Robert Kreis im Jüdischen Museum (Teil II):
Verehrt, Verfolgt, Vergessen – eine Hommage an jüdische UnterhaltungskünstlerInnen

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tanja kinzel - tacheles reden


Robert Kreis´Hommage im Jüdischen Museum geht weiter, er singt und trägt Ausschnitte der von Ulrich Liebe engagiert recherchierten Biografien vor und die gemordeten KünstlerInnen scheinen ein neues Leben zu gewinnen:

Otto Wallburg

So auch Otto Wallburg, der sich nicht nur in den ersten Tonfilmen als Charakterkomiker einen Namen machte, sondern auch im Kabarett Lacherfolge garantierte. Seine Spezialität war das Blubbern, das Robert Kreis anschaulich vorstellte, eine Stakkatosprechweise, bestehend aus angedeuteten Sätzen, die das Publikum begeisterte. Der 1989 geborene Otto Maximilian Wasserzug, wuchs im Herzen Berlins am Schiffbauerdamm auf. Auch er verließ sein anfangs angestrebtes – oder vielmehr von der Familie vorgezeichnetes – Metier, die Banklaufbahn zugunsten der Bühnenbretter. Er bestand die Aufnahmeprüfung an der Schauspielschule Max Reinhardts und fand bereits 1909 in Bern sein erstes festes Engagement. 1913 nahm er am Neuen Theater in Frankfurt am Main ein Angebot von Arthur Hellmer an und blieb bis 1925 – unterbrochen von einem Kriegseinsatz im 1. Weltkrieg, aus dem er schwer verwundet zurückkehrte. Mit seinen Darstellungen in Stücken von Ibsen, Shakespeare und expressionistischen Aufführungen machte er sich in Frankfurt einen Namen. Durch eine Nebenbeschäftigung in der Druckerei seines Schwiegervaters machte er Bekanntschaft mit dem Satiriker und Kabarettisten Hans Reimann. Er wurde nicht nur Herausgeber einer satirischen Zeitschrift, sondern gab auf dessen Kabarettbühne auch sein erstes Kleinkunstdebüt. 1926 ging er zurück nach Berlin und blieb. Es folgten glanzvolle Rollen in dem Ensemble von Max Reinhardt und auch in Kabarettkreisen war er zunehmend gefragt. Mit Olly Gebauer zusammen sang er 1923 das Lied „Lachst Du mich auch aus mein Schatz“, in dem sie das Publikum mit ihren Lachsalven mitrissen:

- Ich schreibe Deinen Namen in den Sand
hundertmal, tausendmal.
- Im Traume küsst Du zärtlich meine Hand
Hundertmal, tausendmal.

- Wo ich geh und steh da denke ich immer an Dich.
- Das ist eine ganz besondere Ehre für mich.

- Lachst Du mich aus, mein Schatz.
Ich träume nur von Dir.
Lachst Du mich aus, mein Schatz,
Mal geht dir´s so wie mir.   

 

- Ich geh nachts im Bett spazieren
Und denk an Dich bei jedem Schritt…
Ahahahah

- Lachst Du mich auch aus, mein Schatz
Ich lache mit Dir mit…
Hehehe
Hahahha
….
                                           

1929 bekam er die Anfrage von Max Froehlich neben Hans Albers und vielen anderen bekannten Schauspielgrößen im Tonfilm “Die Nacht gehört uns“ mitzuspielen – der Film wurde, nicht zuletzt wegen Wallburgs Blubbereinlagen, ein riesiger Erfolg und macht ihn als Charakterkomiker zu einem der gefragtesten Darsteller der ersten Tonfilmjahre. Seine Hauptrolle im Film „Der Hochtourist“ bescherte ihm zwei Jahre später einen festen Vertrag bei der Ufa.

Doch auch seine Erfolgsgeschichte endete 1933 drastisch. Nach einer programmatischen Rede von Goebbels vor Filmschaffenden im Kaiserhof, orientierte sich der Ufa-Vorstand an den Zeichen der Zeit. Die Verträge mit jüdischen Schauspielern wurden aufgelöst, Otto Wallburg kämpfte und rang der Ufa einen gerichtlichen Vergleich ab. Er wurde jedoch auf Nebenrollen reduziert, fand Zuflucht bei Arthur Hellmer in Frankfurt, ging auf Tournee und folgte erst Mitte 1934, als seine „vorläufige Schauspielerlaubnis“  ausgelaufen war, seinen Kollegen nach Wien. Freunde erleichterten ihm den Neuanfang, er bekam einen Jahresvertrag für die „Scala“, einzelne Filmrollen mit anderen EmigrantInnen. Als sein 22-jähriger Sohn Reinhard 1935 aus dem KZ Lichtenberg entlassen wurde, wo er aufgrund seines Verhältnisses mit einer „arischen“ Frau 13 Monate in „Schutzhaft“ eingesperrt war, organisierte er Theateraufführungen, in denen die Familie Wallburg - Otto, seine dritte Frau Charlotte und sein ältester Sohn Reinhardt - gemeinsam auf der Bühne standen. Als das Geld nicht mehr zum Überleben reichte und der Antisemitismus in Wien immer aggressiver zutage trat, emigrierten die Wallburgs in die Niederlande, wo Wallburg 1937 in Willi Rosens „Theater der Prominenten“ auftrat. 1938 wurde er aus Deutschland ausgebürgert, es folgten magere Jahre des Hungers und der Krankheit. Nach dem Einmarsch der Deutschen, versteckte er sich nach anfänglichen Auftritten im Untergrund. Als er sich 1943 in eine niederländische Frau verliebte, wurde er denunziert und wegen des Vorwurfs der „Rassenschande“ nach Westerbork und von dort über Theresienstadt weiter nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Paul O´Montis & Willy Rosen

Auch Leben und Sterben des berühmten Chansoniers und Vortragskünstlers Paul O`Montis und des Komponisten und Kabarettisten Willy Rosen sind mit denen ihrer KollegInnen eng verknüpft. Paul O´Montis wurde 1884 in Budapest geboren, wuchs in Hannover auf und ging 1924 nach Berlin, wo er von Friedrich Holländer in die Revue „Laterna Magica“ aufgenommen wurde. Schon bald wurde er bekannt, machte Schallplattenaufnahmen bei „Odeon“ und der „Deutschen Grammophon“ und war auf den Berliner Kabarettbühnen und beim Rundfunk gefragt und bejubelt. Mit „ Zum fünf Uhr Tee bei der Frau Kraus“ und „Frau Meyer tanzt Tango“ eroberte er die Herzen. Aber er bearbeitete auch ernste Themen, wie das Lied „Ghetto“, das vom Leben eines polnischen Ghettojuden erzählt:

Weit, weit in Polen,
Am Ufer des Dnjester,
Da bin ich zu Haus.
Da hat´ ich mein Weib
Und mein Techterle, die Esther,
Die machten meinen Himmel aus.

Weil man bei uns hat nicht Handeln gekennt,
Hab´ ich a bissele das Geigen gelernt.
Und gab es im Dorf eine Hochzeit,
Wurde gleich nach dem Fidler gerennt.

Ich bin nur ein polnisch Jiddln,
Mit meine Liedln,
Verdien´ ich mir mein Stückerl Brot.
Mein Reichtum ist meine Fidel, 
Mein ganzes Glück
War auf den Wangen meiner Esther bisserl Rot.
                                  

Weit, weit in Polen,
Am Ufer des Jester ist der Krieg entbrennt,
Bei Nacht und bei Nebel
Bin ich mit meiner Ester
Und mit mein Weib davon gerennt.
Wochen und Wochen über Steine und Feld,
Tage und Nächte in der einzigen Kält´.
Das konnten die zwei nicht ertragen,
Jetzt bin ich allein auf der Welt.

Ich bin nur ein polnisch Jiddl,
Mit meine Liedl,
Verdien` ich mir mein Stückerl Brot.
Mein Reichtum ist meine Fidel,
Mein ganzes Glück,
War auf den Wangen meiner Esther bisserl Rot.
                            

Auch er emigrierte 1933 nach Wien, von wo aus er sich in den folgenden Jahren mit Auftritten in Österreich, Holland und der Schweiz durchzuschlagen versuchte. Beim Einmarsch der Deutschen gelang es ihm nach Prag zu fliehen, nach der Besetzung der Tschecheslowakei durch die Deutschen wurde er jedoch verhaftet und in das Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert. Als sich offen bekennender Homosexueller und Jude war er dort in besonderem Ausmaß Schikanen und Demütigungen ausgesetzt. Im Juli 1940 erhängte er sich.  

Willy Rosen, zu dessen Markenzeichen seine knappe Ankündigung „Text und Musik von mir“ werden sollte, mit der er seine eigenen Werke stets feierlich einleitete, war in fast allen Kabaretts im Berlin der 20er Jahre anzutreffen, vom „Schwarzen Kater“ bis zum „Kabarett der Komiker“. 1984 in Magdeburg mit dem bürgerlichen Namen Willy Rosenbaum zur Welt gekommen, lernte er schon früh Klavier spielen und verdiente sich sein Leben als Unterhaltungspianist. Seine ersten öffentlichen Auftritte hatte er als Leiter eines Fronttheaters im 1. Weltkrieg. Erst in der Inflationszeit nach dem Krieg gelang ihm der Durchbruch als geistreich parodierender und singender Künstler. „Miese Zeiten“ ist eines seiner bekannten sozialkritischen Lieder aus dieser Zeit, das unvermindert aktuell geblieben ist. Er schrieb die Musik für zahlreiche Tonfilme und Kabarettstücke, trat im Rundfunk auf und galt mit Stücken wie „Was macht der Mann da auf der Veranda“ als  Inbegriff für heitere und unterhaltsame Musik. 1933, als auch er in Deutschland als „nicht mehr erwünscht“ galt, wich Rosen zunächst in die Nachbarländer aus, trat in Österreich und der Schweiz, in Holland und der Tschechoslowakei auf, bis er 1936 nach Holland emigrierte. Dort gründete er zusammen mit anderen Emigranten “Das Theater der Prominenten“, in dem zahlreiche seiner früheren KollegInnen unterkommen sollten. Auch er wurde nach dem Einmarsch der Deutschen nach Westerbork gebracht, wo er der auf der „Bühne Lager Westerbork“ spielte. „Total verrückt“ hieß im Sommer 1944 das letzte Programm, bevor er und seine KollegInnen nach Theresienstadt und von dort weiter nach Auschwitz deportiert wurden. Willy Rosen wurde dort im Oktober 1944 in der Gaskammer ermordet.  


Richard Tauber & Armin Berg

Zwei Künstler, denen es gelang zu emigrieren, sind Richard Tauber und Armin Berg. „Wenn ich Richard Tauber wär“, heißt einer von Willy Rosens berühmten Chansons, der sich auf die regelrechte Tauber-Hysterie in den 20er und 30er Jahren bezieht:

Wenn ich Liebe fühl,
Bleibst Du immer kühl,
Das versetzt mich in Erstaunen.
Schenk ich Dir ein Kleid,
Ist es dir zu weit,
Immer hast du schlechte Launen.

Doch seit gestern Abend ist mir klar,
Als ich im Theater mit Dir war:

Wenn ich Richard Tauber wär´,
Hätt´ ich vielleicht
Schon mehr bei Dir erreicht.
Drum üb´ ich in tiefem Weh
Jetzt nun das hohe C,
Das ist nicht leicht.
„Mädchen, mein Mädchen, wie lieb ich Dich!“
- Will ich Dir singen
Und es wird mir auch gelingen.
Wenn ich Richard Tauber wär,
doch leider bin ich nur ein Amateur.

Spielt man Odeon
Abends im Salon,
Immer hör ich Richard Tauber.
Über Deinem Bett,
Selbst am Blumenbrett,
Hängt ein Bild von Richard Tauber. 

Tauber Puder, Tauber Lippenstift
Nicht ein Gegenstand, der mich betrifft.

Wenn ich Richard Tauber wär´

Täglich zwei bis vier
Üb´ ich am Klavier.
Was man da für Zeit vertrödelt.
Abends bin ich müd´,
Doch ich hab mein Lied,
Heute Nacht Dir vorgeknödelt.
Und zum Dank dafür, dass ich so schwitz,
sagst Du „Bravo Richard“ – anstatt Fritz.

Wenn ich Richard Tauber wär´,
Hätt´ ich vielleicht
Schon mehr bei Dir erreicht.
Drum üb´ ich in tiefem Weh
Jetzt nun das hohe C
Das ist nicht leicht.
„Mädchen, mein Mädchen,wie lieb ich Dich!“
- Will ich Dir singen,
Tauber wird vor Wut zerspringen.
Du kriegst auch ein Autogramm
Von mir als Bräutigam.
Was willst Du mehr...?
                               

Richard Tauber flogen als einem der größten Tenöre seiner Zeit die Herzen der Frauen zu. Geboren wurde er 1891 in Linz als Sohn einer Sängerin und eines Schauspielers. Bereits mit 16 Jahren begann er seine Opern- und Operettenausbildung am Konservatorium in Frankfurt am Main, die er später in Freiburg fortsetzte. Seine ersten Erfolge erlangte er mit Liedern von Mozart und Schubert, denen eine glanzvolle Karriere folgte. Sein Durchbruch gelang ihm mit Opern, später wurde er mit Operetten Lehars berühmt. Mit dem Aufkommen des Tonfilmes trat Tauber auch in diesem Metier auf, zu seinen berühmten Filmen gehören „Land des Lächelns“ und „Melodie der Liebe“. 1933 musste auch er emigrieren und ging nach England, wo er seine Karriere fortsetzen konnte. Auch nach dem Krieg blieb er dort und war an den Bühnen der Welt gefeiert. Er starb 1938 in London.

Auch der Kabarettist und Komiker Armin Berg, 1883 in Brünn (Mähren) geboren, der in Wien seit seinem 17. Lebensjahr an diversen Kabaretts und Theatern zu den Publikumslieblingen gehörte, konnte fliehen. Er emigrierte 1938 nach USA, wo er vom Verkauf von Papierwaren und gelegentlichen Auftritten notdürftig lebte und kehrte 1949 in die Wiener Kabarettwelt zurück… - einer von wenigen, dem dies noch möglich war.
Von ihm stammt eine Hymne an Wien mit den Titel: „Was braucht denn der Wiener um glücklich zu sein?“

Was braucht denn der Wiener um glücklich zu sein?
Nur Ruhe, denn Ruhe ist schön.
Drum steht er schon auf  so um dreiviertel nein
Und isst dann sein Friehstück um zehn.
Dann geht er Spazieren zwei Stunden vorm Schmauss
Und dann geht er essen und dann ruht er sich aus
Und sitzt im Kaffeehaus von drei Uhr bis nein,
Denn das braucht der Wiener um glücklich zu sein.

Was braucht denn der Wiener um glücklich zu sein?
Die Oper, die liegt jedermann.
Doch weil sie zu teuer ist, geht er nicht rein
Und schafft sich ein Radio an.
Er liegt mit ´m Hörer im Bett ungestört
Wo er ganz beigeistert den Parzifal hört
Und schlaft sich dabei noch gut aus obendrein,
Denn das braucht der Wiener um glücklich zu sein.

Was braucht denn der Wiener um glücklich zu sein?
Er schimpft gern das ist kein Malheur.
Er schimpft auf die Steuern und schimpft auf´n Wein
und ieber die Juden noch mehr.
Dabei hat der Wiener die Juden sehr gern,
Auf was mächt er schimpfen, wenn die Juden nicht wär´n?
Und schimpfen, das muss er, um sich zu zerstreun,
Denn das braucht der Wiener um glücklich zu sein.

Robert Kreis hat ein Programm geschaffen, das sich gegen das Vergessen richtet. „Nicht um anzuklagen, sondern um zu erinnern“, merkte er am Ende der Vorstellung an, als von Klaviermusik begleitet die Namen derjenigen jüdischen UnterhaltungskünsterInnen aufgezählt wurden, die ermordet wurden: Max Ehrlich - 1944 – Auschwitz, Kurt Gerron – 1944 – Auschwitz,  Dora Gerson - 1943 – Auschwitz, Paul Morgan – 1938 - Buchenwald, Paul O'Montis - 1940 – Sachsenhausen, Willi Rosen – 1944 – Auschwitz, Otto Wallburg – 1944 – Auschwitz, James Wolf - 1943 - Terezin ….


(*) Alle Seitenangaben aus dem Buch:
Liebe, Ulrich: Verehrt, verfolgt, vergessen: Schauspieler als Naziopfer, Weinheim/Berlin,  1992

Weitere Liedtexte von den CDs:
- Populäre jüdische Künstler: Musik und Entertainment 1903 -1933, Berlin, Hamburg, München 
- Populäre jüdische Künstler: Musik und Entertainment 1903 – 1936, Wien

Weitere Informationen zu Robert Kreis und seinem Programm siehe:
http://www.robert-kreis.de/

Populäre jüdische Künstler:
Lebensgeschichten
Die deutschsprachige Unterhaltungskultur, so wie wir sie kennen und lieben, ist ohne das Wirken jüdischer Künstler undenkbar. Jüdisches Kulturschaffen ist nicht nur ein Bestandteil der hiesigen Kultur, sondern es ist hiesige Kultur...

Populäre Jüdische Künstler:
Musik & Entertainment 1903-1933
Die wahre Domäne jüdischer Unterhaltungskünstler war nicht das Ballhaus, sondern die große Theaterbühne: Operette, Varieté und Revue als populäre Formate, in denen sich Talente zu Stars emporverdienten, ergänzt oft durch Film-, Radio- und Grammofonruhm...

Musik & Entertainment:
1903-1936 Wien
Populäre Jüdische Künstler...

gs / tacheles-reden.de / 2004-07-30