Die Welt des
Ostjudentums POLEN
von Chaim FRANK
Erste Probleme
Die rasch wachsende handwerkliche
Entwicklung der Juden führte alsbald zu wirtschaftlichen und sozialen
Konkurrenz mit der polnischen Bevölkerung. Dadurch tauchten wiederum
alte Konflikte und übliche Beschuldigungen auf, bei denen man nach den
Übergriffen sogar die hohen Strafen in Kauf nahm.
Es waren vor allem die
DOMINIKANER
von denen aus das Unheil über die Juden ausbrach. 1454 kam es zu
anti-juedischen Ausschreitungen in Wroclaw und anderen Städten, die von
einem Mönchen namens Jan KAPISTRAN inszeniert und geschürt worden waren.
Seine Hauptaufgabe war es, den Plebs und den Pöbel gegen die Hussiten
aufzuwiegeln. Und so nutzte er bei dieser Gelegenheit den
Konkurrenzkampf zwischen Juden und Christen, gefördert vom Primasz
OLES'NIZKI, den Haß auf Juden gleichzeitig durch antijuedische Predigten
zu steigern.
Es kam zu Plünderungen in Krakow, und
auch in den umliegenden Städten. Die grausame Bewegung war ins Rollen
gekommen, sodaß der anfänglich wirtschaftliche Kampf, sozusagen nun in
den Exzessen gegen die Juden gleichfalls auch eine religiöse Maske
bekam.
Es ist bezeichnend genug, daß immer dann
Blut Beschuldigungen auftauchten, wenn besondere wirtschaftliche
Depressionen oder politische Unruhen aufzukommen drohten. Trotzallem war
aber die Rechtslage der Juden durch königliche und fürstliche
Privilegien, sowie durch Sejmgesetze geregelt und war, wie gesagt, daher
von großer Bedeutung. Wobei die Privilegien jedoch Regionsbezogen
unterschiedlich ausfielen.
Die autonome Verfassung der Juden stellte
ihnen die Aufgabe der Verwaltung des Kultes, des Unterrichts und der
Gerichtsbarkeit.
Das älteste vollkommene Juden-Statut ist
das von Krakow aus dem Jahre 1515 und ähnelte im Aufbau gewissermaßen
dem der deutschen Städte.
Für die Verwaltung gab es Ehrenämter und
Beamte. Das waren zumeist die Ältesten, dann Rabbiner, die auch
richterliche Funktionen inne hatten.
Bei Streitigkeiten zwischen Juden und
Christen, entschied hingegen ein adliger polnischer Judenrichter mit
jüdischen Beisitzern. Und Streit, den gab es oft und genug,
hervorgerufen durch 'alten' Hader, besonders aber durch Konkurenz-Neid.
In einigen Städten, durch einzelne Staende, wurde sogar ein sogenanntes
'Privilega de non tolerandis Judaeis', ein Zuzugsverbot
für Juden, bewirkt.
Durch diese Einschränkungen gezwungen,
bemühten sich die Juden ihrerseits, in einigen Städten und Gemeinden, um
das 'Privilegia de non tolerandis Christianis', ein
Wohnverbot für Christen zu bewirken.
Dies Recht wurde ihnen 1568 für die
Judenstadt KASIMIRZ, ein Stadtteil Krakows der 1495 als erstes Ghetto
Polens errichtet war; dann 1633 für die Gemeinde in Poszen und 1645 für
fast alle litauischen Gemeinden gewährt.
In Lublin befand sich seit dem Jahr 1530
ein Schiedstribunal, das Streitfragen zwischen Juden aus den einzelnen
Ländern schlichtete. Ferner kam seit 1544 die Verpflichtung hinzu, ein
Militaerkontingent zu stellen, und außerdem hatten sie für die
Eintreibung der seit 1549 auferlegten Kopfsteuer zu sorgen.
Um 1578/9 wurde eine Haupt Vertretung
durch König Stephan BATHORY berufen, an deren Spitze ein General
Marschall stand, und die Mitglieder aus einem General Rabbiner, einem
General Schreiber, sowie aus einem General Schatzmeister bestanden.
Diese Einrichtung, WA'AD ARBA ARACHOT genannt, ein Vierländer- Sejm,
konstituierte sich 1581 auf einer Tagung in Lublin und bestand bis 1764
fort; wobei dieser die Gesamtheit der Juden repräsentierte.
Das 16. Jahrhundert zeichnete sich, in
der Konsolidierung der Gemeinden, in der steigenden Kapitalkraft, und
der günstigen Entwicklung der jüdischen Autonomie, positiv aus.
So war es gerade auch jenes Jahrhundert,
wo sich die jüdischen Gemeinden zu den weltfuehrenden Zentren jüdischen
Geistesleben entfalten konnten. Dabei stand der Bildungsgrad in den
profanen Disziplinen keineswegs zurück. Dies bezeugen, sogar in
exzellenter Weise, die großen, hervorragenden jüdischen Wissenschafter,
Ärzte und Gelehrten, von denen als Beispiel genannt werden könnten: der
angesehene Salomon ASCHKENASZI - ein Leibarzt des König
Sigismund, sowie der Leibarzt des Fürsten Radziwill, der vielgeschaetzte
DEL'MEDIGO.
Das mehr-oder-weniger friedliche
Miteinander hielt jedoch nicht sehr lange an. Neue Unruhen, innere, wie
äußere, zeigten sich am Horizont.
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