Einführung
zur Geschichte der Ostjuden:
Zadikim
Chaim FRANK
Daß
es hier - vor allem wenn es um die
eifrige Anhängerschaft der
sogenannte ''ZADDIK-DYNASTIEN''
ging, von denen nicht selten der
'Personen Kult' ausging und
andrerseits die Wundertaten
gewissermaßen vom Vater auf den Sohn
übertragen werden konnte, daß es
hier zu Auswüchsen kam - muß hier
nicht sonderlich erst betont werden.
Das gab und gibt es, hat aber nichts
mit dem tieferen Sinn des
Chassidismus zu tun - sondern eher
mit einer uebersteigenden
Heroisierung eines Meisters durch
seine Schüler. (Doch Vorsicht: Nicht
der Meister behauptet von sich der
potentielle Meschiach zu sein -
sondern seine Schüler behaupten
dies!!!)
So
entstanden seit dem ausgehenden 18.
Jahrhundert einige sehr bedeutende
Zaddik-Dynastien, die - trotz
vehementer Haskals (also
Aufklaerertum) vom Westen her - noch
über das 19.Jahrhundert
fortbestanden, und zwar mit
ausgeprägter und gelegentlich sogar
prunkvoller Hof Haltung. Als
Beispiel sei hier z.B. der Dvor von
SADAGORA (in der Bukowina) genannt,
wo bis 1914 der Sitz der Nachkommen
des Wunderrabbis Israel der
Ruschiner, des Gründer der Dynastie
Friedman, war. Israel Friedmann
(Pogrebyszcze, Gouv. Kiev 1797 -
1850 Sadagora) war ein Urenkel des
Baer von Mesiritsch. Bereits mit 16
Jahren wurde er dank seiner Begabung
und seines Wissens zum Rabbiner von
Ruschin und erwarb sich alsbald
(trotz seiner Jugend) höchstes
Ansehen. Davon abgesehen gehörte er
zu jenen - eigentlich wenigen -
Zaddikim, die sich mit Pomp und
einer prunkvollen Hof Haltung
umgaben, ja sogar darin quasi ein
Prinzip des Chassidismus sahen. Doch
das Auftreten des 'chassidischen
Melech' rief nicht nur den Argwohn
der russischen Behörde, sondern auch
die anderer frommer Juden hervor.
Sein Fall wurde sozusagen zu einem
'Politikum', sogar im Zusammenhang
eines Mordes, bzw. Anstiftung dazu,
wo Israel der Ruschiner jedoch
offensichtlich unschuldig, aber
immerhin 22 Monate im Kiewer Kerker
einsitzen mußte. Diese Geschichte
tat nichts gegen sein Ansehen,
sondern brachte ihn vielmehr noch
den Ruf eines Märtyrers ein. Nach
seiner Flucht aus dem Zarenreich
ließ er sich in Sadagora, unweit von
Czernowitz, nieder, wo er ein so
auffälliges Leben führte, daß sich
der Volksmund sogar erzählte er
wolle hier, in dem Stetl, einen
Tempel wie jener in Jerusalem
errichten. Natürlich fußte die Größe
seinen Rufes nicht allein auf sein
prunkvolles Leben, das wäre nicht
gerecht, viel mehr lag der Ruf auf
sein Wissen und auf seine Lehren,
die nach seinem Tode herausgegeben
wurden: ''Sefer irin kaddischin''
(Heilige Engel); ''Knesset Jisrael''
(Die Gemeinde Israels); ''Sefer
menora hatehora'' (Reiner Leuchter),
oder ''Sefer Jižroel wekidduschato''
(Israel und seine Heiligkeit) - die
alle zwischen 1885 und 1925 in
Warschau und Przemysl herauskamen.
In seinen Lehren ging er auf
Kommentare zur Tora ein, auf den
Dienst G'Tes, behandelte die
Stellung des Zaddiks (er sei der
Mittelpunkt, das Herzstück Israels,
der Mittler zwischen G'T und dem
Volk) und antwortete auf Fragen des
irdischen Lebens. Israel Friedmann
verwarf beispielsweise gänzlich die
Askese und setzte an deren Stelle
den Genuß und die Freude am Leben.
Eine seiner Haupt Thesen war: Der
Mensch müsse G'T aus eigenem Antrieb
dienen, und nicht weil es
gesetzliche Vorschrift ist. Der
Ruschiner hatte sechs Söhne, von
denen zwei das Erbe in Sadagora
hüteten, die anderen gingen nach
Rumänien und Galizien und
verbreiteten dort die Lehren des
großen Zaddiks.
Ähnliche Varianten solcher DVORIM
(Höfe), die bei weitem aber nicht so
prunkvoll wie jener in Sadagora
waren, gab es besonders in
Ostgalizien, in der Ukraine, in
Litauen sowie in einigen
belo-russischen und besarabischen
Shtetln.
Überreste solcher Zaddik-Dynastien
gibt es aber auch heute noch. Man
findet sie zum Teil in Israel, in
Amerika, in London und besonders in
der mehr jüdischen, als belgischen
Stadt, Antwerpen. Dorthin haben sich
nämlich die Anhaenger-Scharen der
verschiedenen chassidischen
Bewegungen mit ihren Meistern
gerettet, als man versuchte, durch
faschistischer Hand, das jüdische
Volk auszurotten. Und selbst in
dieser tragischen Geschichte gab es
noch viel Platz für wunderliche
chassidische Erzählungen, von der
Errettung des einen oder anderen
Zaddiks, durch G'Tes Hand.
Und
selbst das grenzt schon an Wunder,
vor allem in heutiger Zeit des fast
unmenschlichen Miteinander: daß es
auch heute noch etliche solcher
chassidischen Menschen gibt, die
trotz allem, was nur an Tragischem
und Mörderischem in der Geschichte
der Menschheit geschehen konnte,
ihren aufrichtigen Glauben und mit
hingebungsvoller G'Tes-Liebe das
religiöse Judentum bewahren!
Diese Chassidim scheuen sich nicht
vor der schwierigen Aufgabe und
Verantwortung, nach Osteuropa zu
kommen, um dort, den inzwischen -
durch vielerlei Umständen -
areligioes gewordenen Juden ein
neues Lebensgefühl nicht nur zur
eigenen Religion sondern auch zu
deren Dasein zu vermitteln.
Synagogen
und Glaubensgemeinschaften werden
dank dieser eifrigen Helfer wieder
aktiviert oder neu errichtet, und
daran hat gerade die
CHABAD-Bewegung, vor allem die der
LUBAWITSCHER- Juden, großen Anteil.
Chabad
CHABAD
das ist das theoretische und
religionsgesetzliche System des
(wahren) Chassidismus, so, wie es
durch SCHNEUR SALMAN aus Ladi
begründet wurde und durch seine
Nachkommen und Anhänger heute noch
vermittelt wird. Der Name ''ChaBaD''
setzt sich aus den Anfangsbuchstaben
der SEFIROT-Dreiheit zusammen:
CHOCHMA (die Weisheit), BINA (der
Verstand) und DA'AT (das Wissen).
Diese einstige religiöse Welt der
Ostjuden, der Chassidim, der
Zaddikim und der frommen
Wundermenschen ist nicht, wie sehr
oft und gerne behauptet wird
'untergegangen', sondern sie wurde
schlicht gesagt: brutal ausgerottet!
Sie wurde ausgerottet von
ungebildeten Menschen, von
politischen Ideologisten, von
Christen und anderen orthodoxen
Antisemiten. Den eigentlichen
Todesstoß versetzten aber Menschen,
die stets von sich behaupteten ein
'Volk von Dichtern und Denkern' zu
sein, und letztlich doch nicht
anderes waren als billige Untertanen
und willenlos das taten, was von
ihnen abverlangt wurde: Menschen,
nur weil sie Juden, Ost Menschen
oder Zigeuner waren, zu deportieren,
sie niederzuschlachten und schlimmer
noch - sie zu vergasen. Sie, die
Nazis und ihre Helfershelfer - davon
gab es sicherlich genug in Osteuropa
- rotteten das Judentum auf
brutalster weise aus und zerstörten
in kürzester Zeit die über
Jahrhunderte gewachsenen soziale
Symbiosen aus. Insofern war das, was
die Verbrecher in den
Vernichtungslager und beim Überfall
auf Osteuropa taten, nicht nur ein
Verbrechen an der Menschheit,
sondern zugleich auch ein
Kultur-Angriff, deren Zerstörung bis
heute nicht - auch nicht mit Geld -
wieder-gut-zu-machen ist!
Folgende chassidische Haupt-Gruppen
bestehen u.a. fort:
-
Ljubawitscher genannt nach dem
Ort Ljubowitsch bei Moghilew.
Ihr geistiger Führer war Schneur
Salman von Ladi, von dem die
Schneerson-Dynastie abstammt.
-
Die 'Belzer': Ihr geistiger
Führer ist Aaron Rokeach,
gestorben 1957)
-
Die 'Ruschiner': die Dynastie
des Rabbi Israel Friedman (1798-
1850) genannt der Ruschiner, ein
Enkel des Maggid von Mesiritsch)
-
und die strenge Gruppe der
'Brazlaver'- und 'Satmarer'-
Chassidim, die heute u.a. in New
York leben. Ihr geistiger Führer
ist Joel Teitelbaum (1886-1979).
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Lesen Sie zum osteuropäischen
Judentum auch:
''JIDDISCH
- Die Mameloschn''
Eine Sprache, ihr historischer und kultureller
Hintergrund
(Ein Vortrag von Chaim FRANK,
20.03.1997) |