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Judentum und Israel
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Israel und die Palästinenser

Rolf Tophoven

Aufstieg der PLO

Im Zuge der kriegerischen Auseinandersetzungen der Jahre 1947 und 1948 begann ein Massenexodus der Palästina-Araber in die umliegenden arabischen Staaten. Die meisten Flüchtlinge nahm Jordanien auf, wo man versuchte, zumindest einen Teil von ihnen zu integrieren. In den anderen arabischen Aufnahmeländern verblieben die Flüchtlinge in den Auffanglagern; Integrationsversuche gab es nicht. Die genaue Anzahl der 1947/48 Geflüchteten ist nicht bekannt. Die verschiedenen Quellenangaben schwanken zwischen 600.000 und einer Million.

Unter Arabern und Israelis gibt es kaum ein Thema, das so heiß umstritten ist wie die Diskussion über die Gründe der Flüchtlingsbewegung. Die arabische Seite behauptet, man habe sich vom "zionistischen Terror" bedroht gefühlt. So ermordeten zum Beispiel im April 1948 Mitglieder der rechtsmilitanten jüdischen Untergrundorganisation "Irgun" (Ezel) im Dorf Deir Yassin bei Jerusalem über 250 Araber. Israels Regierung "bedauerte" die Vorgänge und distanzierte sich offiziell von den Tätern. Andererseits weisen die Israelis auf die auch von arabischer Seite massiv gegen die Juden geführten Terrorakte hin. Ferner, so behaupten die Araber, seien sie von den Israelis systematisch aus Palästina vertrieben worden. Israel dagegen bestreitet entschieden jede Vertreibung und gibt den arabischen Anrainerstaaten die Schuld an der Massenflucht. Die arabische Propaganda habe die Palästinenser zur vorübergehenden Evakuierung der Kampfgebiete aufgefordert und auch eine baldige Rückkehr nach einem schnellen Sieg versprochen. Seit den Tagen der Staatsgründung und der damit verbundenen militärischen Konfrontation zwischen Arabern und Israelis ist das Flüchtlingsproblem im Nahen Osten akut und hat alle Bemühungen um eine Lösung des Konflikts schwer belastet. Darüber hinaus führt die Existenz der Palästinaflüchtlinge immer wieder zu der Frage nach den Möglichkeiten ihrer Integration in die arabischen Staaten. Diese taten jedoch wenig, die Not der Flüchtlinge zu lindern. Oft sah man sich auch aus wirtschaftlichen Gründen dazu nicht in der Lage. Gleichwohl hätten Möglichkeiten bestanden, mit finanzieller Unterstützung der reichen arabischen Erdölländer die Flüchtlinge zu integrieren. Dazu sagte im April 1957 der irakische Außenminister Fadel Gamali: "Der Irak allein ist fähig, alle arabischen Flüchtlinge zu absorbieren." Doch die Weigerung der arabischen Staaten, die Flüchtlinge einzugliedern, war und ist primär ein politischer Faktor. Mit der Zeit wurden die Flüchtlinge wie eine "politische Manövriermasse" behandelt, mehr oder weniger hilflose Figuren auf dem Schachbrett des arabischisraelischen Machtkampfes. Außerdem konnte kein arabischer Patriot es wagen, einer Neuansiedlung der Flüchtlinge zuzustimmen, weil dies einem Aufgeben des arabischen Anspruchs auf Palästina gleichzusetzen gewesen wäre. Das Elend in den Flüchtlingsquartieren sollte aller Welt ständig das an den Palästinensern begangene Unrecht vor Augen halten, zumal verschiedene UNResolutionen, besonders die vom 11. Dezember 1948, das Recht auf Rückkehr oder Wiedergutmachung bekräftigten. So heißt es dort: "Jenen arabischen Flüchtlingen aus Palästina, die heimzukehren wünschen und mit ihren Nachbarn in Frieden leben wollen, soll die Erlaubnis dazu gegeben werden, denjenigen, die nicht heimkehren wollen, soll eine Entschädigung für den erlittenen Vermögensverlust oder Vermögensschaden gewährt werden. "

Die Anliegen der Palästinenser gerieten nach 1948 bald in Vergessenheit. Ihr Schicksal wurde aus der Politik der arabischen Staaten oft verdrängt. Erst die 1964 in Kairo gegründete Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) machte sich zum Verfechter palästinensischer Interessen. Ihre Stunde kam nach dem SechsTageKrieg von 1967. Im SechsTageKrieg zwischen Israel und sei nen arabischen Nachbarstaaten (Ägypten, Syrien, Jordanien) besetzten israelische Truppen die SinaiHalbinsel, den Gazastreifen, das Westjordanland, OstJerusalem und die syrischen Golanhöhen. Durch die verheerende Niederlage der arabischen Armeen wurde die Mehrzahl der Palästinaflüchtlinge ihrer schon 20 Jahre andauernden Illusion beraubt, sie bräuchten in ihren Lagern nur abzuwarten, bis ihre arabischen Brüder Palästina zurückerobern würden. Statt der immer wieder versprochenen Lösung des Palästinaproblems brachte der Krieg neues Flüchtlingselend und Besetzung statt Befreiung. Der JuniKrieg 1967 zerstörte die Träume der Palästinenser von arabischer Einheit. Der frühere jordanische Außenminister Yamal Tukan, einer der führenden Palästinenser in Westjordanien, zog das Fazit: "Der JuniKrieg brachte für uns einen wesentlichen Impuls. Die palästinensische Persönlichkeit entstand nach dem Krieg." So bewirkte die Niederlage der arabischen Staaten eine tiefe Zäsur im politischen Bewußtsein der Palästinenser, was schließlich zu einer Emanzipation von den arabischen Staaten führte, da man sich von ihnen im Stich gelassen fühlte. Yassir Arafat, der Führer der PLO, erklärte: "Unsere Massen erlauben nur den Kommandos, die zu den Waffen gegriffen und ihr Leben riskiert haben, in ihrem Namen zu sprechen." Der Zusammenbruch der arabischen Staaten bewirkte die Schaffung einer bewaffneten Kerntruppe des palästinensischen Widerstandes, die ihr Anliegen unter anderen Vorzeichen vertreten sollte.

Zwischen Terror und Diplomatie

Während die arabische Welt noch vom Schock der Niederlage gelähmt war, unternahmen die palästinensischen Fedayin (die Opferbereiten) bereits kurz nach Kriegsende erste, wenn auch nur spärliche militärische Initiativen gegen Israel. Als bedeutendste unter den verschiedenen PLOGruppen trat die Fatah in Erscheinung. Der Name Fatah, zuerst 1959 aufgetaucht, setzt sich aus den rückwärts gelesenen Anfangsbuchstaben der arabischen Bezeichnung "Harakat al Tahrir al Falaschtin ", was "Bewegung zur Befreiung Palästinas" heißt, zusammen. Die Wurzelkonsonanten HTF ergeben also das Wort FTH, was "Eröffnung eines ungläubigen Landes für den Islam" bedeutet. Die Fatah ist die weitaus größte Gruppierung unter dem Dach der PLO und gilt als Hausmacht des PLOChefs Arafat. Das Ziel der Fatah war, als "Sachwalter der arabischen Ehre" das schwer angeschlagene Selbstbewußtsein der Araber wiederherzustellen und Israel zu bezwingen. Die Palästinenser wollten nach 1967 nicht länger nur ein Kalkül in der Rechnung Nassers und anderer arabischer Herrscher sein. Der Kampf der PLO gegen Israel war von Beginn an durch kompromißlose Ablehnung des jüdischen Staates gekennzeichnet, durch Terroraktionen innerhalb und außerhalb des Nahen Ostens, durch Konflikte mit den arabischen Gastländern sowie durch Bruderzwist in den eigenen Reihen. Grundlage für die Aktivitäten der PLO schuf die Palästinensische Nationalcharta (1968), auch Palästinensisches Manifest genannt. Dieses Manifest forderte für die PLO Palästina in den Grenzen des früheren britischen Mandatsgebietes und sprach dem jüdischen Staat jedes Existenzrecht ab. Mit den aktuellen Friedensgesprächen zwischen Israel und der PLO sind diese Passagen der Charta inzwischen de facto überholt. Unter der Dachorganisation der PLO formierten sich Dutzende von Gruppen und Gruppierungen. Der unmittelbar nach Israels Sieg im SechsTageKrieg von 1967 in den besetzten Gebieten als "Volksbefreiungskrieg" nach dem Muster einer klassischen Guerilla angelegte Kampf gegen Israels Armee brach bereits nach kurzer Zeit zusammen. Die Fedayin sahen sich gezwungen, in die Nachbarländer auszuweichen, um von dort aus ihre Aktivitäten nach Israel und in die besetzten Gebiete hineinzutragen. Durch ihr Auftreten, vor allem in Jordanien und im Libanon, wo sie sich zu einem Staat im Staate entwickelten, forderten die PLOVerbände ihre arabischen Gastgeber heraus. Im "Schwarzen September" 1970 ließ Jordaniens König Hussein die PLOKader blutig zerschlagen und vertreiben. Auch im Libanon kam es zu offenen Kämpfen zwischen PLOEinheiten und christlichen Milizen, die vom syrischen Militär unterstützt wurden, bevor die PLOKommandos 1982 von der israelischen Armee auch aus dem Libanon vertrieben wurden. In der wechselvollen Geschichte der PLO kam es bis 1974 zu keinerlei Einschwenken auf eine politische Schiene oder gar Verhandlungslinie. Nach wie vor lehnte die Organisation eine Anerkennung der UNOResolutionen 242 und 338 ab, in denen das Existenzrecht aller Staaten, auch Israels, in der Nahostregion festgeschrieben wurde. Dennoch verbuchte die PLO 1974 einen spektakulären Erfolg. Am 13. November 1974 sprach PLOChef Yassir Arafat vor der UNOVollversammlung in New York. Der Auftritt vor dem Weltforum sollte der Weltöffentlichkeit signalisieren, daß die Palästinenser fortan auf zwei Ebenen kämpften: In der einen Hand den Ölzweig, in der anderen die Pistole des Freiheitskämpfers, wie es Arafat in New York formulierte. Beobachter der Nahostszene glauben, seit 1974 ein Einlenken der PLO zu einer realistischeren Politik, was das Existenzrecht Israels betraf, hin zu erkennen. Der palästinensische Nationalrat faßte erstmals offiziell eine Art Teilstaatlösung für Palästina ins Auge. Dieses Einlenken und der Auftritt Arafats vor der UNO, machten die PLO auf dem internationalen diplomatischen Parkett salonfähig. Die UN gewährten der PLO einen Beobachterstatus. Infolge dieser Entwicklung erlaubten mehr als 100 Staaten der PLO die Einrichtung offizieller Vertretungen in ihren Hauptstädten. Zugleich führte das politische Taktieren Arafats aber auch zu scharfer Kritik durch radikale, von Syrien unterstützte Palästinensergruppen. Sie warfen dem PLOFührer vor, den Weg des bewaffneten Kampfes gegen den zionistischen Feind verlassen zu haben. Unter Führung der "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) von Georges Habbash bildeten die ArafatGegner in Damaskus die sogenannte "Ablehnungsfront ". Darüber hinaus gründete ein ehemaliger ArafatVertrauter mit dem Kriegsnamen Abu Nidal eine eigene circa 900 Mann starke Terrorgruppe, die seither weltweit über 100 Terroraktionen verübte und auch gemäßigte Palästinenser ermordete. Die Friedensinitiative des ägyptischen Präsidenten Anwar al Sadat stieß bei der PLO auf krasse Ablehnung, trotz des eindeutigen Engagements Sadats für das palästinensische Volk. Seit Mitte der achtziger Jahre waren auch aus palästinensischen Kreisen in den von Israel besetzten Gebieten gemäßigtere Töne im Hinblick auf eine Friedenslösung zu hören. Dies hatte unter anderem mit den Folgen der israelischen LibanonInvasion im Sommer 1982 zu tun. Nach dem von Israel erzwungenen Abzug aus Beirut konnte der PLOChef nach kurzer Zeit mit seinen Kommandos in den Libanon zurückkehren. Bald darauf brachen 1983 im nordlibanesischen Tripoli heftige Kämpfe zwischen Arafattreuen Einheiten und den von Syrien unterstützten Rebellen in den Reihen der PLO aus. Das syrische Regime wollte mit Hilfe der Opposition gegen Arafat seinen Einfluß auf die PLO weiter ausdehnen. Nachdem die radikalen, von Syrien unterstützten Kräfte Arafat und seine Anhänger in Tripoli eingeschlossen hatten, mußte der PLOChef erneut gedemütigt das Land verlassen. Die Opposition innerhalb der PLO schien ihren extremen Kurs gegenüber dem diplomatischen Taktierer Arafat durchgesetzt zu haben. Allen Erwartungen zum Trotz konnte Arafat in den folgenden Jahren seine Führungsrolle behaupten und den Kern der "alten" PLOOrganisation zusammenhalten. Dennoch kam Arafat im Dezember 1987 erneut unter Zugzwang.

Intifada

Am 8. Dezember 1987 kam es am EresCheckpoint, der Grenze zwischen Israel und dem Gazastreifen, zu einem Verkehrsunfall. Hier kontrollierte die israelische Armee den Zu und Ausgang in den Gazastreifen. An diesem Tag stieß ein israelischer Lastkraftwagen mit mehreren arabischen Autos aus dem Gazastreifen zusammen. Vier Arbeiter, die auf dem Weg nach Hause waren, wurden     17 getötet und sieben Personen schwer verletzt. Am Tag zuvor war in Gaza ein israelischer Geschäftsmann auf offener Straße erstochen worden. Viele Palästinenser sahen in dem Vorfall am EresCheckpoint einen Racheakt der Israelis. Die Opfer des Unfalls wurden zu Märtyrern, gefallen im Kampf um Palästina. Als tausende Palästinenser im JebalyaFlüchtlingslager – dem größten mit 60 000 Einwohnern – am selben Abend von den Begräbnissen zurückkehrten, griffen sie spontan einen israelischen Militärposten im Lager mit Steinen an. Am nächsten Tag breiteten sich schwere Unruhen in GazaStadt und bald auch im ganzen Gazastreifen aus. Von dort sprang der Funke des Aufruhrs auch auf das Westjordanland über. Die sogenannte "Intifada" (arab.: abschütteln; gemeint ist die israelische Besatzung) hatte begonnen. Anlaß war ein Verkehrsunfall, die wahren Ursachen für den Ausbruch der Gewalt lagen jedoch tiefer. Der Aufstand richtete sich gegen die damals schon zwanzig Jahre dauernde israelische Besatzung. Er sollte aber auch ein Signal für die arabischen Staaten und die PLO sein. Anfangs gewannen die Steine werfenden palästinensischen Jugendlichen, die gegen die schwer bewaffneten israelischen Truppen vorgingen, durch medienträchtige Aktionen und ein weltweites Interesse viele Sympathien. Israel stand vor der Weltöffentlichkeit am Pranger. Die Sympathien gehörten dem palästinensischen "David ", der den israelischen "Goliath" mit der Steinschleuder angriff. Ein hartes Vorgehen der Armee Israels schürte zusätzlich das Feuer der Kritik, nicht nur in der Weltpresse, sondern auch in Israel selber. Mit zunehmender Dauer der Intifada entwickelte sie eine Eigendynamik. Auch immer mehr Palästinenser wurden von Palästinensern getötet. "Kollaboration mit Israel" lautete das Urteil der palästinensischen Exekutionskommandos. Verantwortlich für diese Welle der Gewalt waren islamischfundamentalistische Organisationen, die sich, abseits von der PLO, in den langen Jahren der israelischen Besatzung des Gazastreifens gebildet hatten. "Islamischer Heiliger Krieg" und "Hamas" Im Schatten der Moscheen von Gaza, von der Besatzungsmacht weitgehend unbehelligt, formierten sich Gruppen wie der "Islamische Heilige Krieg" und die "Hamas "Bewegung (Islamischer Widerstand). Die israelischen Behörden hatten in diesen Gruppen ein Gegengewicht zur PLO gesehen und daher zunächst nicht auf die viel fanatischeren islamischen Extremisten reagiert. Bei Ausbruch der Intifada standen nun der Islamische Heilige Krieg und Hamas an der Spitze der Aufständischen und bestimmten anfangs die Entwicklung, obwohl Gruppen der FatahFalken auch bald zu großem Einfluß kamen. Die PLOFührung Yassir Arafats sprang aber erst relativ spät auf den bereits "rollenden Zug" der Intifada. Zwar gelang es der PLO dann doch, die Kontrolle über die Aktionen des Aufstandes zu erringen. Dies galt vor allem für das Westjordanland. Im Gazastreifen dagegen beherrschen nach wie vor die radikalen Kräfte der Hamas die Szene. Ihnen gehören dort auch die weitaus größten Sympathien der Bevölkerung, was vor allem mit der sozialen und wirtschaftlich desolaten Situation im Gazastreifen zusammenhängt. Die HamasOrganisation wußte dies geschickt auszunutzen. Ihre Kommandos bauten soziale Zentren auf, in denen die Jugendlichen schulische Ausbildung und ökonomische Hilfe erfuhren. Zugleich wurden sie in ihrem Haß auf Israel bestärkt und von den Geistlichen im Sinne eines "Heiligen Krieges" indoktriniert. Da zudem die Hamas über üppige finanzielle Quellen verfügt, konnte sie ihren Anhängern ein breites soziales Netz knüpfen, gegen das die Chancen der PLO eindeutig abfielen. Im Westjordanland sind dagegen die Anhänger der PLO noch in der Mehrzahl. Die Intifada aber brachte nicht den erhofften politischen Durchbruch. Israelis und Palästinenser verfingen sich immer mehr in dem Dickicht von Gewalt und Gegengewalt. Die zunehmende Sympathie für die radikalen islamischen Kräfte in Gaza und im Westjordanland zwangen mit der Zeit die etablierte PLOFührung um Arafat, nun ihrerseits die Initiative zu ergreifen und das politische Feld nicht den Islamisten allein zu überlassen.

Anerkennung der UNOResolutionen

Erste Signale für eine friedliche Entschärfung des israelischpalästinensischen Konflikts brachte das Jahr 1988. Erstmals hatten die USA und die PLO wieder offizielle Gespräche miteinander aufgenommen. Am 16. Dezember 1988 erkannte die PLO die UNOResolutionen Nr. 242 und 338 offiziell an. Einen Tag zuvor hatte Arafat in Tunis bereits den Staat Palästina proklamiert. Aber wichtiger als dieses Ereignis war für die westliche Diplomatie, vor allem für Israels Schutz macht USA, die Anerkennung der UNOBeschlüsse. Sie war die unabdingbare Voraussetzung für einen Dialog mit der PLO, denn die Resolutionen enthalten die Anerkennung des Existenzrechts Israels in gesicherten Grenzen. Außerdem erkannte PLOChef Yassir Arafat auf einer Pressekonferenz in Genf den Staat Israel verbal an und erklärte öffentlich, künftig auf die Anwendung des Terrors zu verzichten. Israel dagegen lehnte die Initiative Arafats ab und verwies deutlich auf die nach wie vor gegen Israel verübten Terroranschläge. Eine Mehrzahl der israelischen Bevölkerung stand damals dem Wandel der PLO skeptisch gegenüber. Zu tief saß das Mißtrauen gegenüber einem neu zu errichtenden – palästinensischen – Staat zwischen Jordanien und dem israelischen Kernland. Andererseits stellte auch die israelische Regierung der Friedenskampagne der PLO aus dem Jahre 1988 eine eigene Friedensinitiative gegenüber. Auf Druck der Arbeitspartei in der 1988 erneuerten großen Koalition offerierte im Frühjahr des Jahres 1989 der damalige Premierminister Jitzchak Schamir den Palästinensern in den besetzten Gebieten freie Wahlen und beschränkte Autonomie. Von einem unabhängigen Palästinenserstaat war bei dieser Friedensofferte Shamirs nicht die Rede. Erst recht war nicht die Rede von der PLO als Verhandlungspartnerin. Die Weigerung Israels, direkt mit der PLO als Interessenvertreter der Palästinenser zu verhandeln, war lange Zeit das größte Hindernis für israelischpalästinensische Gespräche. Das Mißtrauen gegenüber der PLO saß zu tief. Israelische Skepsis Dies wurde in Israel noch gesteigert, als sich viele Palästinenser, vor allem aber ihre Führung, während des Golfkrieges rückhaltlos auf die Seite des irakischen Aggressors Saddam Hussein stellten. Für viele Palästinenser war die Golfkrise mit der Emanzipation der     18 Araber und damit ihren eigenen Forderungen nach einem Staat Palästina verknüpft. Saddam Hussein seinerseits sah in den Palästinensern und ihrer Interessenvertretung, der PLO, nur ein Instrument für seine eigenen politischen Ziele. Er versuchte unter anderem, die palästinensische Bevölkerung in der arabischen Welt gegen ihre Gastländer aufzuwiegeln. Der Schwenk der PLO und ihres Führers Yassir Arafat ins Lager Saddam Husseins führte in Israel auch bei den gesprächsbereiten Friedensgruppen zu einem Vertrauensverlust der PLO. Der bis dahin ablehnende Kurs der Regierung in Jerusalem wurde erneut bestätigt. Aber nicht nur in Israel, auch in den meisten arabischen Ländern verlor die PLO während und nach Ende des Golfkrieges an Sympathien. Dies äußerte sich für die PLO schmerzlich in der zunächst eingestellten finanziellen Unterstützung aus den reichen arabischen Ölländern am Golf. Nach der Niederlage Saddam Husseins und der Befreiung Kuwaits glaubte die westliche Diplomatie, allen voran die USA, die Vorgänge am Golf würden auch die politische Topographie des gesamten Nahen und Mittleren Ostens verändern. Um nach Ende der Kampfhandlungen endlich Bewegung in die ungelöste PalästinenserProblematik zu bringen und den "Gordischen Knoten" zu durchschlagen, initiierten der amerikanische Außenminister James Baker und sein sowjetischer Amtskollege Alexander Bessmertnych eine eifrige Reisetätigkeit in der Region. Zwar blieb auch hierbei der spektakuläre diplomatische Durchbruch im Hinblick auf eine Lösung des israelischarabischpalästinensischen Konflikts zunächst aus. Dennoch gelang es den Großmächten und in erster Linie der "Pendeldiplomatie" Bakers, einstige Rivalen im Nahen Osten zu einer angesichts der sich in der Region auftürmenden Problemfelder schon "sensationell" zu nennenden internatio nalen Friedenskonferenz im Oktober 1991 in Madrid einzuladen. Damit hatte Ministerpräsident Schamir seinen langjährigen, hartnäckigen Widerstand gegen jede Form von auch nur indirekten Gesprächen mit den Palästinensern aufgegeben.

Friedensprozeß

Nach monatelangen Vermittlungsbemühungen von USAußenminister James Baker begann am 30. Oktober 1991 in Madrid die NahostFriedenskonferenz unter amerikanischer und sowjetischer Schirmherrschaft. Erstmals saßen Syrer, Jordanier, Libanesen und Palästinenser (im Rahmen einer jordanisch palästinensischen Delegation) gemeinsam mit Israelis an einem Tisch. Anfangs war der Friedensprozeß durch eine Konferenzpolitik der kleinen Schritte geprägt, greifbare Ergebnisse wurden nicht erzielt. Stattdessen biß man sich in Verfahrensfragen und protokollarischen Details fest. Trotzdem bewegten sich die Parteien aufeinander zu. Auch gegenüber der PLO, die nach den Forderungen Israels vor Konferenzbeginn nicht mit am Verhandlungstisch sitzen durfte, hatte sich Israels Politik zumindest entkrampft. So wurde in Jerusalem das Gesetz aufgehoben, das Kontakte von Israelis zur PLO unter Strafe stellte. Insgeheim gab es schon zahlreiche Kontakte von KnessetAbgeordneten mit Arafat und anderen PLOVertretern. Auch die Terroranschläge islamischfundamentalistischer Gruppen wie "Islamischer Heiliger Krieg" und "Hamas" in den von Israel besetzten Gebieten und im israelischen Kernland selbst konnten die Gesprächsbereitschaft zwischen Israel, seinen arabischen Nachbarn und den Palästinensern nicht unterbinden. Die israelische Delegation bei der Eröffnungssitzung in Madrid wurde vom damaligen Mi nisterpräsidenten Jitzchak Schamir geleitet, der für seine unnachgiebige Haltung bekannt war. Bei den Wahlen 1992 erlitten Schamir und seine LikudPartei eine Niederlage. Neuer Ministerpräsident wurde Jitzchak Rabin von der Arbeitspartei, der bereits während des Wahlkampfes Friedensverhandlungen als einzige Lösungsmöglichkeit des Nahostkonflikts bezeichnet und größere Flexibilität in den Gesprächen angekündigt hatte. So ordnete er unmittelbar nach Regierungsübernahme einen Baustop für neu zu errichtende Siedlungen in den besetzten Gebieten an. Nur bereits im Bau befindliche Projekte durften noch vollendet, bereits bestehende Siedlungen können erweitert werden. Damit hatte Rabin eine der wichtigsten und empfindlichsten Fragen der israelischen Innenpolitik aufgegriffen, die seit 1967 immer wieder zu scharfen Polarisierungen geführt hatte. Dabei ging es nicht nur um die politische Zukunft der palästinensischen Bevölkerung in den besetzten Gebieten, sondern auch um die Sicherheit Israels und das Schicksal der 120 000 jüdischen Siedler in 144 Siedlungen. Ein erheblicher Teil von ihnen war auf der Basis von niedrigen Mieten und hohen Sozialleistungen in das Westjordanland und den Gazastreifen gezogen, um jeglichen territorialen Kompromiß oder eine eventuelle Rückgabe dieser Gebiete zu erschweren. Für viele Siedler ist das Gebiet am Jordan, das biblische Judäa und Samaria, Teil eines Großisrael, wie es in der Bibel verheißen wurde. Diese Position nehmen nicht nur die Anhänger militanter nationalistischer Organisationen, wie Kach und Kahane Chai ein, sondern auch viele Mitglieder der nationalreligiösen Partei und auch Anhänger des Likud, denen die meisten Siedler angehören. Während die Vertreter der LikudRegierungen die ideologischen Gründe mit sicherheitspolitischen Aspekten verbanden und so einen unnachgiebigen Kurs hinsichtlich der israelischen Oberhoheit über die besetzten Gebiete verfochten, nimmt die Arbeitspartei eine differenzierte Haltung ein. Sie ist zwar für die Räumung der Gebiete und für die Selbstverwaltung der Palästinenser, betont aber zugleich die strikte Wahrung der Sicherheitsinteressen Israels. Weder zahlreiche Raketenangriffe der proiranischen Terrorgruppe Hisbollah vom Süden des Libanon auf israelische Städte und Dörfer noch massive Vergeltungsschläge der Israelis auf HisbollahStellungen behinderten die Friedensgespräche nachhaltig. Dies war um so bemerkenswerter, als die israelische Armee tagelang Städte und Dörfer im Süden des Libanon angriff, was einen Flüchtlingsstrom von zahlreichen Menschen nach Beirut auslöste. Ziel der israelischen Operation war es, die libanesische Zivilbevölkerung von den Kämpfern der Hisbollah zu trennen und Syrien, das die Rolle einer Schutzmacht der libanesischen Regierung beansprucht, zur Entwaffnung der Hisbollah Kommandos im Südlibanon zu zwingen; nur dank syrischer Hilfe kann sich die Hisbollah im Süden des Libanon frei entfalten. Da Syrien von Israel Nachgiebigkeit und die Rückgabe der Golanhöhen erwartet, hielt sich die syrische Armee bei den Angriffen der israelischen Streitkräfte zurück und willigte schließlich in die Kontrolle der "Partei Gottes" ein. Der Friedensprozeß stellte sich in seinen Abläufen und Zielvorstellungen bis zum spektakulären Grundsatzabkommen zwischen Israel und der PLO wie folgt dar: Eine vorläufige und beschränkte Selbstverwaltung der Palästinenser in Teilen des israelisch besetzten Westjordanlandes und im Gazastreifen für eine Übergangsperiode von fünf Jahren. Zu Beginn des dritten Jahres sollten Verhandlungen über den endgültigen Status der Gebiete beginnen. Neben der Lösung der Palästinenserfrage strebt Israel Friedensverträge mit seinen arabischen Nachbarstaaten Syrien, Libanon und Jordanien an. Als Verhandlungs und Einigungsprinzip galt und gilt: Land gegen Frieden. Danach soll Israel einen großen Teil der besetzten oder kontrollierten Gebiete räumen und dafür eine friedliche Existenz von seinen Nachbarn garantiert bekommen. Verhandlungsgrundlagen waren und sind die UNSicherheitsratsresolutionen 242 und 338 aus den Jahren 1967 und 1973, die von Israel den Rückzug aus den besetzten Gebieten fordern und gleichzeitig das Existenzrecht jeglichen Staates des Nahen Ostens "in Frieden innerhalb sicherer und anerkannter Grenzen" garantieren. Die USA und Rußland sind die Garanten des Friedens. In bisherigen Verhandlungen ging es zwischen Israel und den Palästinensern, Syrien, dem Libanon und Jordanien immer um eine Lösung des israelischpalästinensischen Konflikts und auch um Friedensgespräche zwischen Israel und seinen Nachbarn. Dabei behandeln seit Madrid fünf Arbeitsgruppen regionale Themen, wie Flüchtlingsfragen, Rüstungskontrolle, Wasserressourcen, Umweltschutz und die Möglichkeit wirtschaftlicher Zusammenarbeit. Hierbei beteiligen sich Syrien und der Libanon nicht, machen aber eine zukünftige Mitwirkung von Fortschritten bei den Verhandlungen abhängig.

Streit um Jerusalem

Eine der größten Hürden bei den Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern wird auch langfristig der Streit um die Stadt Jerusalem sein. Von den Juden wird das ungeteilte Jerusalem als "ewige Hauptstadt" Israels angesehen. Dies hat historische Gründe: Seit König David die Stadt vor etwa 3000 Jahren zur Hauptstadt seines Königreiches machte, gilt Jerusalem als historisches, geistiges, religiöses und nationales Zentrum des jüdischen Volkes. Die Altstadt Jerusalems besteht aus einem jüdischen, einem arabischen, einem armenischen und einem christlichen Viertel. Seit etwa 1875 stellen die Juden die Mehrheit der Einwohner. Neue Bauten außerhalb der Stadt mauern entstanden. Diese bildeten später den Kern des modernen Jerusalems. Beim Waffenstillstandsabkommen nach dem ersten israelisch arabischen Krieg wurde die Stadt 1949 zweigeteilt. Die Altstadt mit der heiligsten Stätte des Judentums, der sogenannten Klagemauer (westliche Stützmauer des Salomonischen Tempels), kam unter jordanische Verwaltung. 19 Jahre lang trennten Stacheldraht und Betonbarrieren Alt und NeuJerusalem voneinander. Den Juden war der Besuch der Klagemauer verwehrt. Mit der Eroberung der Altstadt von Jerusalem im SechsTageKrieg endete für die Juden dieser als schmerzlich empfundene Zustand. Seither ist Jerusalem wiedervereinigt und soll nach dem Willen fast aller Israelis nie mehr geteilt werden. Aber auch die Palästinenser beanspruchen die Stadt. OstJerusalem, wo heute etwa 160 000 Palästinenser fast ein Drittel der Bevölkerung Jerusalems leben, soll Hauptstadt und Regierungssitz des von ihnen im Westjordanland und im Gazastreifen angestrebten Staates "Palästina" werden. In der Altstadt Jerusalems liegen nämlich heilige Stätten der Moslems: der Felsendom (OmarMoschee) und die AlAksaMoschee, das nach Mekka und Medina dritthöchste Heiligtum des Islam. Die palästinensische Führung weiß, daß jeder Palästinenser, der auf Jerusalem als Hauptstadt verzichtete, nicht nur für den Islam zentrale Heiligtümer aufgeben, sondern auch sein Leben gefährden würde.

Chronologie der Entwicklung des modernen Israel

  • 1882 bis 1903
    Erste Einwanderungswelle (Alija) als Reaktion auf ihre Unterdrückung in Osteuropa kommen etwa 30 000 Juden nach Palästina.
  • 1896
    Theodor Herzl veröffentlicht "Der Judenstaat ".
  • 29. bis 31. August 1897
    Erster Zionistenkongreß in Basel, der die Schaffung einer gesicherten Heimstätte für das jüdische Volk in dem damals unter osmanischer Herrschaft stehenden Palästina fordert.
  • 2. November 1917
    Die Britische Regierung sichert den politischen Zionisten ihre Unterstützung bei der Schaffung einer "jüdischen Heimstätte" in Palästina zu (BalfourDeklaration).
  • 24. April 1920
    Konferenz der Alliierten in San Remo überträgt Großbritannien das Mandat für Palästina.
  • Dezember 1920
    Dritter Palästinensischer Nationalkongreß, der in Haifa stattfindet, verlangt für Palästina eine einheimische Regierung.
  • 1932 bis 1938
    Im Zuge der fünften Alija kommen als Reaktion auf Verfolgung in Europa mehr als 250 000 jüdische Einwanderer nach Palästina.
  • 1936 bis 1939
    Widerstand der Palästinenser gegen die britische Mandatspolitik und die zionisti sche Kolonisation erreicht einen Höhepunkt.
  • 29. November 1947
    UNVollversammlung beschließt mit der Resolution 181/II die Teilung Palästinas und die Gründung eines jüdischen und eines arabischpalästinensischen Staates sowie die Internationalisierung des Gebietes von Jerusalem.
  • 14. Mai 1948
    Proklamation des Staates Israel.
  • 14./15. Mai 1948
    Arabische Armeen beginnen mit einem Angriff auf Israel den ersten arabischisraelischen Krieg (Unabhängigkeitskrieg).
  • 11. Dezember 1948
    UNResolution mit Bekräftigung des Rechts auf Rückkehr oder Wiedergutmachung für Palästinenser.
  • 29. Oktober bis 5. November 1956
    SuezKrise.
  • 1958/59
    Palästinenser, darunter Yassir Arafat, gründen in Kuwait die Bewegung zur Befreiung Palästinas, Fatah.
  • 28. Mai bis 2. Juni 1964
    Tagung des Ersten Palästinensischen Nationalkongresses, Gründung der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO).
  • 5. bis 10. Juni 1967
    SechsTageKrieg.
  • 1970
    In Jordanien entbrennen zwischen Jordaniern und Palästinensern bürgerkriegsartige Auseinandersetzungen, die mit einer Niederlage der Palästinenser enden (Schwarzer September).
  • 6. bis 26. Oktober 1973
    JomKippurKrieg.
  • 13. November 1974
    Erstmals Rede Yassir Arafats vor UNOVollversammlung.
  • 5. bis 17. September 1978
    In Camp David zwischen Jimmy Carter, Anwar al Sadat und Menachem Begin getätigte Verhandlungen sehen unter anderem für die Palästinenser in den israelisch besetzten Gebieten eine Autonomie vor.
  • 26. März 1979
    Friedensvertrag zwischen Israel und Ägypten.
  • 6. Juni 1982
    Israelische Truppen dringen in den Libanon ein, um dort die Palästinenser zu bekämpfen.
  • 21. August bis 4. September 1982
    13 000 palästinensische Kämpfer ziehen, nachdem sie Wochen hindurch dort eingekesselt waren, aus Westbeirut ab.
  • 8. Dezember 1987
    In den israelisch besetzten Gebieten beginnen Palästinenser, vor allem Jugendliche, eine Rebellion gegen das Besatzungsregime (Intifada).
  • 15. Dezember 1988
    Die PLO proklamiert auf dem XIX. Nationalkongreß den Staat Palästina bei Anerkennung der Existenz Israels.
  • 30. Oktober 1991
    In Madrid beginnt unter der Schirmherrschaft der USA und der Sowjetunion eine Nahostkonferenz, an der alle am Konflikt beteiligten Parteien teilnehmen (14 palästinensische Vertreter als Teil der jordanischen Delegation).
  • 13. September 1993
    Vertreter der PLO und Israels unterzeichnen in Washington eine gemeinsame Prinzipienerklärung, die unter anderem für die Palästinenser im Gazastreifen und im JerichoGebiet für eine Übergangsperiode, eine Selbstverwaltung vorsieht.
  • 4. Mai 1994
    GazaJerichoAbkommen.
  • 14. Oktober 1994
    Yassir Arafat, Schimon Peres und Jitzchak Rabin erhalten in Oslo den Friedensnobelpreis.

Leben Jugendlicher im Kibbuz

1993 lebten 129 000 Menschen (2,7 Prozent der Gesamtbevölkerung) in den 272 Kibbuzim, in den einzelnen zwischen 40–1000 Personen. In den meisten Kibbuzim gibt es 300–400 Mitglieder, mit Kindern, alten Angehörigen usw. insgesamt 500–600 Bewohner. 151 dieser Kibbuzim wurden bereits vor der Gründung des Staates Israel geschaffen, hauptsächlich von zionistischen Jugendbewegungen in der Diaspora. […] Zwischen der Kibbuzideologie –  "zurück zur körperlichen Arbeit" – und der heutigen Situation der Kibbuzim hat sich im Laufe der Jahre eine spürbare Verschiebung ergeben. […] Von 1969 bis 1973 nahm die Ertragsfähigkeit um sieben Prozent pro Jahr zu, während die Industrieproduktion durchschnittlich um 17 Prozent wuchs. Die Kibbuzim produzieren 32 Prozent der landwirtschaftlichen und 16,5 Prozent der industriellen Gesamtproduktion (Diamanten ausgenommen). Diese Zahlen spiegeln eine Tendenz wider, die für den gesamten Zeitraum nach der Staatsgründung typisch ist.

Der neue Wohlstand verändert zwei Aspekte der KibbuzIdeologie: a) Der Wert der Arbeit wurde am wirtschaftlichen Erfolg und seiner begrüßenswerten Auswirkung auf den Lebensstandard in den Kibbuzim gemessen; b) das neue technologische Zeitalter führte dazu, daß sich die Ausbildung zunehmend außerhalb der Kibbuzim vollzog. Auch die Rolle der Familie hat sich in den Jahren nach der Staatsgründung gewandelt. Die Familiengemeinschaft wurde bewußter in den Vordergrund gestellt. Sie konzentrierte sich auch mehr auf die Kinder. […] Früher lag die Erziehung der Kinder fast ausschließlich in den Händen einer ausgebildeten Erzieherin, der Metapelet. Sie begann an dem Tag, an dem die Mutter nach der Entbindung in ihr Heim zurückkehrte. Während des ersten halben Jahres beschränkten sich die Kontakte zwischen Mutter und Kind ausschließlich auf die Stillzeiten. Der Kontakt zwischen dem Vater und seinem Kind war ebenfalls auf diesen Zeitraum begrenzt. […] Zugleich mit dem Anstieg der Wertschätzung der Familie vollzog sich in vielen Kibbuzim in den Beziehungen zwischen Eltern und Kindern sowie den Eltern und der Metapelet ein durchgreifender Wandel. Diese radikalen Veränderungen gipfelten seit den sechziger Jahren darin, daß zahlreiche Kibbuzim dafür stimmten, die Kinder bei den Eltern anstatt im Kinderhaus übernachten zu lassen. Die Enkelinnen der Frauen, die vor 75 Jahren als Ausdruck der Gleichberechtigung von Hausarbeit befreit sein wollten, beanspruchen nun mehr Einfluß in der Kindererziehung und mehr freie Zeit für ihre Familie. Ob sie nun bei ihren Eltern oder in Altersgruppen in Kinderhäusern schlafen, die Kinder wachsen im Kibbuz miteinander auf und verbringen die meiste Zeit mit ihren Altersgenossen. Von klein auf werden sie an gemeinsame Arbeit gewöhnt. Jeder hat seinen Fähigkeiten entsprechend seinen Beitrag zu leisten und Verantwortung zu übernehmen. Ältere Kinder übernehmen schon Aufgaben im Kibbuz und arbeiten als Oberschüler an einem Wochentag in der Landwirtschaft oder einem anderen Wirtschaftszweig mit. Die Grundschule befindet sich in der Regel im Kibbuz, die Oberschule wird meist regional von mehreren Kibbuzim gemeinsam betrieben. Ihre soziale und ideologische Erziehung erhält die KibbuzJugend im Jugendverband des Kibbuz oder in den nationalen Jugendbewegungen, denen die Kibbuzim angeschlossen sind. Aus diesen kamen Einflüsse, die zu einem tiefgreifenden Umbruch in den Normen der Kibbuzim führten. Es wird jetzt öfter als früher offene Kritik an den Kibbuzim geäußert. In Anpassung an die Gesellschaft herrscht eine größere Liberalität in bezug auf Kleidung und Haartracht, musikalischen und künstlerischen Geschmack, sexuelles Verhalten, usw. Die Einstellung zur Arbeit hat sich ebenfalls geändert. Das frühere Einheitsmuster der KibbuzErziehung hat sich durch die verschiedensten Einflüsse von außen gewandelt: Die Einführung des Fernsehens in Israel, durch das die Jugendlichen andere Lebensgewohnheiten kennenlernten, die weiterführenden Schulen auf regionaler Ebene, der Kontakt mit den Jugendbewegungen in den Städten, der Zustrom von ausländischen Freiwilligen für einen Sommer oder ein ganzes Jahr, der Einfluß der Familie – all diese Faktoren trugen zu einer größeren Differenzierung des Erziehungsmodells in den Kibbuzim bei. Im Gegensatz zu der älteren Generation, für die die Zugehörigkeit zu einem Kibbuz eine kontinuierliche Beziehung von Einzelpersonen zu der spezifischen Lebensweise im Kibbuz bedeutet, erwartet die jüngere Generation, daß Anwärter auf die Mitgliedschaft – und auch ihre Altersgenossen – besondere Fähigkeiten aufzuweisen haben, um einen wesentlichen Beitrag zum Leben im Kibbuz leisten zu können. Einige junge Leute äußerten sogar den dringenden Wunsch, nach Beendigung des Militärdienstes den Kibbuz für ein Jahr zu verlassen und sich mit einer gänzlich anderen Lebensweise außerhalb der Kibbuzim vertraut zu machen, ehe sie die Mitgliedschaft im Kibbuz beantragen.

Jugend und Jugendarbeit in Israel, hrsg. von Hermann Sieben, im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Bonn 1995, S. 145–148.

Anteile verschiedener Sektoren am Bruttoinlandsprodukt

(Angaben für 1992, gerundet)

Land, Forstwirtschaft und Fischerei 3%
Industrie 20%
Bauwirtschaft, Elektrizitäts und Wasserwirtschaft 18%
Handel, Gaststätten und Hotelgewerbe 10%
Verkehr und Fernmeldewesen 8%
Finanz und Geschäftsdienstleistungen 16%
Öffentliche Dienste 21%
Andere Dienstleistungen 3%

Zentralamt für Statistik, Jerusalem.


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