterstreichen.
Arafats Verbindung zu Jerusalem spielt auch eine Rolle bei der
Staatswerdung der Palästinenser. Arafat sieht sich selber als «World
leader»: Palästina ohne al-Aqsa-Moschee ist eine vernachlässigbare
Grösse, eine Art San Marino im Nahen Osten. Mit al-Aqsa rückt ein Staat
Palästina zu einer ganz anderen Bedeutung auf.
Niemand klärte Barak auf
Offensichtlich hat niemand Ehud
Barak über Arafats tiefe Verbindung zur Geschichte und der religiösen
Bedeutung Jerusalems aufgeklärt. Es war die israelische Seite, die sich
immer stärker in die Argumentation um den Tempelberg einliess, indem sie
die Frage nach dem Bau einer Synagoge oder zumindest einer
«Gebetsstätte» dort aufwarf.
Diese israelische Verhaltensweise
förderte palästinensische Ängste, dass die Israelis grundsätzlich den
Bau des Dritten Tempels an diesem umstrittenen Ort planten. Ist deshalb
nun ein Vertrag zwischen Israelis und Palästinensern, der Jerusalem
miteinbezieht, unmöglich? Die Antwort lautet wahrscheinlich «ja», sie
muss es aber nicht unbedingt.
Unmittelbar nach dem Platzen von
«Camp David II» beeilte sich Arafat, sich mit zahlreichen arabischen
Führern zu treffen, um ihnen seine Sicht der Ereignisse in den Bergen
von Maryland zu vermitteln. Er konzentrierte sich dabei auf zwei
Hauptthemen. Zum einen suchte er generell um arabische Unterstützung für
ein Abkommen mit Israel nach, und andererseits suchte er genau diese
Unterstüzung auch im Falle der Konfrontation mit dem jüdischen Staat
nach einer Ausrufung eines eigenen Staates. Anscheinend wollte Arafat
die «I-Uhda al-Umariyya» nicht verraten, seine arabischen Brüder sollten
mit einer Zustimmung zu einem Abkommen mit Israel das für ihn besorgen…
Er wollte die Entscheidung darüber einem Gipfeltreffen der Arabischen
Liga in Gaza überantworten, doch nicht einmal der ägyptische Präsident
Mubarak, sein einziger Verbündeter im arabischen Lager, war damit
einverstanden.
Die gleiche Bitte im Rahmen einer
Reise nach Teheran zeitigte mehr Erfolg, doch lässt sich ungefähr
ausmalen, wie politisch bedeutend ein solches Gipfeltreffen in der
iranischen Hauptstadt sein könnte. Nach neuesten Berichten soll nun Ende
August aber doch ein Treffen des Jerusalem-Komitee der Arabischen Liga
stattfinden, womit der amerikanische Druck auf den
Palästinenserpräsidenten unmittelbar nach Camp David doch noch Erfolg
gehabt hätte.
In die eigenen Hände genommen
Die Füllfedersammlung in Arafats
Tasche fordert nicht nur Israel und die USA heraus, sondern auch seine
arabischen Brüder. Das Verlangen nach «Unabhängigkeit» wird damit
unterstrichen. Bis zur Gründung der El-Fatah 1964 oblag es der
arabischen Welt, das leidige Palästinenserproblem zu lösen. Arafat und
die anderen Gründungsmitglieder der Fatah nahmen damals ihr Schicksal in
ihre eigenen Hände und widersetzten sich jeglicher Einmischung in ihre
Angelegenheiten durch arabische Regime. Das ist auch der Hauptgrund für
das Zerwürfnis mit Damaskus, welches diese Tatsache niemals wirklich
akzeptiert hat. Daraus entstand die arabische Grundhaltung gegenüber
Arafat: Du wolltest dich um deine eigenen Angelegenheiten kümmern,
bitte, dann bleib’ aber auch dabei…
Ägypten kann hier als Ausnahme
betrachtet werden. Was Mubarak Sorgen bereitete, war nicht die
Erreichung eines Abkommens prinzipiell sondern die Tatsache, dass Kairo
dabei kein Partner war.Dass Präsident Clinton sich dabei an Mubarak
wandte, könnte eine Chance für später bedeuten: Zusammenfassung des
Erreichten und Verschiebung der Lösung für Jerusalem auf später. In Camp
David weigerte sich Arafat, irgend ein Abkommen zu unterzeichnen,
welches genau diese Option – eine Verschiebung – beinhaltet hätte, da er
annahm, dies bedeute den endgültigen Verlust der Stadt für ihn.
Es scheint nun ein Hauptziel der
amerikanischen Diplomatie zu sein, Arafats Einstellung mit Hilfe der
arabischen Staaten grundsätzlich zu verändern. Bis jetzt deutet nichts
auf eine erfolgreiche Mission hin, doch eine grössere Rolle für Ägypten
könnte dabei behilflich sein.Wenn Arafat seine Füllfeder in Camp David
im Juli 2000 nicht herausnehmen konnte, um ein Abkommen zu unterzeichnen
– wann wird er es je können? Wenn er denn gordischen Knoten nicht
durchhauen kann – wer vermöchte es?
Weitere Schwerpunkte im iw Nr. 33
vom 18. August 2000
- Keren Hajessod 80-jährig
- Reiter mit hohen Ambitionen
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Artikel aus dem Israelitischen Wochenblatt]
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