iw 2000 / TSh''S
Palästinenserpräsident Arafat hat
die Gunst der Stunde genutzt und die Chance gepackt, die ihm Scharon mit
seinem Besuch auf dem Tempelberg offeriert hat. Doch wie geht es nach
der Welle von Gewalt im Nahen Osten weiter?
Arafat ist der
klare Sieger
Von Pinchas Inbari
Als die israelische Delegation
im Juli vom Camp-David- Gipfel nach Jerusalem zurückkehrte, gab Minister
Amnon Lipkin-Shahak der grössten arabischen Zeitung ein Interview, in
dem er sagte, dass Israel den unteren Teil des Tempelberges beansprucht,
weil dort die Ruinen des Tempels begraben sind. Dies war zweifellos ein
grosser Fehler der israelischen Delegation. Die Zeit für einen solchen
Erlass ist nämlich noch nicht reif, und dies bestätigten Mitglieder der
israelischen Verhandlungsdelegation.
Wie versteht ein moslemischer
Leser diese Forderung nach der Kontrolle von Teilen der Al-Aqsa-Moschee?
Die einzige Erklärung für ihn ist, dass Israel die Grundlagen der
Moschee untergraben und durch einen dritten Tempel ersetzen möchte.
Palästinenserpräsident Yasser Arafat griff auch sofort nach dieser
Chance, die Israel ihm hier bot: Er wies die Forderung Israels zurück,
ignorierte US-Präsident Clinton und baute genial eine Kampagne auf, in
der er sich zum neun Saladin erkor, der Jerusalem von den Ungläubigen
zurückerobert.
Die Bedeutung von Jerusalem für
Arafat
Jerusalem war für Arafat immer
sehr kostbar und wichtig – weit mehr als für andere Palästinenserführer
vorher. Er erwähnte in seiner Biografie, dass er in der Nähe von
«al-Buraqu» geboren wurde, was sich mit der Klagemauer vergleichen
liesse. In Wahrheit erblickte er jedoch in Kairo das Licht der Welt.
Sofort nach dem Osloer Übereinkommen startete er eine Serie von
entsprechenden Deklarationen über einen «Jihad» (heiligen Krieg), um das
«heilige Jerusalem» zu befreien. Wie schon oft in der Vergangenheit,
besonders im Libanon, wusste Arafat sehr schnell die Fehler anderer in
einen Vorteil für sich umzumünzen und nutzte den Streit zwischen Barak
und Clinton in Camp David zu Gunsten der arabischen Welt. Sofort kehrte
er in die erste Liga der arabischen Führer zurück und schwang das Banner
von Jerusalem über alle Araber und Moslems. Damit brachte er Israel in
eine schwierige Situation, weil das Thema «Jerusalem» alle Moslems in
Israel sowie der palästinensischen Gebiete hinter Arafat vereint. Da die
Palästinenser sogar innerhalb der Fatahbewegung zerstritten sind, ist
das religiöse Symbol der al-Aqsa von hoher Macht und Bedeutung.
Willkommene Rechtfertigung für
Gewalt
Mit seinem unpassenden Besuch am
Tempelberg gab der Likutführer Ariel Sharon Arafat somit eine passende
Begründung für die Gewalt, was als natürliche Folge zu sehen ist für die
Art und Weise, wie der Camp-David-Gipfel durchgeführt wurde. Nun drehen
sich alle Verhandlungen darum, das Feuer wieder einzustellen, und nicht
um eine endgültige Lösung.
Die Absichten Arafats waren klar
auf Gewalt ausgerichtet. Der Ausgangspunkt war die Al-Aqsa-Moschee, wo
bezahlte Fatah-Aktivisten bereits vor Scharons Ankunft für Provokationen
sorgten und einen Tag später die Gewalttaten begannen.
Folgen israelischen
Entgegenkommens in Camp David II
Die Attacken in Nezarim im Herzen
des Gazastreifens auf das Grab von Joseph in Nablus sowie auf
IDF-Positionen entlang der Grenzen des Gazastreifens und Äyptens sind
nicht weniger Anzeichen dafür, was praktisch in Camp David erreicht
wurde: Israel stimmte dort nämlich zu, Nezarim und das Grab von Joseph
zu evakuieren, und war bereit einen direkten Kontakt zwischen dem
zukünftigen Palästinenserstaat und Ägypten zu erlauben (anders als bei
der Grenze zu Jordanien, die Israel unter Kontrolle behalten will).
Die Botschaft, die Arafat
vermitteln wollte, war nicht nur, dass er nicht zufrieden ist mit dem,
was er erreicht hat, sondern viel mehr, dass er, als neuer Saladin, mit
Einsatz von Gewalt gewinnt. Wie es nun aussieht, ist er der
unumstrittene Sieger der ersten Runde der blutigen Auseinandersetzungen.
Keinem arabischen Führer ist es bisher gelungen, so nah an die Befreiung
Jerusalems von jüdischer Herrschaft heranzukommen wie er. Aber wird er
auch die nächste Runde bestehen können? Das ist doch zweifelhaft. Genau
betrachtet, will die arabische Welt keine Rückgabe Jerusalems, und
keiner hat Arafat darum gebeten. So äusserte sich etwa der marokkanische
König Muhammed VI.
Die Saudis sagten Arafat sogar am
Abend vor Camp David, dass er nicht autorisiert sei, den Fall Jerusalem
überhaupt zu erörtern. Darüber hinaus trauen ihm die Muslim-Brüder
nicht, und ihr Sprecher in Amman, Ibrahim Ghoshe, forderte Arafat sogar
zum Rücktritt auf. Dies sogar, nachdem die Gewalttaten ihren Anfang
genommen hatten, und mit der Begründung, dass er noch viel mehr Blut
vergiessen würde, was nicht legitim sei. Was als sein Hauptargument zu
sehen ist, ist die massive Beteiligung der israelischen Araber an den
Unruhen, die tatsächlich zweischneidig ist, weil diese unter der grünen
Flagge des Islams und nicht unter der vierfarbigen der PLO stattfindet.
So war der plötzliche Auftritt von Arafat als Retter der Al-Aqsa-Moschee
von den Notabeln der Moslems in Israel keineswegs erwünscht, weil die
Verantwortung bis heute in ihren Händen gelegen hat.
Weitere Anschläge in israelischen
Städten?
Eine der Möglichkeiten, Arafat zu
desavouieren, wären weitere Anschläge auf Ziele in israelischen Städten.
Dies wäre ein blutiges Szenario, das die Oslo-Verhandlungen als
gravierenden Fehler israelischer Politik darstellen würde.
Arafat nutzte die Gunst der
Stunde so sehr für sich, dass die arabischen Regimes in ihren
Grundmauern fast erschüttert wurden. Und das ist gewiss nicht im Sinne
der USA, und Arafat ist auf den guten Willen von Washington mehr als je
zuvor angewiesen. Wird dies ihn zu einem Kompromiss bringen? Einige
Kommentatoren in Israel sagen ja – aber ich halte es für zweifelhaft.
Wie kann Arafat das Blutvergiessen rechtfertigen, nachdem er das
Übereinkommen, das ihm Camp David offeriert hatte, akzeptiert hat?
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