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INW: Der Traum
Ihres ermordeten Mannes scheint jetzt in greifbare Nähe gerückt. Noch in
diesem Jahr soll der Friedensprozeß in eine entscheidende Phase
gelangen. Wie sehen Sie das?
RABIN:
Israel ist mit seinen 5 Millionen Einwohnern und seiner militärischen
Stärke heute soweit auf Gebiete verzichten zu können - um dafür in
Frieden zu leben. Dies ist eine sehr wichtige Zeit für den
Friedensprozeß. Wenn es uns nicht gelingt in naher Zukunft ihn
voranzutreiben, wird es, fürchte ich, noch sehr lange dauern. Diese
letzten Monate der Regierungszeit von Präsident Clinton bieten eine sehr
gute Chance die Gespräche wieder aufzunehmen und Fortschritte zu
erzielen. Außerdem ist Assad sehr krank und ohne ein Abkommen mit Syrien
gibt es keinen Frieden in dieser Region.
INW: Wie sehen
Sie die Situation im Libanon?
RABIN:
Solange es keinen Frieden mit Syrien gibt, kann das Problem Libanon nie
gelöst werden. Es wird weiter Terror geben, auch nach dem Abzug der
israelischen Truppen ist es anzunehmen, dass sich die Terroranschläge
der Hisbollah verstärken und die Grenze sehr unsicher wird. Solange die
Hisbollah durch ein Abkommen mit Syrien nicht gezwungen wird, werden die
Terroristen ihre Schwerter nicht abgeben und weiter kämpfen. Frieden ist
der einzige Weg, auch das Problem Libanon zu lösen.
INW: Wie wirkt
sich dieser Prozeß auf die israelische Gesellschaft bzw. auf die
politische Situation aus?
RABIN:
Meiner Meinung im großen und ganzen nach sehr positiv — gibt es keine
Alternative und man wird einsehen, dass dies die einzige Möglichkeit
ist. Der Golan mag zwar wichtig sein, aber Frieden ist wichtiger. Die
Menschen in den Siedlungen am Golan führen dort seit dreißig Jahren ein
sehr friedliches Dasein, ihre Geiseln hingegen sind die Menschen an der
Grenze zu Libanon, diese befinden sich seit Jahren unter Beschuß und
werden fortwährend bedroht, müssen in die Bunker fliehen und sind in
ihren Freiheiten sehr eingeschränkt. Die Menschen am Golan, die diesen
nicht verlassen wollen, müssen in Betracht ziehen, dass sie quasi
unbehelligt auf Kosten der bedrohten Israelis an der Grenze leben.
INW: Wie ist die
derzeitige innenpolitische Situation? Was ist Ihre Meinung über Schas
Führer Rabbi Ovaida, der unlängst den Erziehungsminister Jossi Sand
öffentlich verfluchte?
RABIN:
Innenpolitisch befinden wir uns in einer sehr schweren Position, die
Spannung zwischen Religiösen und Säkularen wächst und die Äußerung von
Ovadia tragen nicht zu einer Beruhigung bei. Im Gegenteil — dies ist
keine Ausdrucksweise eines Rabbiners, der eine moralische und
intellektuelle Instanz sein sollte. Er sollte über seinem Volke stehen.
Es ist unerträglich welch eine Sprache er benützt und einen politischen
Gegner verflucht. Wie auf des Straße. So spricht ein Rabbiner? Das ist
der Koalitionspartner mit 17 Mandaten in unserer Knesset?
Barak glaubt, dass sie seinen Friedensprozeß unterstützen sollen. Ich
glaube, dass auch das noch nicht gewährleistet ist. Für Geld lassen sie
sich zwar kaufen, sie besitzen keine Ideologie. Wenn man nicht bereit
ist ihnen die Schulen und die Partei zu finanzieren, weiß man nicht
woran man bei ihnen ist. Bisher haben sie kein einziges Mal mit Barak
gestimmt.
INW: Und wo soll
dann Barak die Mehrheit für den Frieden finden?
RABIN: Vor
der Unterzeichnung ist ja ein Referendum geplant. Es wird die Wahl geben
zwischen Krieg und Frieden und ich hoffe, dass die Menschen in Israel
verstehen werden, dass es keinen anderen Weg zum Frieden gibt. Wir haben
Frieden gemacht mit Ägypten, mit Jordanien und es ist ein Frieden. Wir
sind einen langen Weg gegangen mit den Palästinensern — Austausch von
Programmen, Erziehung, Wasser und Landwirtschaft usw. Auch sind sie
verbittert, weil sie noch keinen eigenen Staat haben. Es gibt aber
deutliche Fortschritte und es ist nicht wie es vor September 1993 war.
Wir sind noch mitten des Weges und wir werden auch ein Weg finden mit
Syrien zum Abschluß zu kommen. Auf alle Fälle geben wir die Hoffnung
nicht auf.
INW: Wie sehen
Sie die Beziehung Israels zur Diaspora? Nimmt man auf die Meinungen in
der Golah Rücksicht, findet hier ein Dialog statt?
RABIN: Es gibt keine
einseitigen Beziehungen, der Dialog findet immer statt. Wobei viel
Toleranz auf beiden Seiten gefragt ist. Israel muß begreifen, dass man
in der Diaspora anders denkt, andererseits kann man es aber nur sehr
schwer akzeptieren, wenn jüdische Menschen, die außerhalb Israel wohnen,
gegen den Frieden auftreten.
Wir in Israel wollen nicht nur kämpfen sondern auch ein friedliches
Leben führen — es steht uns genauso zu — wie den Juden außerhalb
Israels, die in den letzten Jahren fast überall in der Welt unbeschwert
leben durften. Israel ist vor allem da, jüdisches Leben zu verteidigen
und zu schützen. Wir haben auch fast eine Million aus der ehemaligen
UdSSR integriert. Wo immer es einen Angriff auf jüdischen Gemeinden
geben sollte, würden wir eingreifen. Wir sind da mit unserer Macht. Wir
sind aber auch stets bereit zu helfen, dort wo man unsere Hilfe in
Anspruch nimmt wie in Kosovo, in Bosnien, in Ruanda, beim Erdbeben in
der Türkei. Israel, das kleine Land, war sofort zur Stelle, als man es
benötigte. Die moralischen Werte, unsere Existenzberechtigung
legitimieren wir mit dieser Bereitschaft, in Not geratenen Menschen zu
helfen.
INW:
In ihren Ausführungen gingen sie
auch auf den Besuch des Papstes ein, der in Israel sehr positiv bewertet
wurde. Wie beurteilen Sie die derzeitige Lage in Österreich und die
Beziehungen zu Israel?
RABIN: Wenn
wir heute von Versöhnung — siehe auch die großartige Atmosphäre beim
Papstbesuch — und wir von einem anderen neuen Europa sprechen und auch
die Veränderungen im Nahen Osten in Betracht ziehen, dann ist Osterreich
leider im Moment ein Kreuz. Ich persönlich bin für den Boykott, der sich
jedoch nicht auf der Ebene der Bevölkerung wie Jugendaustausch oder der
Verwirklichung von Projekten beziehen sollte. Wenn heute ein Mann wie
Haider aufsteht, dann ist es viel weniger eine Drohung als in der
Vergangenheit, als es noch kein Israel gab. Haider tut es zwar im Moment
nicht, weil es ihm nicht opportun scheint, aber wir wissen, dass er ein
Antisemit und Fremdenhasser ist, sollte er seine Taktik ändern, so
wissen die Juden, dass ihnen Israel jederzeit offensteht.
Herzlichsten
Dank für das Gespräch.
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Illustrierte Neue Welt
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07-05-2000
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