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Avi Primor:
»...mit Ausnahme Deutschlands«
Als Botschafter Israels in Bonn

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IVa.Teil:
Steine und Rosen

Die Enthüllung des Geheimnisses deutscher Waffenlieferungen an Israel erfolgte schrittweise. Schon im Sommer 1963, am 15. Juni, wies der SPD-Abgeordnete Hans Merten auf die Anwesenheit israelischer Soldaten in der Bundesrepublik hin. Ein Jahr darauf, im Oktober 1964, war in deutschen Zeitungen erstmals von Transporten mit Waffen landeseigener Produktion an die Adresse Israels die Rede.

Die Meldungen wurden sofort, am 26. Oktober, vom damaligen Regierungssprecher Karl-Günther von Hase, dementiert, doch schon wenige Tage später, am 1. November, empörte sich das halboffizielle ägyptische Blatt »Al Gamhuriya« über den gleichen Sachverhalt. Als Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier am 23. November jenes Jahres mit Präsident Nasser zusammentraf und dieser ihm Dokumente vorlegte, welche die Militärhilfe bestätigten, erklärte Gerstenmaier guten Gewissens, noch nie von deutschen Waffenlieferungen an Israel gehört zu haben. Die Wahrheit eröffnete ihm nach der Rückkehr erst Bundeskanzler Ludwig Erhard in Bonn. Wenige Monate später, Anfang 1965, waren die Lieferungen allgemeines Gesprächs- und Diskussionsthema, nicht nur in Israel und Deutschland.

Die Aufregung war sofort in beiden Ländern groß. Politisch aber gewann die Nachricht von den israelischen Rüstungskäufen erst an Bedeutung, nachdem sie von den arabischen Nachbarstaaten Israels zum eigenen Vorteil so lange als Druckmittel gegen die Bundesrepublik benutzt wurde, bis die Regierung die Einstellung der Waffenlieferungen an Israel beschloß.

Die Reaktion dort war entsprechend. Wieder einmal, wie zur Zeit der Krise um die deutschen Raketentechniker in Ägypten, machte sich öffentliche Empörung in Protesten Luft, wiederum schien, wie es sich so plötzlich und brisant nur im Verhältnis zu Deutschland offenbaren konnte, die künftige Sicherheit Israels elementar gefährdet. Diesmal mischten sich in den allgemeinen Aufschrei auch Stimmen von Juden außerhalb des Stammlandes, heftige Reaktionen kamen vor allem aus den Vereinigten Staaten. Der Eindruck, die Deutschen seien – trotz ihrer Vergangenheit – bereit, den Juden Verteidigungsmittel vorzuenthalten, zu deren Lieferung sie sich verpflichtet hatten und die Israel aufgrund des Kräfteverhältnisses im Nahen Osten dringend benötigte, ließ sich nicht mehr aus der Welt schaffen.

Die Protestwelle gefährdete nicht nur Deutschlands moralisches Ansehen, erstmals seit dem Abschluß des Wiedergutmachungsabkommens standen auch wirtschaftliche Interessen auf dem Spiel. So riefen amerikanische Juden zum Boykott deutscher Waren und weltweit operierender Unternehmen wie der Lufthansa auf. Die Bundesregierung befand sich, nicht nur was die Schadensbegrenzung anging, in einer Sackgasse.

Denn Gefahr drohte auch von seiten derer, die sich bis dahin als erbitterte Gegner der deutsch-israelischen Zusammenarbeit gezeigt hatten. Sie gab es im In- wie im Ausland. Einerseits hatte man das große wirtschaftliche Potential der arabischen Staaten im Blick, andererseits war einer der Grundsteine der deutschen Außenpolitik, die Hallstein-Doktrin, im Begriff, seine Tragfähigkeit zu verlieren. Eine Durchsetzung der Waffenlieferungen an Israel, nachdem sie einmal bekanntgeworden waren, würde arabische Staaten zur Anerkennung der DDR veranlassen, vielleicht nicht alle, aber einige.

Es war klar, daß, wenn es beim Abbruch der Lieferungen an Israel blieb, die Bundesregierung mit einem Kompensationsangebot aufwarten müsse, einer Leistung, die den Schaden in etwa wettmachte. Schon im Februar 1965 offerierte die Bundesregierung eine Ausgleichsentschädigung, die anzunehmen Israel zu diesem Zeitpunkt aber keineswegs bereit war. Als einzige und nach allem, was geschehen war, wohl auch allein folgerichtige Konsequenz bot sich die Aufnahme diplomatischer Beziehungen an. Nur mußte, nachdem die israelische Diplomatie in den voraufgegangenen Jahren ihre Bereitschaft mittelbar signalisiert hatte, die Initiative dazu von deutscher Seite kommen. In den ersten Monaten des Jahres 1965 verdichteten sich entsprechende Gerüchte.

In Israel war die neue Krise sofort eines der wichtigsten öffentlichen Themen. Eine Kundgebung in Jerusalem, die ich im Frühjahr 1965 besuchte, war eigentlich Verteidigungs- und Sicherheitsproblemen gewidmet, im Mittelpunkt aber standen die Beziehungen zwischen Israel und Deutschland. Hauptredner war Shimon Peres. Er, fast seit der Gründung des israelischen Verteidigungsministeriums dessen eigentlicher Leiter – nominell war dies nach Ben Gurion auch dessen Nachfolger Levi Eschkol –, äußerte Bitterkeit über die Unterbrechung der Waffenlieferungen und lehnte jede Alternative und jede Art von Kompensation ab. Als er trotzdem darauf zu sprechen kam, ob man diplomatische Beziehungen in Betracht ziehen sollte, erklärte er, er ziehe – und werde das immer tun – »den Motorzylinder eines Panzers dem Zylinder des Diplomaten vor.«

Peres ließ, obwohl sie nicht zu seinem Ressort gehörten, internationale Beziehungen nie außer acht. Er war es, der als Staatssekretär im Verteidigungsministerium schon in den frühen fünfziger Jahren die Sonderkontakte zu Frankreich aufgenommen hatte. Dank der Rückenstärkung, die ihm Ben Gurion gewährte, konnte er sich manche Eigenmächtigkeit leisten, auch wenn sie ihm Ärger in der Regierung eintrug. So überraschte es kaum, daß er sich besonders intensiv auch mit dem Verhältnis zu Deutschland befaßte und damit die Grenzen seiner Zuständigkeit überschritt. Seine Reise nach Rott am Inn, wo er sich im Dezember 1957 mit Franz Josef Strauß traf, ist dafür nur ein Beispiel. Um so schwerer wog, daß er 1965 die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Deutschland in aller Öffentlichkeit entschieden ablehnte – Ausdruck des Zorns, den er damals wie viele seiner Landsleute empfand.

Mit der Erweiterung seines Aufgabenhorizonts trat bei Peres das ressortübergreifende Denken noch stärker in Erscheinung. 1987, als ich Botschafter in Brüssel und zuständig war sowohl für die bilateralen Beziehungen zu Belgien und Luxemburg wie auch für die multilateralen zur Europäischen Gemeinschaft, der heutigen EU, sollte ich im Auftrag unseres damaligen Verteidigungsministers Jitzhak Rabin Kontakte zur Nato herstellen. Es ging nicht etwa um eine Mitgliedschaft, sondern um Möglichkeiten einer koordinierenden Zusammenarbeit. Über deutsche Gesprächspartner, den Nato-Botschafter Niels Hansen und General Wolfgang Altenburg, lernte ich 1988 den damaligen Nato-Generalsekretär Manfred Wörner kennen und sah einen Ansatzpunkt zu einem regelmäßigen Meinungsaustausch mit der Verteidigungsorganisation, der von unserer Seite nun auf höherer Ebene vorbereitet werden mußte. Die geeignete Gelegenheit dazu meinte ich im Besuch unseres Außenministers Peres bei der EG-Kommission zu sehen. Der aber lehnte das Treffen mit Wörner, das ich ihm nachdrücklich empfahl, rundum ab. Begründung: Wenn es um internationale Beziehungen Israels gehe, die sich auf Verteidigungsfragen beschränkten, wolle er sie nicht antasten. »Mich interessieren politische und diplomatische Beziehungen.«

Ganz ähnlich reagierte Peres 1994, als er zu Gesprächen mit dem Bundeskanzler und mit Außenminister Kinkel nach Bonn kam. Ich holte ihn vom Flughafen ab und bat ihn auf dem Weg zum Hotel um Auskünfte über Verhandlungen, die kurz vorher über unsere U-Bootkäufe in Deutschland stattgefunden hatten. Peres wollte nicht einmal davon hören und winkte ab: »Rüstungsangelegenheiten und überhaupt militärische Fragen sind nicht mein Bereich, ich kümmere mich um politische und wirtschaftliche Dinge.«

Vor dreißig Jahren, angesichts umfangreicher Lieferungen hochentwickelter Waffen aus der Sowjetunion an unsere Nachbarstaaten, verteilte Peres die Akzente anders. Bei allem Nachdruck, mit dem er deutlich machte, für wie unverzichtbar er die Einfuhr deutscher Rüstungsgüter hielt, war er Realpolitiker genug, um wie andere Vertreter der israelischen Regierung zu erkennen, daß es nicht genügte, auf der Erfüllung abgeschlossener Verträge zu bestehen. Es war eine prekäre Situation, auch für die Deutschen. Während ein Großteil der Israelis dem Gedanken an die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur Bundesrepublik ablehnend gegenüberstand, einmal, weil die Zeit dafür noch nicht reif schien, zum anderen, weil man einen solchen Akt als Beschwichtigungsgeste zugunsten Deutschlands und als allzu großes Entgegenkommen empfand, gab es ranghohe Politiker in Bonn, die der Hallstein-Doktrin absolute Priorität einräumten. Zu ihnen gehörte als der wohl einflußreichste der damalige Außenminister Gerhard Schröder.

Vollends unlösbar schien die Lage, als die arabischen Staaten gleich in zwei Fällen mit der Anerkennung der DDR drohten, bei der Aufnahme offizieller Beziehungen zu Israel ebenso wie bei der Fortsetzung der deutschen Waffenlieferungen. Die Bundesregierung suchte nach einem Kompromiß. Das Angebot von »teildiplomatischen« Beziehungen mit der Erlaubnis zur Einrichtung einer diplomatischen Vertretung, einer Mission, die sich nicht den Status einer Botschaft geben durfte, wurde von Israel abgelehnt.

Bevor Hilfe aus völlig unerwarteter Richtung kam, flog Rainer Barzel, damals Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion, in die USA. Die Reise war des längeren geplant, erhielt jedoch insofern eine besondere Note, als Barzel die Bitte Bundeskanzler Erhards mit auf den Weg bekam, alles zu tun, um die auch in Amerika noch immer spürbaren Verstimmungen über den neuesten Stand der deutsch-israelischen Beziehungen beizulegen. Barzel kam indessen mit eher gegenteiligen Eindrücken zurück: Um die Krise nicht noch weiter zu verschärfen, ließ er seinen Kanzler wissen, dürfe die Bundesrepublik nicht länger zögern, Israel volle diplomatische Beziehungen anzubieten. Erhard rang sich trotzdem zu keiner eindeutigen Entscheidung durch.

Er vermochte es zunächst selbst dann nicht, als Gamal Abd el-Nasser den Vorsitzenden des DDR-Staatsrats Walter Ulbricht nach Kairo einlud. Die dort gemeinsam abgegebene Erklärung kam einer massiven Kampfansage an Israel gleich, das als »Vorposten des Weltimperialismus« im Nahen Osten bezeichnet wurde. Wenn nun aber schon Ägypten mit der DDR auf höchster Ebene verhandelte, welchen Sinn machte es dann noch, aus Furcht, andere arabische Staaten könnten diesem Beispiel folgen, Israel die Aufnahme normaler diplomatischer Beziehungen zu verweigern?

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Erschienen 1997 beim Ullstein-Verlag, Berlin


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