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Jüdische Weisheit
 
 

 

Avi Primor:
»...mit Ausnahme Deutschlands«
Als Botschafter Israels in Bonn

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I. Teil - a:
Deutschland – ein weisser Fleck

Schon in meiner Kindheit war mir klar, daß ich mit Deutschland nie etwas zu tun haben, mit Deutschen weder verkehren noch sie überhaupt jemals kennenlernen würde. Niemals auch würde ich ein Produkt aus Deutschland kaufen. Deutschland war für mich ein weißer Fleck auf der Karte, es existierte einfach nicht.

Meine Mutter, die dort geboren ist, sich dank eines Zufalls aber schon 1932 in Israel, dem damaligen Palästina, niederlassen konnte, hat mir diese Einstellung zwar nicht eingeprägt, allerdings auch nichts unternommen, um ihr in irgendeiner Weise entgegenzuwirken. Dabei war sie selbst durchaus darauf bedacht, engen Kontakt zur deutschen Sprache und Kultur zu halten. Obwohl die Umgangssprache bei uns zu Hause Hebräisch war, das sie ziemlich mühelos und rasch erlernt hatte, und obwohl sie Französisch fast ebenso gut beherrschte wie Deutsch, befaßte sie sich ständig mit deutscher Literatur. Zu ihrer Lektüre gehörten Zeitschriften in deutscher Sprache, und wenn sie Freundschaften schloß, handelte es sich meist um andere deutschsprachige Juden, die es nach Israel verschlagen hatte. Ich erinnere mich, bei uns des öfteren die »Neue Zürcher Zeitung« gesehen zu haben, doch keine deutschen oder in Österreich erschienenen Zeitungen, Zeitschriften und Bücher aus der Hitler-Zeit, den Jahren nach 1933.

Weshalb ich eine so heftige und ausschließliche Abneigung gegen alles hegte, was deutsch war, ist mir nicht immer völlig bewußt gewesen. Ich selbst habe weder den Krieg noch den Holocaust erlebt. In meiner Kindheit kannte ich niemanden, der jemals, es sei denn auf Abbildungen, eine Nazi-Uniform gesehen hat. Meine Mutter hat zwar während des Kriegs ihre gesamte Familie verloren, Verwandte und Freunde, von denen sie sich 1932 in Frankfurt verabschiedet hatte – keiner von ihnen hat den Holocaust überlebt –, diese Menschen und ihre Schicksale aber wirkten auf mich, der ich keinem der späteren Opfer jemals direkt begegnet war, eigentümlich schemenhaft und abstrakt. Von ihren Eltern besaß meine Mutter nicht einmal ein Foto. Für sie, die schon lange vor dem Krieg die Verbindung zu den Angehörigen verloren hatte, war dann der Schmerz um so größer. Übrigens hat sie fast nie darüber gesprochen. Bis auf die Tatsache, daß die Familie in Deutschland bald nach Anfang des Krieges verschleppt worden war, wurde das Holocaust-Thema in Gesprächen kaum erwähnt, jedenfalls nicht in meiner Gegenwart und der meiner Geschwister.

Wo also lagen die Gründe meiner totalen Ablehnung jedes Wissens über Deutschland? Vielleicht im Abscheu eines jüdischen Kindes vor dem Bannerträger des Antisemitismus, zu dem Deutschland sich entwickelt hatte? Wohl kaum, denn Antisemitismus war für mich ein historischer, gefühlsmäßig fremder Begriff. Ich gehöre einer jener Generationen von Juden an, die mit dem Antisemitismus nie in direkte Berührung gekommen sind. Ich bin in einer Gesellschaft geboren und aufgewachsen, die ausschließlich aus Juden bestand. In meiner Jugend habe ich nie einen Nichtjuden kennengelernt; ob die Lehrer in der Schule, ob Freunde oder Verwandte – sie alle konnten nur Juden sein. Daß es Nichtjuden gab, bedeutete in meinen Augen nichts anderes als die Existenz von Ausländern etwa in Deutschland oder irgendeinem anderen Land. Gewiß, es gab Araber, die Palästinenser, doch bildeten sie, so haben wir es als Kinder empfunden, eine eigenständige Bevölkerungsgruppe, die neben uns und nicht mit uns lebte. Und dann die Kolonialmacht England, repräsentiert durch Fremde, durch Ausländer, durch Feinde zumal, die es zu bekämpfen galt, um Freiheit und Unabhängigkeit zu erringen. Hier ging es indessen um keine gesellschaftlichen Probleme. Mit den Engländern wünschte man sich weder zu befreunden noch zu vergleichen; niemand bezweifelte, daß sie eines Tages wieder abziehen würden, und dieses Ziel hatte Vorrang vor allen anderen. Von den Empfindlichkeiten der Angehörigen einer Minderheit mit ihren Komplexen jedenfalls, die vielen im Ausland aufgewachsenen jüdischen Kindern zu schaffen macht, blieb ich verschont.

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Erschienen 1997 beim Ullstein-Verlag, Berlin


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