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Jüdische Weisheit
 
 

 

Freispruch für Paul Grüninger:
Der ehemalige Polizeikommandant handelte im Notstand

Der ehemalige St.Galler Polizeikommandant Paul Grüninger, der vor dem Zweiten
Weltkrieg Hunderten, wenn nicht Tausenden von jüdischen Flüchtlingen das Leben gerettet
hat, ist vom St.Galler Bezirksgericht am 30.November freigesprochen worden. Das Gericht
attestierte dem 1972 verstorbenen Lebensretter, dass er im Notstand gehandelt habe, als er
Daten fälschte, um jüdische Flüchtlinge gesetzeswidrig in die Schweiz einreisen zu lassen.

VON BARBARA HASLER, ST.GALLEN

PaulGrüninger, 1939 entlassen und 1940 zu einer Busse von 300 Franken verurteilt, ist kein
Krimineller mehr. Das Gericht sprach ihn frei vom Vorwurf der fortgesetzten Verletzung der
Amtspflicht und der Erstellung einer formell echten, inhaltlich unwahren öffentlichen
Urkunde. Das Gericht befand, Grüninger habe als Notstandshelfer gehandelt, als er Daten
und Statistiken fälschte, um jüdische Flüchtlinge auch nach der Grenzsperre vom August
1938 einreisen zu lassen und dies gegenüber den Behörden in Bern zu vertuschen. «Er hat
damit viele Menschenleben gerettet», sagt Gerichtspräsident Werner Baldegger. Die
erwähnte Urkunde betrifft den Fall eines Flüchtlings, der Emigrationen nach Palästina
organisierte und dem Grüninger einen Ausweis ausstellte.

In zwei Punkten stellte sich das Gericht gegen den Antrag der Angehörigen Grüningers. Die
Bedingungen für einen Freispruch seien hier nicht gegeben, aber weil das Verschulden so
gering sei, werde das Verfahren «definitiv eingestellt», so Werner Baldegger. Im einen Fall
geht es um einen banalen Transportgutschein an einen Polizisten.

Der andere Fall wiegt schwerer. Hier hatte auch der Staatsanwalt nicht gegen einen
Freispruch opponiert. Es geht um einen Flüchtling, dem Grüninger die Einreise gestattete,
nachdem er auf dem Transport ins Konzentrationslager Dachau geflohen war. Die Gestapo
verlangte die Auslieferung. Grüninger meldete den Nazis wider besseres Wissen, die
Fahndung sei erfolglos verlaufen. Damit hatte Grüninger diesen Mann vor dem KZ gerettet,
was aber nicht als Notstandshilfe gewertet wurde.

Der Rechtsanwalt der Angehörigen, Paul Rechsteiner, ist dennoch zufrieden: «Das Urteil ist
ein grosser Erfolg. Es ist ein Urteil, das sich für persönliche Verantwortung, gegen
Anpassung und Unterwürfigkeit ausspricht. Das ist heute nicht weniger aktuell als damals.»

Hoch erfreut über das Urteil zeigte sich in einer persönlichen Erklärung auch Larry
Lawrence, der US-Botschafter in Bern, der sich im Namen von Präsident Bill Clinton für die
rechtliche Rehabilitierung Grüningers eingesetzt hatte. Der Gerichtsspruch stärke die
Schweizer Justiz, weil er zeige, dass diese fähig sei, begangenes Unrecht
wiedergutzumachen.

Eine Grüninger-Stiftung

Die Kosten des Prozesses von über 60000 Franken trägt der Staat. Dass Grüninger im April
1939 ungerechtfertigt entlassen wurde und nie eine Pension oder Wiedergutmachung vom
Kanton bekam, war nicht Gegenstand der Verhandlung. Der Tochter Grüningers und deren
drei Söhne ging es mit dem Prozess auch nicht um materielle Vorteile.

Der Verein «Gerechtigkeit für Paul Grüninger» möchte aber eine Stiftung gründen, die
Menschen und Projekte unterstützt, die sich im Geiste des Flüchtlingshelfers gegen
Rassismus und Antisemitismus engagieren. «Wir erwarten, dass der Kanton einen
angemessenen Beitrag als Wiedergutmachung in diese Stiftung einbringt», erklärt Stefan
Keller, der Autor des Buches «Grüningers Fall». Und noch etwas will der Verein: Der Platz
vor der St.Galler Kantonspolizei im Klosterbezirk soll endlich in Paul-Grüninger-Platz
umbenannt werden - ein Vorhaben, gegen das sich der Kanton schon einmal gewehrt hat.

Dieser Wunsch dürfte nach einem Entscheid des Stadtrates überholt sein: Er hat
überraschend beschlossen, einen bisher noch unbenannten Platz in der Altstadt zum
Paul-Grüninger-Platz zu machen.

Späte Korrektur

Die St.Galler Regierung hat sich in der Vergangenheit im Fall Grüninger oft genug geirrt.
«Vorerst ist festzuhalten, dass eine Rehabilitierung im Rechtssinne nicht ausgesprochen
werden kann, weil das sanktgallische Recht dieses Instrument nicht kennt», hatte sie noch
1993 geschrieben. Das Urteil des St.Galler Bezirksgerichtes hat das Gegenteil bewiesen.

Der Prozess ist in der Schweiz und auch im Ausland auf grosses Interesse gestossen. Im
Gerichtssaal sassen vor allem Flüchtlinge, die Paul Grüninger das Leben verdanken und
die teils aus dem Ausland angereist waren. Die St.Galler Regierung hat Grüninger 1993
politisch rehabilitiert, der Bundesrat folgte 1994.

http://www.thenet.ch/tages-anzeiger/fa051295/ch6-1.htm

Zeugnis für einen «Gerechten»

«Grüningers Fall» von Richard Dindo - eine
Rehabilitierung

Den Anstoss und das Geld zu einem Film über den «Fall» des
St. Galler Polizeikommandanten Paul Grüninger hat zunächst das
Fernsehen DRS gegeben, das sich mit dem Projekt an Richard Dindo
wandte. Nachdem niemand sonst Interesse bekundet hatte, sagte der
auf historische Rekonstruktionen «spezialisierte» Filmemacher
schliesslich zu - von Anfang an mit der Absicht, auch eine
ausführlichere Fassung des Materials fürs Kino herzustellen. Die dafür
benötigten zusätzlichen Mittel wurden zur Hauptsache von Stiftungen
sowie von einigen Einzelpersonen aufgebracht; der Regierungsrat des
Kantons St. Gallen gewährte eine Defizitgarantie. Diese
Entstehungsgeschichte erklärt die Ausstrahlung der Fernsehfassung
vor der Kinopremiere (vgl. NZZ vom 22./23. 11. 97). Nun kommt die
doppelt so lange Kinoversion heraus, und man darf wohl sagen, dass
dies die «authentische» Fassung sei.

Zu den eindringlichsten Momenten in «Une saison au paradis» (1996),
Richard Dindos Evokation von Breyten Breytenbachs
südafrikanischen «Gefängnisjahren», gehören die Aufnahmen im
leeren Saal des Gerichtsgebäudes in Pretoria, in dem der
südafrikanische Schriftsteller seinerzeit verurteilt wurde. «Grüningers
Fall» scheint stilistisch hier anknüpfen zu wollen, wenn der Saal des
Bezirksgerichts St. Gallen, wo Grüninger im Oktober 1940 der Prozess
gemacht wurde, gleich zu Beginn als eigentlicher Hauptschauplatz
etabliert wird. Ein «Gerichtssaalfilm», wie ihn das Kino so liebt, ist
Dindos jüngste Arbeit dabei natürlich nicht geworden. Hier geht es
nicht um Nervenkitzel und möglichst effektvollen Schlagabtausch.
Auch steht der Ausgang dieses Verfahrens fest, da die Argumentation
der gleichnamigen Publikation des Journalisten Stefan Keller - der
zudem als Berater in historischen Fragen fungierte - übernommen und
aufdatiert wurde. Die Unschuld des einst Verurteilten, inzwischen
(endlich) «Freigesprochenen» und Rehabilitierten steht in diesem
Verfahren von Anfang an fest. So wird die Anklage hier nur referiert,
und die Verteidigung fungiert gleichsam als Personalunion von Anwalt
und Richter.

Das heisst keineswegs, dass auf die Präsentation der Beweislage
verzichtet wird. Wochenschaumaterial und Zeitungsartikel skizzieren
das Umfeld des Jahrs 1938 mit «Anschluss», «Reichskristallnacht»
und «Judenstempel», ergänzt durch heutige Aufnahmen der
wichtigsten Schauplätze. In diesem Bereich, wo das Buch vertiefend
Quellen und Dokumente diskutieren kann, ist der Film jedoch auf
Andeutungen beschränkt. Seine Domäne sind die Menschen, die in
den Zeugenstand gerufen werden, um von ihren Begegnungen mit
Paul Grüninger zu erzählen. Um die zwanzig sind es; ein Paar
allerdings konnte nicht nach St. Gallen kommen und erscheint in einer
Videoaufnahme auf einem Bildschirm. Die meisten haben Hauptmann
Grüninger als Kinder und Jugendliche erlebt, die mit ihren Eltern
vorschriftswidrig im Land bleiben durften, nachdem sie die Grenze auf
oft genug beschwerliche Weise, bei Nacht und Nebel, in Nässe und
Kälte, passiert hatten.

Davon erzählen auch zwei ehemalige Schweizer Schlepper, wobei
der eine - wie schon im Buch - erfrischend offen zu Protokoll gibt, dass
es der (bescheidene) Lohn gewesen sei, der ihn zu diesen Aktionen
bewogen habe, und nicht etwa hehrere Motive. Auch Polizisten geben
Auskunft, ehemalige Untergebene Grüningers, darunter der
hochbetagte Leiter des Flüchtlingslagers Diepoldsau (wo an einem
Gebäude die Tafel «Dank dem Schweizervolk» angebracht war, wie
auf einer Photographie zu erkennen ist). War Pio Corradis Kamera bei
den Aussagen der Emigranten zumeist frontal auf ihr Gegenüber
gerichtet gewesen, zurückhaltend zwischen Halbnaheinstellungen
und Totalen wechselnd, so stellt sie sich nun plötzlich in scharfem
rechtem Winkel zum Vorangegangenen auf.

Solch scheinbar geringfügige Veränderungen (Schnitt: Rainer
Trinkler) sorgen in der verhaltenen Bildsprache für überraschend
starke Wirkungen. Ähnlich ergeht es einem, wenn die Gruppe der
Zeugen den Gerichtssaal einmal verlässt und die (Video-)Kamera nun
mit ihnen Plätze wie den Grenzübergang an der Zollbrücke
abschreitet: im Sommer zuerst, dann allein, im Winter, dem Weg
folgend, auf dem man einen gedemütigten und doch ungebrochenen
Paul Grüninger ein Jahr vor seinem Tod in einem eindrücklichen
Dokument gehen sieht, das Felice A. Vitali 1971 für das Fernsehen
DRS geschaffen hat. Ernst, doch nicht bedeutungsschwer spricht dazu
die Musik (Arvo Pärts «Psalom», aus «Litany»). Manches entzieht sich
dem Bild: Grüningers Augen etwa, von denen wiederholt die Rede ist,
seine Gesten des Mitgefühls angesichts der elenden Flüchtlinge.
Irgendwann habe dieses Fass ja überlaufen müssen, sagt der
ehemalige Grenzwächter, der nicht gefilmt werden wollte; und so
sehen wir einzig das Nagra-Gerät, wenn er fragt, wie es wohl
herausgekommen wäre, «wenn alle Grüningers gewesen wären».

Christoph Egger

Neue Zürcher Zeitung vom 28. November 1997
http://www.nzz.ch

KOMMENTAR

Das Recht ist nicht immer gerecht

VON BARBARA HASLER

Grüningers Fall ist ein klarer Fall. Da können die Juristen noch so kompliziert darüber hin
und her diskutieren. Jeder Mensch, ob er nun Herz oder Verstand benutzt, wird auch so
begreifen, dass einer, der Hunderten, wenn nicht Tausenden das Leben gerettet hat, kein
Krimineller sein kann. Ein Freispruch für Paul Grüninger ist keine grosszügige Geste, er ist
nicht mehr als recht.

Die Neuauflage des Prozesses gegen einen Lebensretter hatte auch 55 Jahre nach seiner
Verurteilung einen hohen Symbolwert. Der Freispruch gibt uns das Gefühl, dass es doch
noch eine Gerechtigkeit gibt auf dieser Welt. Die paar wenigen Rechtsextremen, die
behaupten, es habe den Holocaust nie gegeben, weisen wir mit dem
Anti-Rassismus-Gesetz in die Schranken. Also alles bestens.

Wir können uns identifizieren mit einem Mann, der mutig war, mutiger als andere, so mutig,
wie viele von uns gerne sein würden. Einer hat den Mut bewiesen, von dem wir - ich
schliesse mich da nicht aus - hoffen, dass wir ihn nie beweisen müssen. Weil er so mutig
war, ist er ein Held, und unsere Zeit ist arm an Helden. Was wir in der gleichen Situation tun
würden, betrachten wir lieber als hypothetische Frage. Die Situation von 1938 ist nicht
dieselbe wie die von 1995, aber dass in der Flüchtlingspolitik von heute nicht die
Menschlichkeit oberste Priorität hat, ist ebenso wahr.

Paul Grüninger hätte sich über diesen Prozess zweifellos gefreut, aber damals, als er
gegen das Gesetz verstiess, weil sein Gewissen ihm dies vorgab, hat er ebenso zweifellos
nicht darauf spekuliert, dass die Geschichte ihm einmal recht geben würde. Noch kurz vor
seinem Tod hat er gesagt, dass er jederzeit wieder gleich handeln würde.

Dass die St.Galler Behörden sich jahrzehntelang so schwer getan haben mit einem, dem ihr
Urteil egal war, darin liegt die wahre Bedeutung von Grüningers Fall. St.Gallens Behörden
sind nicht kleinlicher oder engstirniger als andere. Aber er hat sie im Kern getroffen. Ein
Polizeikommandant - der Inbegriff von Recht und Ordnung - hat es gewagt, sich nicht darum
zu scheren, wie der Buchstabe eines Gesetzes lautete, dessen Unmenschlichkeit er nicht
ertragen konnte.

Nur so ist es zu erklären, dass es Behördenvertretern noch heute wohler wäre, es hätte Paul
Grüninger nie gegeben. Denn wo kämen wir hin, wenn alle so handelten? Wenn kein
Gesetz dieser Welt uns davor bewahren würde, unseren eigenen ethischen Werten treu zu
bleiben und - wenn es hart auf hart geht - nein zu sagen? Der Fall Grüninger erinnert uns
daran, dass Recht und Gerechtigkeit nicht immer dasselbe sind. Ein Freispruch ist
gleichzeitig ein Schuldspruch für jene, die ihn damals verurteilt haben, und für jene, welche
die Gesetze erliessen, gegen die er verstiess.

http://www.thenet.ch/tages-anzeiger/fa051295/ch6.htm

Erneuerung der Beschuldigung des Ritualmordes in Österreich
Nach: Project for the Study of Anti-Semitism anti@post.tau.ac.il Jan 8, 1997.
Der Kult um Anderl von Rinn hat sich seit dem 17. Jahrhundert in Österreich erhalten. Juden
wurden damals des rituellen Mordes an einem österreichischen Jungen, Anderl von Rinn,
beschuldigt. Obwohl die Wallfahrt zum Geburtsort Anderls 1985 offiziell verboten wurde und
sowohl der Bischof von Innsbruck, Reinhold Stecher als auch der Vatikan in
Stellungnahmen erklärt hatten, daß es niemals einen Ritualmord gegeben hat, wird die
Tradition fortgesetzt. Am 5. Dezember 1997 veröffentlichte Prof. Robert Pranter einen Artikel
in der Wochenschrift "Zur Zeit" (dessen Schriftleiter, Andreas Moelzer, zugleich Berater
Jörge Haiders, des Vorsitzenden der FPÖ ist), der die Beschuldigungen des rituellen
Mordes und indirekt jüdische Schuld am Tod Jesu erneuert. Pranter, der an der
Theologischen Akademie Heiligenkreuz lehrt, ist von den Medien bezichtigt worden, neu
die beiden Hauptmotive des christlichen Antisemitismus zu beschwören, den rituellen und
den Gottesmord. (Unoffizielle Übersetzung aus dem Englischen: Fritz B. Voll)

Nach "Zur Zeit," 5-11 December 1997, "Der Standard," 20 December 1997, und
Pressemeldungen des Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, Wien,
18. Dezember 1997.

JCR 13. Jan. 1997: Stellungnahme von Dr. Bodendorfer zu Prof. Prantners Artikel
in "Zur Zeit"
Andreas Mölzers von mir üblicherweise nicht gelesene Wochenschrift „Zur Zeit" bringt in der
Ausgabe 7 vom 5.-11.12. dieses Jahres einen Beitrag von Hochschulprofessor D.Dr. Robert
Prantner, den ich als Präsident des Koordinierungsausschusses für Christlich-Jüdische
Zusammenarbeit nicht unwidersprochen lassen darf. Prantner spricht vom
jüdisch-christlichen Dialog als "Gratwanderung auf einer Einbahnstraße". Er hält Erzbischof
Schönborns Entschuldigung für die Judenverfolgung von 1420 für "skurril" und spricht von

"sogar blutigen Verbrechen jüdischer Vertreter (nicht „des Judentums" an sich)
an katholischen Christen... Auch Verbrechen von jüdischen Menschen an
Christen sind beklagenswerte Geschichte, an Kindern, wie etwa dem seligen
Märtyrerkind Anderl von Rinn wie an anderen Menschen zu vorösterlicher Zeit.
Der Altbischof von Innsbruck, Dr. Stecher, war schlecht beraten, für die
Liquidation der Verehrung des kleinen Märtyrerkindes eine goldene
Ehrenmedaille der Innsbrucker Kultusgemeinde und/oder der jüdischen Loge
B´nai B´rith just am Fronleichnamsfeste der Katholischen Kirche
entgegenzunehmen."

In diesem Stil fährt Prantner fort, ehe er schließt:

"Zuvor aber bittet der Verfaser dieser Zeilen lieber um die himmlische
Fürsprache des von der römisch-katholischen Kirche seliggesprochenen
Märtyrerkindes Anderl von Rinn am 'Judenstein', dem das gläubige Volk die
Treue hält. Denn 'mündige Christen' müssen ihrem Bischof gegenüber nicht zu
allem Ja und Amen sagen".

Was für ein Hohn, wenn Prantner im selben Atemzug dazu steht, "es müsse Schluß sein mit
Antisemitismus, Rassenhaß, Verbrechen gegen die Menschlichkeit". Es war in der
Kirchengeschichte offenbar erfolglos, daß Päpste gegen die Blutbeschuldigung
anschrieben (etwa Innozenz IV.). Es scheint gerade in den so papsttreuen Zirkeln der
konservativen Katholiken in Hinblick auf die unfaßbaren Lügenmärchen der
Blutbeschuldigungen, Hostienschändungen und der Anderlverehrung nicht nur Aufstand
gegen die Bischöfe, sondern auch regen Widerstand gegen den Papst selbst zu geben, der
die Hand ausstreckt nach Versöhnung, der die tiefe Wunde der Verletzung erkennt und das
Judentum um Verzeihung bittet.

30 Jahre nach nostra aetate ist es offensichtlich noch immer möglich, Ritualmorde als
historische Fakten hinzustellen. Nach der Abschaffung der Verehrung des Werner von
Oberwesel und des Anderl von Rinn wird letzterer um Fürsprache angefleht, so als ob er,
die unselige Erfindung des Arztes Hippolyt Guarinoni, unbestreitbarer Zeuge der
"Verbrechen" von Juden wäre.

Angesichts solcher haarsträubender Artikel wäre es nur zu verständlich, wenn das
Judentum den Dialog mit uns Christen ein für alle mal abbrechen würde. Angesichts des
Zynismusvorwurfes an jüdische Vertreter des Dialogs wäre es nur logisch, daß Juden die
Türe zuschlagen, die zaghaft einen Spalt geöffnet werden konnte durch das Engagement
nicht zuletzt des Papstes. Wenn ich als Katholik vor den Äußerungen Robert Prantners
erschauere und eine tiefe Scham verspüre, so bitte ich zugleich alle jüdischen Freunde um
Vergebung und hoffe angesichts des Wunders von Chanukka und der Geburt Jesu von
Nazaret, daß solche Artikel wie der Prantners ein letztes Aufflackern einer furchtbaren
Unheilsgeschichte ist, die wir gemeinsam überwinden. Gerhard Bodendorfer

Dr. Bodendorfer ist Abteilungsleiter der Abteilung für Judaistik und Orientalistik am Institut für Alttestamentliche
Bibelwissenschaften in Salzburg und Universitätsdozent für Alttestamentliche Bibelwissenschaften. Er ist
Präsident des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit, eines politisch
unabhängigen und überkonfessionellen Vereins im Dienste des jüdisch-christlichen Dialogs mit Hauptsitz in
Wien (1180 Wien, Gentzgasse 14/5/1). In dieser Eigenschaft gibt er eine Vierteljahreszeitschrift mit dem Namen
Dialog- Du Siach heraus.



Freiburger Rundbrief 1/98.

Sonntag der Begegnung mit dem Judentum
Vom Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund wurde am 7. September 1997 in Zürich erstmals ein
"Sonntag der Begegnung mit dem Judentum" durchgeführt, nachdem Bemühungen für einen gemeinsamen
"Dies Judaicus" in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Bischofskonferenz (SBK), der
christlich-jüdischen Kommission und der Schweizerischen Israelitischen Gemeinde an einem Beschluß der
SBK (Februar 1997) gescheitert waren. Ziel des Begegnungssonntags war, auf die "grundlegende und
unaufhebbare Verbundenheit der christlichen Kirchen und Gemeinden mit dem jüdischen Volk in Theologie,
Verkündigung und Handeln" hinzuweisen. In Österreich wurde vom Koordinierungsausschuß für
christlich-jüdische Zusammenarbeit in einem Schreiben an den Vorsitzenden des Ökumenischen Rates der
Kirchen angeregt, den 10. Sonntag nach Trinitatis, an dem in der evangelischen Kirche der Zerstörung
Jerusalems gedacht wird, als "Israel-Sonntag" zum Gedenken der von Christen verursachten Leiden des
jüdischen Volkes festzulegen.

Erste Weltkonferenz über Ethische Kodizes
Unter dem Titel "Ethik und Medizin 1947-1997, Auftrag für die Zukunft" fand in Freiburg i. Br. vom 11. bis
15. Oktober eine Erste Weltkonferenz über Ethische Kodizes in Medizin und Biotechnologie statt.
Mediziner, Rechtshistoriker, Theologen und Experten weiterer Fachbereiche befaßten sich mit dem nach
dem Nürnberger Ärzteprozeß festgelegten Regelwerk zum Schutz des Menschen im Bereich medizinischer
und biotechnologischer Forschung. Veranstalter der Tagung waren die Göttinger Akademie für Ethik in der
Medizin e. V. und das Freiburger Zentrum für Ethik und Recht in der Medizin. Das Freiburger Zentrum
wurde 1996 gegründet und ist in Deutschland das einzige Institut mit ethischem Auftrag, das einem Klinikum
angeschlossen ist. Ähnliche Tagungen sollen alle zwei bis drei Jahre in anderen Ländern folgen.

Auseinandersetzung mit dem armenischen Völkermord
Israel muß sich mit seinem eigenen Verhältnis zum armenischen Völkermord auseinandersetzen, verlangt der
Tel Aviver Historiker und Lehrer Yair Auron in seiner aufsehenerregenden hebräischen Publikation Die
Banalität der Gleichgültigkeit. Das Verhältnis des Yischuw und der zionistischen Bewegung zum
Völkermord an den Armeniern" (Dvir Publishing House, Tel Aviv 1995). Bisher sei Israel dem
armenischen Holocaust gleichgültig gegenübergestanden. Historische Quellen wie u. a. die einflußreiche
hebräischsprachige St. Petersburger Tageszeitung "Hamliez" weisen sogar eine antiarmenische, den
Völkermord gutheißende, Einstellung nach. Als ersten Schritt hat Yair Auron die Einführung einer
Unterrichtseinheit zum Thema "Völkermord im zwanzigsten Jahrhundert" an israelischen Schulen
durchgesetzt. Kritiker werfen ihm vor, er stelle die Einzigartigkeit der Schoa in Frage.

Sabbatianer wollen nach Israel
Mitglieder der türkischen Sekte der Sabbatianer wollen offiziell als Juden anerkannt werden und nach Israel
einwandern. In der Türkei leben heute etwa 60 000 Sabbatianer. Obwohl offiziell eine muslimische Sekte,
werden sie von den Muslimen nicht als wahre Glaubensgenossen angesehen. Die jüdische Gemeinschaft
dagegen betrachtet sie als Verräter. Untereinander sind die Sabbatianer wiederum in drei verschiedene
Glaubensrichtungen aufgeteilt. Ihren Ursprung führen die Sabbatianer (türk. Dönme, Konvertiten' genannt)
auf Sabbatai Zwi (1626 in Smyrna geboren) zurück, der sich 1666 in Saloniki als Messias erklärte. 1683
trat er mit einer Gruppe von Juden zum Islam über. 1922/23 wurden die Dönme aus Saloniki in die Türkei
umgesiedelt.

http://www.jcrelations.com/berichte.htm

«GRÜNINGERS FALL»

DER FILM ZUM FILM

Wer die Fernsehausstrahlung von Richard Dindos
Dokumentarfilm verpasst hat, hat wohlgetan. Die
doppelt so lange Kinofassung ist doppelt so reich.

Folgende zentrale Szene etwa fehlt in der
Fernsehversion. Ein Tonband wird abgespielt, ein
Schweizer Grenzwächter erzählt: Nun gut, menschlich sei
es wohl richtig, dass der St. Galler Polizeikommandant
Paul Grüninger 1938/39 Flüchtlinge habe einreisen
lassen, als die Grenze für Juden offiziell schon
geschlossen war. Aber wenn das jeder gemacht hätte?
Dann hätte es ernsthafte Probleme gegeben. Deshalb
habe er, der anonym bleiben möchte, die Weisungen
befolgt und die Illegalen schweren Herzens wieder an die
Grenze gestellt.
Paul Grüninger ignorierte die Weisungen. Deshalb
entliess und verurteilte ihn die St. Galler Justiz 1940 und
sorgte auch noch für seine Verarmung. Einunddreissig
Jahre später, ein Jahr vor Grüningers Tod, gratulierten
ihm die Kantonsoberen zu seiner menschlichen Haltung,
weitere zwanzig Jahre lang schmetterten sie alle Anträge
auf offizielle Rehabilitierung ab. Nun, drei Jahre nach
dem juristischen Revisionsprozess, legt Richard Dindo
den filmischen vor. Im Gerichtssaal, wo Grüninger 1940
verurteilt wurde, erzählen jüdische Gerettete, wie ihnen
der Polizeimann ohne viel Aufhebens half. Es sind
teilweise nüchterne, teilweise hochemotionale Berichte,
in allen aber spürt man die Dramatik eines Moments, der
über Leben und Tod entschied; aus vielen spricht der
robuste Humor von Leuten, die viel durchgemacht haben.

Humanitäre Tradition

Im übrigen wird nicht allein Grüninger durch die
packenden Erzählungen der Zeitzeugen und Dindos
zwischengeschaltete Erläuterungen des «Falls»
rehabilitiert, sondern auch jener Teil der Schweiz, der
sich damals ähnlich selbstlos für die Notbedürftigen
einsetzte und von Dindo die «humanistische Hälfte» des
Landes genannt wird. Die andere Hälfte, sagt Dindo im
Gespräch, sei halt eher krämerisch - und eben gern
anonym. Es tut gut in diesen Tagen, einen aufwühlenden
Film über die bessere Tradition der Schweiz zu sehen.
(afu.)
Morgental 17, 19, 21 Uhr, So 11.30, 17, 19 Uhr

http://zuerionline.ch/ausgeh/51.htm

Zeichen setzen in St. Margarethen-Diepoldsau

Am 12. März 1938 erfolgte der "Anschluß" Österreichs an das "Dritte Reich". Deutsche
Truppen besetzten das Land. Auf dem Wiener Heldenplatz jubelten den deutschen
Soldaten riesige Menschenmassen zu. Noch am gleichen Tag wurden jüdische Bürger
Wiens aus ihren Wohnungen gezerrt und gezwungen, mit Zahn- und Toilettenbürsten die
Straßen und Plätze der Stadt zu reinigen. Passanten schauten belustigt zu, wie man ihnen
in die Gesichter schlug. Eine Fluchtwelle setzte ein. Viele Flüchtlinge suchten in der
Schweiz Schutz - unter ihnen auch Susi Mehl. Ihr gelang es am 28. Oktober 1938, als
sechzehnjähriges Mädchen illegal in die Schweiz zu fliehen. Der damalige St. Gallener
Polizeikommandant Paul Grüninger bewilligte ihren Aufenthalt, obwohl die
Bundesbehörden am 19. August 1938 die Grenzen für Flüchtlinge mit österreichischem Paß
geschlossen hatten und die Visumspflicht verordneten. Indem er sich über die Vorschriften
hinwegsetzte, hat Paul Grüninger unzähligen verzweifelten Flüchtlingen das Leben gerettet.
Den Eltern von Susi Mehl konnte er nicht mehr helfen. Sie wurden an der Schweizer
Grenze bei St. Margarethen-Diepoldsau abgewiesen und später in Auschwitz vergast. Paul
Grüninger wurde im April 1939 fristlos entlassen. Die zuständige St. Gallener Behörde
weigerte sich bis vor kurzem, Paul Grüninger voll zu rehabilitieren. Zum Abschluß der
Jugendkampagne in der Schweiz führten deshalb Flüchtlingsinitiativen und
Jugendorganisationen am Grenzübergang St. Margarethen- Diepoldsau Mahnwachen
durch, die an die offiziell in der Schweiz praktizierte Zurückweisung der vor dem Naziterror
flüchtenden jüdischen Bevölkerung erinnerten. Sie entrollten dort lange Listen mit
Unterschriften, mit denen sich Schweizer und Österreicher verpflichteten, gegen jede Form
von Rassismus und Fremden feindlichkeit persönlich einzutreten. Diese Aktion konnte mit
dazubeitragen, daß am 30. November 1995, 23 Jahre nach seinem Tod, Paul Grüninger,
der mehr als 3000 Juden die Einreise ermöglicht hatte, vom Bezirksgericht in St. Gallen
posthum freigesprochen und rehabilitiert wurde.

GrueningersFall (1997)

Im März 1938 marschierte Hitler unter frenetischem Jubel der
Bevölkerung in Wien ein. Die Pogrome und die Kristallnacht im
November sollten die Auswanderung der Juden bewirken.


von Thomas Hunziker - E-mail


Als die Juden in Österreich begriffen, dass ihr Leben in Gefahr war, versuchten immer mehr
das Land zu verlassen, ein Teil davon durch die Schweiz. Die Schweizer Behörden
versuchten jedoch die Einreise von Juden zu verhindern und wiesen die Grenzstellen an,
die betreffenden Flüchtlinge zurückzuschicken. Hauptmann Paul Grüninger, der mit der Not
und der Verzweiflung der Flüchtlinge an der Grenze direkt konfrontiert gewesen war,
brachte es nicht übers Herz, sie zurückzusenden und ermöglichte mehreren hundert,
möglicherweise sogar einigen tausend, die Einreise in die Schweiz. Grüninger unterschrieb
Dokumente, verfasste Empfehlungsschreiben und schlug der Israelitischen Flüchtlingshilfe
vor, die Einreisedaten der Emigranten vorzuverschieben, um ihren Aufenthalt später
legalisieren zu können.


Verurteilung eines Gerechten Menschen

Als die Behörden von Grüningers Tätigkeiten
erfuhren, wurde er vom Dienst suspendiert und später
fristlos entlassen. Nach erfolglosen Versuchen, ihm
u.a. Bestechung und Geisteskrankheit anzulasten,
wird er 1940 in einer Gerichtsverhandlung wegen
Amtspflichtverletzung und Fälschung von
Dokumenten verurteilt. 1970 ringt sich die St. Galler
Regierung dazu durch, Grüninger für seine
menschliche Einstellung zu gratulieren, ohne ihn
jedoch zu rehabiliteren. Erst 1993/94, über zwanzig
Jahre nach Grüningers Tod, erfolgt die politische
Rehabilitation, 1995 die juristische. Die juristische Wiedereingliederung Grüningers
ereignete sich im selben Gerichtssaal, in dem er 1940 verurteilt wurde. Dies bewog
Dokumentarfilmer Richard Dindo dazu, Grüningers Fall im selben Raum noch einmal
aufzurollen. Er lud dazu mehrere Zeitzeugen ein, die sich zu Grüningers Fall äussern. Die
Zeugen sind einerseits jüdische Emigranten, deren Flucht aus Österreich durch Paul
Grüninger ermöglicht wurde und die ihr Leben seinem Engagement zu verdanken haben,
andererseits Schweizer Bürger, vorwiegend Grenzbeamte, die mit Grüninger
zusammengearbeitet hatten, aber auch seine Tochter, Ruth Roduner-Grüninger.


Menschliche Rehabilitation

Im Zentrum der Dokumentation stehen die
Zeugenaussagen der eingeladenen Gäste, die von
ihren Begegnungen mit Hauptmann Paul Grüninger
erzählen und wie er es ihnen oder ihren Verwandten
ermöglichte, über die Schweizer Grenze zu gelangen.
Dazwischen wird der Ablauf der Ereignisse, die zu
Grüningers Fall führten geschildert, dazu werden
auch Bilder von Hitlers Einmarsch in Wien und die
Reaktionen der Zeugen auf die bald 60 Jahre alten
Bilder gezeigt, die noch immer Bestürzung und Trauer
auslösen. Regisseur Richard Dindo verzichtet auf unnötigen Schnörkel und lässt dafür die
Zeitzeugen zu Wort kommen. Die Berichte der Zeugen und die Geschichte Grüningers
bewegt zutiefst. Grüningers Fall ist ein Mahnmal für die Menschlichkeit und die Ideale
unserer Verfassung, denen Grüninger treu bleiben wollte. Obwohl Grüningers Fall bereits
am Schweizer Fernsehen gezeigt wurde, lohnt es sich, den Film noch einmal im Kino
anzusehen. Schliesslich wurde nur eine gekürzte Fassung ausgestrahlt und einige
eindrückliche Aufnahmen wurden dem Fernsehpublikum deshalb vorenthalten.




Kinoprogramme



Angaben zum Film

Titel:
GrueningersFall (1997)
Land:
Schweiz
Genre:
Dokumentation
Bewertung:


Regie:
Dindo, Richard
Drehbuch:
Keller, Stefan
Kamera:
Corradi, Pio

Trinkler, Rainer M.
Schnitt:
Dindo, Richard

Trinkler, Rainer M.

Janett, Georg
Musik:
Meyer, Dieter

Negativ:
35 mm
Bild:
35 mm
CH Verleih:
Filmcooperative Zürich



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Copyright © 1997 Filmcooperative Zürich (Bilder)
Copyright © 1996-1997 CineNet (Text)

cinenet@kino.ch

http://www.cinenet.ch/previews/g/GrueningersFall/

Kino: Ein Schweizer Held

Richard Dindos neuer Dokumentarfilm «Grüningers Fall»
handelt vom bitteren Schicksal eines St.Galler Polizisten,
der kurz vor dem Zweiten Weltkrieg Hunderte von jüdischen
Flüchtlingen rettete.

Ein alter Mann geht langsam durch einen winterlichen Wald.
Ringsumher sind die Bäume mit nassem Schnee beladen. Der Mann
trägt einen schwarzen Mantel und hebt sich scharf vom hellen
Hintergrund ab. Er ist gebeugt und stützt sich auf einen Stock. Seine
Augen wirken unendlich traurig.

Die ersten Bilder von Richard Dindos neuem Film zeigen Paul
Grüninger im Alter von 79 Jahren. Die schwarzweissen Aufnahmen
entstanden 1971. Ein Jahr später starb Paul Grüninger als einsamer
und verarmter Mann. Dabei hatte er am Vorabend des Zweiten
Weltkriegs grossen Mut bewiesen und vielen jüdischen Flüchtlingen
das Leben gerettet.

Die Not der Vertriebenen

Paul Grüninger war damals Kommandant der St.Galler
Kantonspolizei. Im Frühling 1938 erlebte er die Not der Juden, die
über die Schweizer Grenze kamen, nachdem in Österreich deutsche
Truppen einmarschiert waren. Das Leid der Emigranten erschütterte
den Polizeioffizier.

Als der Bundesrat im August 1938 eine Visumspflicht für
österreichische Flüchtlinge einführte, mochte sich Paul Grüninger
nicht damit abfinden. Er sorgte dafür, dass die Einreisepapiere
jüdischer Emigranten vordatiert wurden. Dank seiner Hilfe fanden
Hunderte bedrohter Menschen doch noch Zuflucht in der Schweiz.

Paul Grüninger zahlte für seine Menschlichkeit einen hohen Preis. Er
wurde im Mai 1939 fristlos entlassen. Zwei Jahre später verurteilte
ihn das Bezirksgericht St.Gallen wegen Urkundenfälschung. Der
ehemalige Polizeioffizier musste sich von nun an mit karg entlöhnten
Arbeiten durchschlagen. Zeitweise ernährte er seine Familie als
Verkäufer von Regenmänteln. Erst 23 Jahre nach seinem Tod wurde
Paul Grüninger juristisch rehabilitiert.

Richard Dindos Film spielt zum grössten Teil im Saal des
Bezirksgerichts St.Gallen - also an jenem Ort, an dem Paul Grüninger
einst seine Ehre und seine Existenz verlor. Dort versammeln sich
nun Menschen, die dem Polizeioffizier ihr Leben verdanken. Zu Wort
kommt etwa die greise Jüdin Jetty Tenenbaum, die nach dem Krieg
nach New York ausgewandert ist. Sie schildert eine kurze
Begegnung mit Grüninger, den sie als «feinen, freundlichen Mann»
in Erinnerung behalten hat.

Lebendige Vergangenheit

Der heute 53jährige Dokumentarfilmer Richard Dindo hat es immer
wieder verstanden, Vergangenheit auf ungewöhnliche Art
heraufzubeschwören. Das zeigt etwa sein Werk «Augenblicke im
Paradies» (1996), ein Porträt des südafrikanischen Schriftstellers
Breyten Breytenbach. Dieser Dichter kämpfte einst mutig gegen die
Rassentrennung in seiner Heimat, wurde deswegen bespitzelt und
schliesslich eingekerkert.

Als Breyten Breytenbach im Film die Schauplätze seiner schlimmen
Erlebnisse besucht, scheint ihn plötzlich wieder ein Polizeiauto zu
verfolgen. So zeigt Richard Dindo, wie gegenwärtig das erlittene
Unrecht in der Erinnerung des Dichters ist.

Auch in «Grüningers Fall» lässt der Regisseur Vergangenheit auf
überwältigende Art lebendig werden: Er projiziert historische
Filmaufnahmen auf eine Wand des Gerichtssaals. Plötzlich sieht man
dort Hitler, der auf dem Wiener Heldenplatz eine fanatische Rede
hält. Die im Saal versammelten Juden zucken zusammen. Ein alter
Mann bricht in Tränen aus.

Die erschütternde Szene lässt das Publikum das gewaltige Unheil
und Unrecht erahnen, dem sich Paul Grüninger so mutig
entgegenstemmte.

Michael West

«Grüningers Fall» wurde bereits am 20.November von SF 1
ausgestrahlt. Die Kinoversion des Films, die am 28. November
anläuft, ist jedoch 40 Minuten länger als die am Bildschirm gezeigte
Fassung.

Das Buch zum Film

Richard Dindos Film beruht auf einem Buch von Stefan Keller, einem
Redaktor der «WochenZeitung». Durch das Studium von vielen
Dokumenten und lange Gespräche mit Zeitzeugen war es ihm
möglich, Paul Grüningers Lebensgeschichte präzise und packend zu
rekonstruieren. Das Buch «Grüningers Fall» ist im Zürcher
Rotpunktverlag erschienen und kostet 30 Franken.

M.W.

http://www.brueckenbauer.ch/INHALT/9748/48kino.htm


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