Lang lebe der König!
(Oder: Eine Liebesgeschichte)
Stellen Sie sich dieses Szenario
vor: Yassir Arafat kehrt nach
einer medizinischen Behandlung
nach Hause zurück. Als er sich
der Kueste naehert, erwarten ihn
Kampfflugzeuge der israelischen
Luftwaffe als Ehrengarde. Der
Kontrollturm in Lod schickt
Willkommensgruesse. Arafat
antwortet freundlich. Die Medien
berichten begeistert ueber
dieses Ereignis.
Etwas aehnliches wird
zweifelslos einmal passieren, in
fuenf, zehn oder zwanzig Jahren.
Heute scheint es noch wie eine
Fantasterei. Aber das ist ganz
genau, was passierte, als Koenig
Hussein vor einigen Tagen nach
Hause zurueckkehrte.
Der durchschnittliche
Israeli hasst Arafat, fuerchtet
Asad, verachtet Saddam, ist
gleichgültig gegenüber Mubarak,
entfernt von Hasan und ein
Fremder gegenüber Fahd. Aber er
ist absolut verliebt in den
haschemitischen Koenig Hussein.
Aber warum? Der Koenig
ist ein Diktator, wie jeder
andere arabische Fuehrer.
Jordanien ist ein Polizei-Staat.
Die normalerweise sanfte Hand
des Koenigs kann zu einer
eisernen Faust werden, wenn
seine Regentschaft bedroht wird
- so wie es auch der Fall war im
Schwarzen September, als er
palaestinensische
Fluechtlingslager in seinem Land
bombardierte. Waehrend des
6-Tage-Krieges bombardierte die
Artillerie des Koenigs
West-Jerusalem und er schloss
sich der Kriegsfront gegen
Israel an. Was an diesem Koenig
hat also unsere Herzen so sehr
eingenommen?
Es ist wahr, dass er
sich ueber die Jahre hinweg mit
vielen israelischen Fuehrern
getroffen hat. Sein Grossvater,
Emir Abdallah, traf sich mit
Golda Meir sogar noch vor dem
Krieg von 1948. Hussein
selbst tat etwas unglaubliches,
als er Golda den aegyptischen
Plan, Israel an Yom Kippur
anzugreifen, aufdeckte, ein
Plan, dessen gesamter Erfolg auf
dem Element der Ueberraschung
basierte. Aber diese
Liebe geht weit ueber politische
Interessen hinaus.
Letzte Woche listete
ein Journalist Husseins Vorzuege
aus israelischer Sicht auf: Er
hat westlichen Stil und kleidet
sich westlich, und er spricht
exzellentes Englisch.
(Tatsaechlich spricht er
besseres Englisch als jeder
israelische Politiker. Sogar
Premierminister Benyamin
Netanyahus Englisch ist platt
und oberflaechlich verglichen
mit dem linguistischen Reichtum
des Koenigs). Diese Liebe
schliesst aber auch
Charakterzuege ein: Das
personeliche Charisma, die
humanen Gesten (wie die Rede an
Rabins Beerdigung oder der
Kniefall vor den hinterbliebenen
Familien des Anschlags von
Naharayim). Die Liebe fuer
seinen auf den Stufen der
Al-Aksa ermordeten Grossvater
ging auf ihn und auch andere
Familienmitglieder über.
Eliahu Sasson, der
lange Zeit Mitglied des Jewish
Agency Political Departments
war, beschwerte sich einmal bei
mir ueber die Undankbarkeit der
Haschemiten. Zum Beispiel: 1941
wurden Koenig Faisal II.,
Husseins Cousin, und sein Onkel,
der Regent Abd-Illah, gezwungen
in den Irak zu fliehen. Als sie
in Palaestina ankamen, richtete
die Haganah für sie eine geheime
Sendestation am Carmel ein und
halfen ihnen auch auf weitere
Weise. Aber als die Briten
Faisal nach Bagdad
zurueckbrachten, trennte er alle
Verbindungen mit der
zionistischen Fuehrung (und nach
einer glaubhaften Quelle
stifteten seine britischen
Freunde das berüchtigte
anti-juedische Progrom in Bagdad
an).
Aber selbst
das hat die andauernde
Liebesaffaere der Israelis mit
den Haschemiten nicht
abgekuehlt.
Jede israelische Regierung hat
sich fuer den Fortbestand von
Husseins Regentschaft
eingesetzt. Als der aegyptische
Fuehrer Abd-el-Nasser Hussein
bedrohte, gab Israel eine
offizielle Erklaerung ab, dass
jede Veraenderung der Regierung
in Amman eine direkte
israelische Involvierung
nachsichziehen wuerde. Als die
syrische Armee im Spetember 1970
in Jordanien einmarschierte,
drohte Golda mit einer
israelischen Invasion in
Jordanien und zwang die Syrer
zum Rueckzug.
Ben-Gurion, Golda, Yigal Alon,
Abba Eban, Moshe Dayan - sie
alle glaubten an die
"jordanische Option" - und
Shimon Peres und Yitzhak Rabin
uebertrafen sie darin alle.
Nachdem ich die ersten
Kontakte mit der PLO-Fuehrung
errichten konnte, fuehrte ich
1975 eine Reihe von Gespraechen
mit Premierminister Yitzhak
Rabin. Er erklaerte mir sehr
ausfuehrlich, dass er niemals
auch nur die kleinsten Schritte
auf die Palaestinenser zu
unternehmen wuerde und dass
Frieden nur mit Koenig Hussein
geschlossen werden sollte. Seine
Erklaerungen erschienen mir
extrem irrational, ganz im
Gegenteil zu seiner ansonsten
charakteristischen analytischen
Rationalitaet. Damals dachte ich
gruendlich ueber die Wurzeln der
haschemitischen Liebesaffare
nach.
Meiner Meinung nach,
hat diese Liebesaffaere zwei
Gruende - einen praktischen und
bewußten und einen
tiefergehenden und eher
unbewußten.
Der praktische Grund
hatte mit Jerusalem zu tun. In
etwa so: "Die Hauptstadt des
Koenigs ist Amman. Jerusalem ist
nicht seine Hauptstadt. Daher
kann er es sich leisten,
Jerusalem aufzugeben. Wenn er
Jerusalem zurueckgibt, dann
koennen wir ihm einen Grossteil
der West Bank und sogar Gaza
zurueckgeben."
Das war natuerlich
eine voellig falsche Illusion,
die von Unkenntnis und
Verachtung fuer den Koenig
zeugte.
Die haschemitische
Familie ist die Familie des
Propheten und Hussein ist ein
direkter Nachfolger Mohammeds.
Die reine Vorstellung, dass von
allen gerade Hussein derjenige
sein koennte, der offiziell auf
das heilige Jerusalem verzichten
wuerde, entbehrte von Beginn an
jeder Grundlage. (Man sagt, dass
als Hussein Abd-el-Nasser ueber
seine bevorstehenden geheimen
Treffen mit Yigal Alon
informierte, der aegyptische
Staatsfuehrer antwortete: "Du
kannst treffen, wen Du willst,
solange DU immer daran denkst:
Wenn Du Jerusalem aufgibst, wird
Dir die arabische Geschichte
niemals verzeihen.")
Aber es gibt einen tieferen
Grund fuer diese Liebe.Husseins
ueberwaeltigender Vorzug ist,
dass er kein Palaestinenser ist.
Zwar sind die meisten seiner
Untertanen Palaestinenser und er
herrschte einige Jahre auch
ueber die West Bank. Aber die
Wurzeln der haschemitischen
Familie liegen in Mekka.
Unsere
gesamten Beziehungen zu den
Palaestinensern sind belastet
durch Aengste, Emotionen,
Komplexe, Erinnerungen, Mythen,
Misstrauen und Schuldgefuehle.
Die meisten dieser Gefuehle sind
unterdruckt und unterbewusst,
was sie so sehr viel
gefaehrlicher macht.
All das kommt zu der Tatsache
hinzu, dass wir mit dem
palaestinensischen Volk in einen
historischen Kampf um Land
verwickelt sind. Aber Seine
Majestaet steht vollkommen
ausserhalb dieses
Teufelskreises.
Und so koennen wir
voellig frei an jedem seiner
Worte haengen, seine Wangen
kuessen, ueber seine Gesundheit
besorgt sein, ihn mit
Komplimenten ueberschuetten und
ihm sein Territorium und das ihm
zustehende Wasser zurueckgeben.
Wenn Israel nur bereit waere ein
Zehntel dessen an Yassir Arafat
abzutreten, dann waere der
Frieden schon lange geschlossen.
Daher wuenschen die
Israelis Ihrer Majestaet, seinen
Stellvertretern und Erben, wer
auch immer das sein wird, gute
Gesundheit. So lange sie
Haschemiten sind und nicht
Palaestinenser.
Uri Avnery, Maariv,
26.01.99
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