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Judentum und Israel
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Und das Meer teilte sich
Der Kommandant der Exodus...

Auszug:
Kaniuk über Harel

I. Kapitel / Prolog von Yoram Kaniuk

Als in Europa die Judenverfolgungen begannen, war Yossi Harel Zeuge der blutigen Unruhen der dreißiger Jahre in Jerusalem und Galiläa. Zu dem Zeitpunkt ging es in Palästina darum, die politischen Voraussetzungen für einen jüdischen Staat zu schaffen.

Yossi, der Kommandant der Exodus und dreier weiterer Schiffe, wurde 1919 in Jerusalem geboren. Die ersten Mitglieder der Familie Hamburger - so der Familienname, bevor Yossi sich umbenannte - waren im neunzehnten Jahrhundert nach Eretz Israel eingewandert. Bereits Yossis Vater, Moshe Hamburger, kam in der Altstadt von Jerusalem zur Welt. Wegen der Zurückgezogenheit seiner Frau, die an einer für ihn rätselhaften Krankheit litt, musste der Vater die Familie allein versorgen. Gleichzeitig kümmerte er sich hingebungsvoll um seine Frau, die sich von der Außenwelt abgekapselt hatte. Sein kleiner Krämerladen in Sichron Ya'akov verwandelte sich gegen Abend in einen Schachklub; dort ging er seiner großen Leidenschaft nach. Die landwirtschaftlichen Erzeugnisse - Gemüse, Obst und Oliven -, die er in seinem Laden verkaufte, wurden von den Fellachen aus Kalandiya und den Juden aus der Region um Moza geliefert, eingelegt in Büchsen und Fässern, die aus den umliegenden Dörfern oder aber mit Karawanen aus Damaskus und Bagdad kamen.

Yossis Mutter, Batya Hamburger, geborene Reichmann, stammte genau wie ihr Mann in fünfter Generation aus einer alteingesessenen Jerusalemer Familie. Sie war eine schöne, vornehme und zerbrechliche Frau. Für die Krankheit, an der sie litt, gab es damals noch keine Erklärung. Offenbar war ihre Haut zu dünn, um sie vor dem Leben schützen zu können. Sie wusste nicht, wo sie selbst aufhörte und wo die Welt um sie herum begann. Sie war verwirrt, von sich selbst und ihrer Umgebung abgeschnitten. Weil ihr klare Grenzen fehlten, beschämte sie ihren Sohn, ohne es zu wollen, stellte ihn vor seinen Freunden bloß, obwohl sie nicht einmal genau wusste, wer er war. Er liebte sie, wie jeder Sohn seine Mutter liebt, kannte sie aber nicht wirklich. Ihr Leid schmerzte ihn, ihre Fremdartigkeit verletzte und enttäuschte ihn, und dennoch sollte er es sein, der sie zweimal vor dem Selbstmord rettete. Dass sie sich von ihm, ihrem eigenen Sohn, abkapselte, führte bei Yossi zu einer unterdrückten Wut und ließ ihn vor jeglicher Offenheit zurückschrecken, nötigte ihn, die eigenen Gefühle wann immer möglich zu verbergen und zu verheimlichen - und ein Leben lang ein Gefühl der Schmach empfinden. Die Krankheit an sich war ihm peinlich, weckte Argwohn und ein Gefühl der Bedrohung. Er fürchtete sich vor sich selbst; fühlte sich als Fremder in seinem Elternhaus, weil er anders war als seine Altersgenossen, nach deren Nähe er sich so sehr sehnte. Und so gewöhnte er sich daran, sich gleichzeitig zugehörig und fremd zu fühlen. Er wollte die Schuld von sich weisen, die er angesichts ihres Leids empfand, wollte nicht ihr Sohn und zugleich Belastungszeuge - oder Entlastungszeuge - ihrer Andersartigkeit sein. Er konnte nicht zu ihr vordringen, konnte ihr Terrain, das ihm stets verschlossen blieb, niemals betreten.

Unverständnis war wie ein Verrat - eine Konstellation, die ihm viel Kummer und Leid bescherte, zugleich wurde sie später zur Quelle jenes tief empfundenen Mitgefühls, aus dem heraus er die Not der »Waisenhäuser« verstand, die er auf den Schiffen nach Palästina transportierte. Als seine Mutter erkrankte, war er ein kleiner Junge, zornig und verletzt. Vielleicht liebte er sie ja, wie er in seinem Leben nie wieder lieben sollte. Als sie in die Tiefe springen wollte stellte er sich ihr in den Weg - im Alter von gerade mal acht Jahren. Da spürte er, dass sie ihn im Stich ließ, dass ihre Krankheit nicht nur sie selbst betraf, sondern auch gegen ihn gerichtet war. Dieser »Verrat«, der eine verbotene schmerzvolle Liebe in ihren vielfältigen Verästelungen barg brachte den Mann hervor, der später genauer zu beschreiben sein wird.

Von frühester Jugend an versuchte Yossi, Entscheidungen, Wissen und Gefühle zu einem Charakter zu vereinen der ihm eine Zugehörigkeit vermittelte, damit er der sein konnte, der er sein wollte. Instinktiv erkannte er, wie er sich gegen unerklärliches Leid zu verteidigen hatte, und beschloss daher, seine Mutter, die er so sehr liebte, als tot zu betrachten. Um zu überleben, um nicht auch noch den Vater zu verlieren, der ihm wie eine Mutter war, nahm der Sohn von seiner Mutter Abschied, als sie noch lebte.

Nachdem Yossi seine Ausbildung an der Techackamoni-Schule abgeschlossen hatte, begann er zu arbeiten und seine Familie zu unterstützen, was vor allem der Zustand seiner Mutter erforderlich machte. Er arbeitete in den »Kastell«-Steinbrüchen und verlegte unterirdische Telefonleitungen für die Jerusalemer Post. Früh schon meldete er sich gemeinsam mit seinen Freunden aus der Pfadfinderlegion zur Haganah und blieb in diesem Umfeld - in der einen oder anderen Form - bis zum Alter von vierzig Jahren tätig. Die Pfadfinderlegion aus Jerusalem schloss sich mit sozialistischen »Zirkeln« aus Tel Aviv zusammen, und so entstand im Kibbuz Ramat Rachel die Bewegung haMachanot haOlim, die zweite genuin-hebräische Jugendbewegung nach haNo'ar ha'Oved, die sich ausschließlich aus den bereits im Lande geborenen Jugendlichen rekrutierte...

 

Yoram Kaniuk:
Und das Meer teilte sich
Der Kommandant der Exodus

Kurzbeschreibung: Haifa, 18. Juli 1947. Der junge Yossi Harel steht am Steuer eines Schiffes, auf dem 4.515 Menschen auf engstem Raum zusammengedrängt sind. Es sind Juden, vor allem Frauen und Kinder, auf der Flucht ins "gelobte Land". In Haifa aber werden die Flüchtlinge von den Briten zurückgewiesen. Das Schiff wird auf eine schreckliche Irrfahrt entlang der Küsten Europas geschickt. In diesem Buch bricht der heute über 80jährige Yossi Harel sein Schweigen über die damaligen Ereignisse und erzählt die wahre Geschichte der "Exodus".


Über den Autor: Yoram Kaniuk, 1930 in Tel Aviv geboren, gilt als einer der bedeutendsten Schriftsteller Israels und erhielt für seine Prosa bereits etliche Auszeichnungen, u.a. den President's Prize, den Prix des Droits de l'Homme und den Brenner Prize, den höchsten Literaturpreis Israels. Bei List sind von ihm die Romane Das Glück im Exil (1996) und Das Bild des Mörders (1998) sowie die Gespräche mit Emile Habibi über Das zweifach verheißene Land (1997) erschienen. Zur Zeit lebt Yoram Kaniuk in Tel Aviv.

Rezensentin elfe_vurs (amazon.de) schreibt: Walter Benjamin hat einmal geschrieben: "Es ist niemals ein Dokument der Kultur, ohne zugleich ein solches der Barbarei zu sein. Und wie es selbst nicht frei ist von Barbarei, so ist es auch der Prozeß der Überlieferung nicht, in der es von dem einen an den anderen gefallen ist."
Dieses Buch scheint geschrieben worden zu sein, um Benjamin zu bestätigen.
Dieses Buch ist nicht 'bloß' ein weiteres Buch über die Exodus, es ist ein Buch über die Staatsgründung Israels und über die Mythen Israels. Es ist ein Buch, das keine Fragen beantwortet, sondern Fragen stellt. Zum Beispiel die unausgesprochene Frage, ob ein friedliches Nebeneinander, von Miteinander gar nicht zu reden, in der Region überhaupt möglich ist.
Mein vorherrschendes Gefühl beim Lesen dieses Buches war: "Kaniuk zeigt den Europäern und den Amerikanern, warum diese nie die Probleme Israels und der arabischen Staaten verstehen, geschweige denn lösen können."
Den Lesern, die dieses Buch zweifellos verdient, sei eine Warnung mit auf den Weg gegeben: das Buch ist in einer dem Thema entsprechenden brutalen Sprache geschrieben.

Der Staat Israel -- unterwegs:
Die "Exodus"
Die Affäre um das Flüchtlingsschiff »Exodus« macht das Problem der Jüdischen »displaced persons« in Europa und den Kampf der Juden um Palästina zu einem weltweit diskutierten Thema...

Die Unabhängigkeit des Staates Israel:
Der Weg zum 14.Mai 1948


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