DOKUMENTATION:
Auch Bürokratie benötigt Transparenz und einsehbare Regeln

Wir sind der Meinung, dass Bürokratie transparent sein muss, insbesondere hat sie einschätzbaren Regeln zu folgen. Die Alternative dazu sind Willkür und Amtsmissbrauch, die mit einer funktionierenden demokratischen Bürgergesellschaft nicht vereinbar sind.

Wir dokumentieren hier einen uns sehr genau bekannten Vorgang, weil wir der Meinung sind, dass die hier exemplarisch zu Tage tretenden Missstände von allgemeinem Interesse sind. Es hat sich gezeigt, dass es für Bürger der "Berliner Republik" extrem schwierig sein kann, legitime Rechte gegen eine mauernde Ministerialbürokratie zu vertreten.

Der Bürger scheint nicht mehr Souverän, sondern nur noch lästiger Bittsteller zu sein. Wo Kritik an Amtspersonen wie Majestätsbeleidigung geahndet und der Weg an die Öffentlichkeit als "Anrichtung politischen Schadens" verurteilt wird, bleibt dem in Ungnade gefallenen Bürger nur noch das Aufgeben, das "Ableben in aller Stille".
Eine Ministerialbürokratie, deren oberste Vertreter für Petitionen und Unterschriftenlisten Tausender - auch namhafter Vertreter der Zivilgesellschaft im In- und Ausland, nur noch den Papierkorb - und bei Zusendung als Einschreiben, nur den Shredder kennen, hat sich längst von der demokratischen Bürgergesellschaft abgewandt.

September - Oktober 2004

Tacheles Reden! e.V. und haGalil e.V. beantragen für die Restlaufzeit des Projekts "Or - Bildung gegen Antisemitismus", den Wechsel der Projektträgerschaft.
Diese Antragstellung erfolgt fristgerecht und in Abstimmung mit dem BMFSFJ (Bundesfamilienministerium). Frau Eva Ehrlich, Erste Vorsitzende des haGalil e.V., schlägt ein Treffen im BMFSFJ vor, um die näheren Gründe zu erläutern und das weitere Vorgehen abzustimmen. Ein solches Treffen sei nicht nötig, meint der zuständige Referatsleiter Dr. Sven-Olaf Obst, ein Trägerwechsel sei eine "durchaus gängige Sache", nichts ungewöhnliches und kein Problem.

Tacheles Reden! e.V. empfiehlt den Trägerwechsel

haGalil e.V. beantragt Übernahme der Trägerschaft zum Projekt "Or"

Dezember 2004

1. Begründung:

Restlaufzeit zu kurz

Gegenargument 1/3 der Gesamtlaufzeit ist ein nicht unbedeutender Teil des Ganzen.

2. Begründung:

Dr. Obst befürchtet, dass ein Trägerwechsel die unangenehme Frage aufwerfen könne, ob denn der alte Träger, wenn er nun als ungeeignet erachtet werde, bisher überhaupt geeignet war.

Gegenargument: Die Frage muss sich nicht stellen, da beide Seiten einvernehmlich ihr Interesse an einem Trägerwechsel bekundet haben. Da weder vom BMFSFJ, noch von der Servicestelle, jemals der Eindruck erweckt wurde, ein Trägerwechsel sei eine "große Sache", habe man diesen Schritt gewählt. Eine Zusammenlegung in München garantiere gerade in den letzten Monaten der Laufzeit eine verbesserte Abstimmung zwischen Inhalt, Technik und Verwaltung. Mittelfristig werde die Arbeit ohnehin beim haGalil e.V. alleine liegen.

3. Begründung:

Der Verein Tacheles Reden! e.V. versucht nun angeblich das Projekt "Or" alleine fortzuführen, ohne haGalil.

Gegenargument: Das Projekt "Or" ist klar definiert: Ziel und Zweck sind Erhalt und Ausbau des unter haGalil online entstandenen Bildungs- und Kommunikationsangebots zum Judentum, zu Rechtsextremismus und Antisemitismus. Diese alleinige Zielsetzung kann ohne haGalil nicht verwirklicht werden.

Dr. Obst betont seine Bereitschaft das Projekt "Or", also die Unterstützung der Arbeit von haGalil onLine - gegen haGalil online - mit dem Verein Tacheles Reden e.V. fortsetzen zu wollen.
Den haGalil e.V. verweist er darauf, dass die Mittel im Programm entimon im Rahmen eines Interessenbekundungsverfahrens vergeben wurden, welches für 2005 bereits abgeschlossen sei. Neuanträge seien erst nach Entscheidung zur finanziellen Perspektive des Programms entimon im Jahr 2006 möglich. Die Frage, weshalb dann dem Verein Tacheles Reden! e.V. die Möglichkeit zur erneuten Antragsstellung einräumt wird, scheint sich nicht zu stellen.
Bei Tacheles Reden! e.V. stehen weder die Vereinsvorsitzenden Christian Jellinek und Kristin Döring, noch die Geschäftsführerin Frau Helke Podlech, noch die mit der Leitung des Projekts "Or" betraute Frau Tanja Kinzel zur Verfügung. Auch der als Ansprechpartner genannte Steuerberater des Vereinsvorsitzenden ist nicht erreichbar.

haGalil verweist Herrn Dr. Obst noch einmal auf die Zweckbindung der bewilligten Finanzmittel. Es gehe beim Projekt "Or" einzig und allein darum, das unter haGalil online entstandene Bildungs- und Kommunikationsangebot auszubauen und zu erhalten.

Um in diesem Sinne weiterarbeiten zu können, haben der alte, als auch der neue Träger, einen Wechsel der Projektträgerschaft beantragt. Um die näheren Gründe zu erläutern und das weitere Vorgehen abzustimmen hat Frau Eva Ehrlich, Vorsitzende eds haGalil e.V. einen Gesprächstermin im BMFSFJ angeregt. Dies sei nicht nötig, ein Trägerwechsel eine "gängige Sache", meinte damals Dr. Sven-Olaf Obst.

Die inzwischen entstandene Problematik ist auf die völlig überraschende und unvorhersehbare Weigerung des BMFSFJ dem in gegenseitigem Einvernehmen beantragten Trägerwechsel zuzustimmen, zurückzuführen. Dr. Obst versucht zwar das "Nichtkooperieren" des Tacheles Reden! e.V. herauszustreichen, hätte dieses jedoch zu einem sehr viel früheren Zeitpunkt thematisieren müssen, falls ihm die seit Oktober im BMFSFJ vorliegende Empfehlung des Tacheles Reden! e.V. zum Trägerwechsel nicht ausgereicht hätte.

Es verwundert auch, dass Dr. Obst bis heute meint herausstreichen zu müssen, dass es zwischen Tacheles Reden und haGalil Meinungsverschiedenheiten gab, geradeso, als sei es ein völlig ungewöhnlicher Vorgang, dass sich zwei Projektpartner auseinanderentwickeln. Immerhin gibt es doch aus genau diesem Grunde die Möglichkeit zum Trägerwechsel - und deshalb haben sich haGalil und Tacheles ja auch einvernehmlich zu diesem Schritt entschlossen.

Auch ein Schreiben von Dr. Obst vom 20.12.2004 erläutert diese Möglichkeit, die zumindest so üblich ist, dass entsprechende Regelungen bereits formuliert sind. Er teilt mit, ein Trägerwechsel sei sinnvoll und befürwortbar, wenn u.a.:

  • der bisherige Projektträger nicht mehr in der Lage ist, das Projekt fortzuführen oder fachliche Gründe gegen eine weitere Fortführung bei dem bisherigen Träger sprechen
  • eine vergleichbare Umsetzungsqualität des neuen Trägers zu erwarten ist
  • der Übergang im Einvernehmen zwischen beiden Trägern möglich ist (sofern nicht fachliche Gründe gegen eine weitere Fortführung bei dem bisherigen Träger sprechen)
  • keine Mehrkosten entstehen, d.h. Sachmittel umgewidmet werden können etc., oder sonstigen haushaltstechnischen Gründe dagegen sprechen
  • eine Zielerreichung im verbleibenden Projektlaufzeitrahmen möglich ist

Alle Punkte sprechen für die Übertragung der Trägerschaft von Tacheles Reden! e.V. zu haGalil e.V.

Einziges Gegenargument scheint momentan die Behauptung des Vereins tacheles reden! e.V. er wolle eventuell einen "aktualisierten Antrag" stellen.
Dass die Basis einer Zusammenarbeit mit Tachles reden! e.V. sehr problematisch ist, müsste inzwischen aber auch Dr. Obst erkannt haben, nachdem Tachles reden! e.V. sich nicht von sich aus zur Ablehnung des Trägerwechsels geäußert hat. Erst ein Gespräch zwischen Dr. Obst und haGalil zeigte den dringenden Handlungsbedarf auf.

Soll also eine während der letzten zehn Jahren erfolgreiche und international immer wieder als modellhaft wahrgenommene Arbeit ausgelöscht werden, nur weil man, um mit den Worten von Dr. Obst zu reden, beim Verein Tacheles Reden! nicht in der Lage oder Willens ist, Tacheles zu reden?

Es ist absolut unverständlich, wie das bisher förderwürdige Projekt "Or" einfach zur Seite gelegt werden kann und von Tachles reden! e.V. ein "aktualisierter Antrag" erwartet wird. Dieser Antrag kann niemals die Projektziele von "Or" umfassen, da hierfür die Kooperation mit haGalil onLine nötig wäre. Das Projekt "Or" wird dadurch als nicht mehr förderungswürdig eingestuft, obwohl es immer noch genau dasselbe ist und seine Notwendigkeit eher zu- als abgenommen hat. Die nachhaltige Wirksamkeit der bereits eingesetzten Steuermittel wird fahrlässig aufs Spiel gesetzt.

4. Begründung:

Zum Antrag auf Trägerwechsel lässt Dr. Sven-Olaf Obst nun wissen, dass dieser "von Tacheles reden! e.V. zurückgezogen wurde". Es liege aktuell sogar ein Änderungsantrag vor, über den gesondert entschieden werden wird.

Mit großem Erstaunen nahm man dies beim haGalil e.V. zur Kenntnis und forderte vom Vorstand des Tacheles Reden! e.V. eine Stellungnahme.

In dieser Stellungnahme heisst es dann auch: "Wir sind - wie mit Ihnen und Herrn Gall ausführlichst erörtert - zu keiner Zusammenarbeit mit Ihnen nicht mehr bereit, deshalb wurde ja auch von uns der Trägerwechsel vorgeschlagen".

Spätestens hier hätte Dr. Obst begreifen müssen, dass ein Trägerwechsel, nach den zuvor von ihm selbst formulierten Richtlinien angezeigt wäre.

Der bisherige Projektträger ist offensichtlich nicht mehr willens und auch nicht in der Lage ist, das Projekt fortzuführen. Herr Dr. Obst hat mehrfach betont, dass ein Trägerwechsel - trotz seiner aktuellen Anweisung zu einer ganz allgemein ablehnenden Haltung - genau dann zu befürworten ist, wenn nur so die Fortführung eines Projekts und die Sicherung der nachhaltigen Wirksamkeit gewährleistet werden kann. Genau dies wird der neue Träger hagalil e.V. leisten, da hier die erforderliche Sachkompetenz und Kontinuität angesiedelt sind.

Sicher liegt es auch im Interesse des zuständigen Ministeriums, ein Projekt abzusichern und zum Erfolg zu führen, in das bereits viele Mittel geflossen sind und dessen Befürwortung in zahlreichen Empfehlungsschreiben aus Politik und Wissenschaft deutlich hervorgeht. Wir bitten Sie daher dem vorgeschlagenen Trägerwechsel zu zustimmen.

Januar 2005

Aus einem weiteren Schreiben des Tacheles Reden! e.V. geht noch im Januar 2005 hervor, dass in der Frage des Trägerwechsels zwischen den beiden Kooperationspartnern noch immer Einvernehmen besteht, es also einzig und allein der Referatsleiter Dr. Obst ist, der entgegen bisheriger Gepflogenheit und Vorschrift, den nach seinen eigenen Richtlinien noch immer angezeigten Trägerwechsel, verhindert - und damit die interne Projektplanung zunichte macht.

Doch damit nicht genug: Es geht aus der Mail des Tacheles Reden! e.V. hervor, dass es der Leiter des Referats 503 höchstpersönlich war, der den Verein Tacheles angewiesen hat einen "aktualisierten Antrag" für das Projekt "Or" zu stellen - wohl wissend, dass dieser - ohne haGalil - der Zielsetzung des Projekts komplett zuwiderlaufen muss - und somit gar nicht genehmigt werden darf.
Herr Dr. Obst ist also erneut gebeten sich an den zuvor von ihm formulierten Vorschriften zu orientieren und entsprechend zu handeln.

5. Begründung:

Dr. Obst versucht sich nun auf ein vermeintlich neues Terrain zurückzuziehen. Er bemängelt die zu einem viel früheren Zeitpunkt geklärte Frage der Kofinanzierung. Beschreibt Mängel in der Antragsstellung und vergisst nicht daran zu erinnern, dass er schon im Frühjahr 2003 auf rechts-nationale Kritik an haGalil mit der Bitte um Entfernung von Hinweisen der entimon-Unterstützung für haGalil gebeten hat.

Als alle diese bereits abgehandelten Punkte noch einmal widerlegt werden zieht sich Dr. Sven-Olaf Obst zurück und antwortet nicht mehr.
Wir lassen ihm vierzehn Tage Zeit, in der Hoffnung, er werde die Gelegenheit zur Klärung nutzen. Als diese Zeit ungenutzt verstrichen ist, wenden wir uns hoffnungsvoll an den zuständigen Staatssekretär und bitten um Vermittlung.

Im Verlauf der weiteren Auseinandersetzung folgen dann zusätzliche "Begründungen". Es bleibt also spannend...