Sehr geehrte Damen und Herren,
ich wurde von den Veranstaltern dieser
Konferenz dazu eingeladen Ihnen heute über
eines der umfangreichsten Informations- und
Kommunikationsangebote im europäischen
Internet zu berichten. Unser
Informationsdienst - haGalil onLine -
erscheint in deutscher Sprache und befasst
sich mit dem Judentum in all seinen
Facetten.
Neben tagesaktuellen Meldungen und
grundsätzlichen, sozusagen zeitlosen
Beiträgen aus der jüdischen Religion, bieten
wir eine Plattform zum Meinungsaustauch und
zur Verständigung.
Begonnen
haben wir diese Arbeit Ende 1995 unter dem
Eindruck der Ermordung des israelischen
Ministerpräsidenten Jizhak Rabin am 4.
November 1995.
Die
Schwerpunkte unserer Arbeit liegen zum einen
in der alltäglichen Hilfestellung und dem
Aufbau von Verbindungen zwischen Menschen
und Gruppen, Erziehungs- und
Aufklärungsarbeit in Schulen und der
Organisation von Veranstaltungen.
Die grösste
Reichweite hat unser Angebot im Internet.
Monatlich werden unsere Seiten 500.000mal
aufgerufen. haGalil onLine bildet einen sehr
effektiven Block gegen die antisemitische
und menschenfeindliche Nazi-Propaganda in
den deutschsprachigen Ländern.
Seit Jahren
wird vor der immer agressiveren und
umfangreicheren Nazi-Propaganda im Internet
gewarnt, leider ist neben unserer privaten
Initiative nicht viel geschehen um dieser
Entwicklung entgegenzutreten.
Das Kölner
Bundesamt für Verfassungsschutz warnte im
Vorjahr in einem Bericht zum Thema
"Rechtsextremistische Bestrebungen im
Internet" vor dem 'beängstigenden Vormarsch'
der Alt- und Jungnazis. Laut
Verfassungsschutzbericht Niedersachsen nahm
die Internetpräsenz antisemitischer und
fremdenfeindlicher Hetze - im Laufe eines
einzigen Jahres - um 600% zu. Erst
vorgestern warnte ein Sprecher des
Innenministeriums vor der immer stärkeren
Vernetzung und der immer ausgeprägteren
Gewaltbereitschaft. Nach jahrelanger
Diskussion und Ratlosigkeit werden nun
Vorschläge zur Eindämmung durch eine
gesamteuropäische Gesetztesinitiative
gemacht. Wie lange wird es dauern bis diese
zur Wirkung kommt?
Strafverfolgung und Zensur können sicher
niemals die wichtigsten Massnahmen in dieser
Auseinandersetzung sein. Aus praktischen
Gründen müsste jedem der dieses Medium auch
nur im Ansatz kennt klar sein, dass dies -
wegen der internationalen und frei
vernetzbaren Struktur des Internets, die
unendlich viele Ausweichmöglichkeiten
bietet, gar nicht möglich ist.
Im Übrigen
nützen gesetzgeberische Massnahmen nur
soviel, wie die mit ihrer Umsetzung
betrauten Beamten zu ihrer Anwendung bereit
sind. Trotz der eindeutigen Rechtslage in
der Bundesrepublik war es uns nur nach
umfangreichen Vorarbeiten, d.h. im Endeffekt
der Beibringung von Beweisen, und auch dann
nur bei einzelnen Staatsanwaltschaften
möglich, diese für dieses Problem zu
interessieren. Wir sehen uns oft vor einer
Mauer des Desinteresses und der
Gleichgültigkeit, des Unwissens und des
Nichtwissenwollens.
Erfolgversprechender - aber auch aufwendiger
- ist es diesen Lehren des Hasses und der
Gewalt positive Inhalte entgegenzustellen.
Als wir
1995 unsere Arbeit begannen, stellten wir
fest, dass jeder Schüler, Student oder
sonstige Internet-Nutzer, der eine Anfrage
zu den (deutschsprachigen) Stichworten
'Judentum, Talmud, jüdisch etc.' startete,
an nazistisch-antisemitische
Informationsangebote verwiesen wurde. Wir
beschlossen damals, positive und
authentische Informationen zu diesen
Stichworten aufzubereiten, und es ist uns
durch kontinuierliche Arbeit gelungen, aus
internationalen und deutschsprachigen
Suchmaschinen die nazistischen Angebote zu
verdrängen, d.h. auf weit hinten liegende
Ränge zu verweisen.
Wir können
den Hass nicht verbieten, wir können aber
eine klare Alternative aufzeigen und wir
können die Hetzer in ihrer Arbeit behindern.
Dass nicht
jeder deutschsprachige Jugendliche, der z.B.
im Rahmen des Geschichts-,
Gemeinschaftskunde-, Deutsch- oder
Ethikunterrichts Informationen zum Judentum
im Internet sucht, auf Naziseiten verwiesen
wird, ist unserer Arbeit zu verdanken.
Nach erstem
Kontakt über das Internet bieten wir, in
Zusammenarbeit mit der jüdischen Gemeinde zu
Berlin, für Schulen und Jugendgruppen
Möglichkeiten zum persönlichen Kennenlernen
an. Diese Arbeit wollen wir ausbauen und wir
sehen in ihr eine ideale Ergänzung zu
unserer Internetaktivität, welche natürlich
wesentlich mehr Menschen zu erreichen
vermag.
Für die
junge Generation sind PC und Internet
selbstverständliche Elemente. Über 80%
verfügen heute über einen eigenen Computer.
Das Internet ist für Kinder eine "Wundertüte
ohne Boden" und schon bei den 12- bis
14jährigen sind es in Deutschland 30% die
das Medium mit Begeisterung nutzen.
Es sind
diese Kinder uned Jugendliche, die uns immer
wieder klarmachen, dass wir auch ohne Hilfe
und Unterstützung und auch ohne jedes
Verständnis offizieller Stellen für unsere
Arbeit, verantwortlich sind und verpflichtet
sind unser Angebot aufrechtzuerhalten.
Mit
Phantasie, Kreativität und technischem
Know-How haben wir mehr erreicht als
Kontrolle, Zensur und Strafverfolgung. Wir
haben positive Inhalte geschaffen und damit
ist es uns gelungen die mit sehr viel
Aufwand und Finanzkraft betriebene
Nazi-Propaganda auf hinterste Ränge zu
verweisen. |