Die Türme von Asa
Wohnungsbau im Gaza-Streifen
Was haben Fifi Abdou, der gefeierte ägyptische
Bauchtänzer und Kamal Hamad der Geschäftsmann aus Gaza gemeinsam? Beide
besitzen Hochhäuser in Gaza-Stadt und sind damit Mitspieler im aufblühenden
Immobilienmarkt des Gaza-Streifens.
Nach dem Abschluß der Osloer Verträge im Jahr 1993 sind
die Gebäude mit zehn und mehr Stockwerken wie Pilze nach einem Regen aus dem
Boden geschoßen. Einige mehr befinden sich in Bau. Laut Dr. Ali Sha'at, dem
"Stellvertretenden Minister" der Planung könnte sich die Zahl bis Ende des
Jahres auf 200 erhöhen.
Das "Ministerium" für Planung und Internationale
Zusammenarbeit sowie andere palästinensische Behörden haben allerdings mit
diesem Bauboom wenig zu tun. "Um ihnen die Wahrheit zu sagen", sagt Sha'at,
"unsere Statistiken zeigen, daß von 1995 bis 1996 der private Sektor mehr
als 600 Millionen US-Dollar in die Bauindustrie investiert hat."
Das gängige Bild des armen, dicht besiedelten
Gaza-Streifens ist das Bild von ausgebreiteten Flüchtlingslagern und
Barackensiedlungen, Sanddünen- und Schmutz. Die Bevölkerung von ungefähr
einer Million, die in der Küstenebene von 45 Kilometern Länge und nicht
einmal sechs Kilometern Breite lebt, wohnt traditionellerweise ebenerdig.
Heute zeigt sich die Skyline von Gaza mit neuen Wohntürmen
verziert. Das Aushängeschild der Palästina-Entwicklungsgesellschaft, einer
Zusammenarbeit zwischen dem palästinänsischen Wohnungsministerium und der
italienischen "Societa Costruttori Internazionali di Roma" beschreibt eine
Vision von "Gaza 2000", die ohne Palmen leicht mit Manhatten verwechselt
werden könnte.
Für jene, die in Gaza investieren wollten, eröffnete die
Bauindustrie eine schnelle, vernünftige und sichere Möglichkeit. Nach Oslo
kamen tausende Palästinenser aus dem Ausland, die meisten als Angestellte
der palästinensischen Behörden, und fast alle brauchten Wohnungen.
Industrie und Landwirtschaft wurden aufgrund der
politischen Unsicherheit als weitaus riskanteres Feld für Investitionen
angesehen. Darüberhinaus bot der Bau von Wohnungen und Hochhäusern auch
einen anderen Vorteil: Er versorgte die Errichter mit dem Gefühl, einen
sichtbaren Beitrag zur Errichtung des Heimatlandes zu leisten und
gleichzeitig dabei noch Profit zu machen.
Die Errichtung von Türmen ist eine nationale
Angelegenheit, sagt Tufik Shahada, die Leute wollen bauen, um Israel und der
Welt zu zeigen, daß dies unser Heimatland ist. Das zur Zeit ehrgeizigste
Projekt ist das Al-Awal Center der Palästinensischen
Entwicklungsgesellschaft im Al-Nasr Viertel von Gaza. Laut Werbeprospekt
werden hier italienischer Stil und palästinensische Tradition
zusammengeführt. Es beginnt mit der ersten unterirdischen Parkgarage des
Gaza-Streifens für 200 Autos. Die zwei darüberliegenden Ebenen sind für
Geschäftsflächen reserviert. Auf dem Dach des Geschäftszentrums sollen vier
Wohntürme mit dreizehn Stockwerken und 200 Apartements errichtet werden. Die
beiden obersten Stockwerke werden als geräumige Penthouses geplant. Auf der
Plattform über dem Geschäftszentrum sind ein Kindergarten, eine Klinik und
andere Einrichtungen für die Bewohner der Türme geplant.
Giorgio Milan, der Kaufmännische Direktor der
Palästinensischen Entwicklungsgesellschaft, möchte allerdings nichts von der
Idee der Schaffung luxuriöser Wohnghettos wissen. "Wir definieren es nicht
als luxuriös, sondern wir führen einen neuen Baustil in Palästina ein.
Al-Awal Center wird nicht notwendigerweise für die Oberschicht gebaut." Die
Gesellschaft setzt ihr Hauptaugenmerk auf Sicherheit und Ausstattung vor
Luxus. Die Gebäude werden erdbebensicher sein und besonderes Augenmerk wird
auf Feuerfluchtrouten und Rauchmeldersysteme gelegt.
Das Al-Awal Center soll bis Ende 1998 fertiggestellt sein.
Der Verkauf der Wohnungen hat bereits im November 1996 begonnen. Laut Milan
sind bereits 20% verkauft. Die typischen Käufer kommen aus der Mittelklasse.
Eine drei Schlafzimmer-Wohnung kommt auf 72.000 US Dollar. Für jene, die das
Geld nicht aufbringen können besteht die Möglichkeit, die Hälfte anzuzahlen
und den Rest über einen Kredit der "Arab Bank" aufzubringen.
Der relativ hohe Preis für die neu errichteten Wohnungen
hat wenig dazu beigetragen, die real existierenden Wohnungsprobleme in Gaza
zu lösen. Die palästinensischen Behörden schätzen den Bedarf für neue
Wohnungen in den nächsten Jahren auf 100.000. Die Herausforderung steckt in
der Notwendigkeit, auch für die Mehrheit der Bevölkerung mit einem geringen
Einkommen erschwinglichen Wohnraum zu schaffen. Ein Mammut-Projekt für die
palästinensischen Behörden, das sich noch im Planungsstadium befindet.
Trotz der optimistischen Berichte der
Errichtungsgesellschaften scheint der erste Bauboom vorbei zu sein. Das
"Ministerium" verweist auf einen Rückgang bei der Errichtung von
Wohnhochhäusern. Wegen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten, ausgelöst durch
die wiederholte Schliessung des Gaza-Streifens durch die Israelis und einer
abwartenden Haltung der Bewohner Gazas, die auf die billigen Wohnbauprojekte
warten, haben es schwieriger gemacht, Wohnungen in den privat finanzierten
Hochhäusern zu verkaufen.
Aus "Jerusalem Report"
(Übersetzung: Gerhard Milchram)
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